Die eine Weisheit zur richtigen Führung gibt es nicht. In den meisten Fällen wird von der Führungskraft eine sensible situationsbezogene Führung erwartet.
Die folgenden fünf Fallbeispiele sollen dazu anregen, sich möglichst im Vorfeld mit grundlegenden Problematiken zu beschäftigen, um denkbare eigene Lösungsansätze zu finden.
Fallbeispiel 1: Fehlende Loyalität älterer Mitarbeiter kurz vor dem Ruhestand
Ein langjähriger Mitarbeiter im Produktionsteam ist 63 Jahre alt. Obwohl zuverlässig und fleissig, «nervt» er durch ständiges Reden von seiner bevorstehenden Pensionierung. Bevorzugt geschieht dies dann, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt wie zum Beispiel angekündigte Neuerungen mit Auswirkungen auf Abläufe in seinem direkten Arbeitsumfeld. Meist boykottiert er diese Neuerungen verbal und gibt dem Vorgesetzten unverblümt im Beisein der Teamkollegen zu verstehen, dass er die Planung für nicht weitsichtig genug halte. Der wesentlich jüngere Vorgesetzte kann dieses Verhalten nicht einfach negieren.
Der Lösungsansatz
Mag das negative Verhalten auch in der baldigen Beendigung des Arbeitslebens begründet und damit vielleicht unbewusst durch Ängste vor dem Nicht-mehr-gebraucht-Werden ausgelöst werden, ist es nicht zu rechtfertigen. Im persönlichen Gespräch muss diese Situation unbedingt geklärt werden. Und zwar nicht durch Konfrontation, sondern mit Einfühlungsvermögen, zum Beispiel durch die ehrliche Anerkennung und Würdigung der bisherigen Arbeit. Klar kommuniziert werden muss aber auch, dass solche Aussagen im Teamverband untragbar sind. Ein Einbinden des Mitarbeiters in die nun folgende Lösungssuche bewahrt ihm seine Würde. Die Übertragung einer besonders auf den Mitarbeiter zugeschnittenen Aufgabe kann ein möglicher Weg sein, sich seine Loyalität auch weiterhin zu sichern. Mit verschiedenen Generationen umzugehen, führt zum Feld von Diversity-Management. Dabei geht es darum, die Verschiedenheit der Mitarbeiter zu akzeptieren und ihre individuellen Stärken, die sie aufgrund ihrer Biografie mitbringen, möglichst oder zumindest partiell auch bewusst zu nutzen.
Fallbeispiel 2: Umgang mit Vorurteilen
Ein Teamleiter im Bereich Produktion pflegt ein sehr kollegiales Verhältnis. Drei seiner fünf Mitarbeiter waren früher Kollegen des inzwischen mit Führungsverantwortung betrauten Teamleiters. Für ein Grossprojekt mit zusätzlichen Schichten werden dem Team für drei Wochen drei weitere Arbeiter zugeteilt. Die Namensliste wird dem Teamleiter wenige Tage vor Projektstart übergeben. Zwei der neuen Mitarbeiter kennt der Teamleiter aus früheren Projekten, wobei es mit einem grosse Disziplinprobleme (sehr unpünktlich) gab. Der andere hat den Eindruck hinterlassen, ein sehr arbeitsamer, aber eher verschlossener Kollege zu sein. Der dritte Neuling ist dem Teamleiter nicht persönlich bekannt. Der Vorgesetzte erwähnte jedoch, dass er kein unbeschriebenes Blatt sei, weil er schon in diversen anderen Projekten negativ aufgefallen sei. Jetzt erhält er nochmals eine letzte Chance.
Der Lösungsansatz
Professionelle Führung verlangt, sich allen Mitarbeitenden gegenüber fair und korrekt zu verhalten. Vorurteilsfrei zu sein, ist die Tugend der Stunde: Es liegt jedoch in der Natur des Menschen, sich aufgrund erster Eindrücke möglichst rasch ein Urteil zu bilden – ein automatisiertes System, das durch Teilinformationen und Informationen aus zweiter Hand schnell zu Vorurteilen führen kann. Um das zu vermeiden, heisst es zunächst für sich selbst zu klären: Habe ich Vorurteile oder nicht? Danach gilt es, das Gespräch mit jedem Einzelnen zu suchen und darüber zu reden, evtl. Eigenheiten zu akzeptieren und somit eine Chance zu eröffnen. Vom «alten» Team darf/soll/kann ebenfalls verlangt werden, den neuen Kollegen eine Chance zu geben. Wichtig ist, die Entwicklung zu verfolgen, um als Führungskraft ggf. frühzeitig zu intervenieren, also klar Stellung zu beziehen.
Fallbeispiel 3: Wenig Freude bei der Arbeit
Ein Team leistet wirklich sehr gute Arbeit mit wenig Fehlern und hoher Effizienz. Trotz der sauber eingehaltenen Prozesse spürt der Teamleiter, dass besonders im Bereich Service Kunden zwar mit Namen begrüsst und verabschiedet werden, jedoch wenig Begeisterung für die Thematik «Kundenzufriedenheit» zu spüren ist. Bei der regelmässigen Thematisierung in den Teamsitzungen fallen Aussagen wie «ja, wir geben doch alles» oder «der Kunde erhält immer, was er will». Doch mit einer greifbaren Kultur der Kundenorientierung identifizieren sich die Mitarbeiter nicht. Leitbild hin oder her – das Herz macht nicht mit, oft fehlt die Geduld für ein bisschen mehr als nur korrekte Abwicklung. Zufällig aufgeschnappte Pausengespräche wie «Was sollen wir denn noch alles für die Kunden tun? Zwischendurch müssen wir auch mal arbeiten» sollten zu denken geben.