Mensch & Arbeit

Weiterbildung

Nachhaltige Wirkung durch Business-Simulationen

Die Inhalte klassischer Weiterbildungsmassnahmen bleiben nur zu einem geringen Teil nachhaltig haften. Der Grund: Ohne Wiederholung und praxisnahe Übung werden die Inhalte und guten Vorsätze schnell vergessen. Wirkungsvoller ist, realitätsnahe Lernwelten durch Business-Simulationen zu schaffen.
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Aus der Lernforschung ist bekannt: Wir lernen am schnellsten, wenn wir ausprobieren, Fehler machen dürfen, sofortiges Feedback von Profis erhalten und es dann noch einmal versuchen können, immer und immer wieder. Schliesslich macht Übung den Meister. Geschäftsführer, Führungskräfte und Einkäufer kleiner und mittelständischer Unternehmen setzen jedoch nach wie vor mehrheitlich auf klassische Seminare, um fachliche, methodische und soziale Kompetenzen vermitteln zu lassen. Allerdings werden aus diesen Training-Settings nur zehn Prozent des Gelernten umgesetzt. Ein beschämendes Ergebnis für alle, die in der Weiterbildung tätig sind.

Realitätsnahe Lernwelten

Woher kommt diese geringe Nachhaltigkeit? Bei der Umsetzung nach dem Seminar werden die Teilnehmer sich selbst überlassen. Ihr Lerneifer wird selten belohnt. Ohne Wiederholung und praxisnahe Übung werden die Inhalte und guten Vorsätze daher schnell vergessen. Eine Business-Simulation, die realitätsnahe Lernwelten für mittelständische und kleine Unternehmen zum Leben erweckt, kann Training sowie Transfer positiv und intensiv emotionalisieren – und die Gehirnforschung lehrt uns, dass genau das die zentrale Voraussetzung nachhaltigen Lernens ist. Doch wie sieht so eine Business-Simulation aus? Dafür wird ein fiktives kleines Unternehmen mit fiktiven Charakteren geschaffen, mit denen die Teilnehmer vor, während und nach dem Training in Interaktion treten und neue Verhaltensweisen ausprobieren können. Ein Weltmarktführer für Werkzeuge sucht beispielsweise eifrig nach neuen Lösungen, ein Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln will den europäischen Markt erobern, eine Kombination aus Waschvollautomat und Fitnessgerät muss an den Mann und die Frau gebracht werden oder eine Coffeeshop-Kette will ihre Service- und Qualitätsprobleme in den Griff bekommen.

Wie im Flugsimulator

Die didaktische Grundidee bleibt immer gleich: Es wird ein Lernumfeld geschaffen, in dem die Teilnehmer die geforderten und zu trainierenden Kompetenzen entdecken, analysieren und selbst ausprobieren können. Das Szenario muss der Realität dabei so ähneln, dass sich die Zielgruppe wirklich darin wiedererkennt. Es wird aber so weit abstrahiert, dass den Teilnehmern stets bewusst bleibt, dass sie sich in einem geschützten Lernsetting befinden. Denn nur dann werden sie sich trauen, ungezwungen zu üben und Fehler zuzulassen.

Die Idee, Simulationen als Trainingsform einzusetzen, kommt nicht nur von der herausragenden Errungenschaft des Flugsimulators, dessen Erfindung das Flugzeug zum sichersten Transportmittel gemacht hat, sondern auch von den positiven Erfahrungen mit Rollenspielen. Genau genommen ist eine Business-Simulation eine Erweiterung komplexer Rollen­spiele. Im Idealfall ist es ein Blended-Learning-Szenario, in dem sich die Realität der Teilnehmer und die inszenierte Lernwelt so vermischen, dass die Teilnehmer manchmal sogar vergessen, dass sie sich in einem fiktiven Projekt befinden.

Bevor man eine Business-Simulation in einem Unternehmen einführen kann, ist eine gründliche Analyse der Ausgangssituation notwendig. Hierfür sind mehrere Vorbereitungstage unvermeidlich. Wichtig sind Interviews nicht nur mit den Auftraggebern und den Führungskräften, sondern auch mit der Zielgruppe der Teilnehmer selbst. Wie sehen typische Anwendungssituationen in deren Alltag aus? Je mehr erfragt wird, desto detailreicher, praxisorientierter und damit überraschender lässt sich das Szenario für die Teilnehmer gestalten. Zusätzlich erhöht sich die Akzeptanz. Wird zum Beispiel in den Interviews beim Auftraggeber deutlich, dass es typische Fehler bei der Pflege des CRM-Systems gibt, sollten genau diese Fehler auch innerhalb der Simulation auftauchen.

Praxisbeispiel Miele

Der mittelständische Haushaltsgerätehersteller Miele aus Deutschland wünschte ein Trainingsprogramm zur Verbesserung von Kommunikation, Rhetorik und Gesprächsführung der Mitarbeitenden in Meetings, Präsentationen und Kundengesprächen mit hohem Praxisbezug. Die Lösung: Miele «Fit & Wash», ein umfassendes Blended-Learning-Planspiel, das Online- und Offlinemassnahmen vereint. Es ermöglicht, die tatsächlichen Arbeits­abläufe bei Miele realitätsnah widerzuspiegeln. Typische Situationen in Meetings und Präsentationen sind in einen Projektkontext eingebettet, der den realen Prozessen im Unternehmen nachempfunden ist. Im Mittelpunkt der Simulation stehen die Produktion und Vermarktung von «Fit & Wash», einer fiktiven skurrilen Produkt­innovation aus dem Hause Miele. Die unterhaltsame «Skurrilität» des Szenarios erleichtert den Einstieg ins Spiel und die Kontaktaufnahme.

Das Planspiel umfasst drei Phasen: Die Teilnehmer erhalten in zwei Onlinephasen und einem Präsenztraining Aufgaben, die sich direkt auf die Produktion und Vermarktung von «Fit & Wash» beziehen.

Onlinevorbereitung

  • Ein Webinar dient als Einstieg in die Selbstlernphase. Hierbei lernen die Teilnehmer die Onlinelernmittel kennen.
  • Darauf folgt ein webbasiertes Training auf einer Lernplattform mit anschlies­sendem Onlinetest: Das Szenario wird vorgestellt, und die Teilnehmer bereiten sich mit einer Aufgabe auf das Präsenztraining vor.

Präsenztraining

  • Es besteht aus drei parallelen Workshops für die verschiedenen Teilnehmergruppen: «Der Kommunikationsprofi», «Effektiv moderieren», «Präsentation und Visualisierung».
  • Da die Teilnehmer durch die Onlinephase gut vorbereitet wurden, bleibt viel Zeit für interaktive Übungen und individuelle Reflexion. Es gibt ein Training in Rollenspielform mit Szenariobezug, die Auswertung erfolgt durch Videofeedback: Die Rollenspiele werden gefilmt und im Anschluss vom Trainer kommentiert. Dieses direkte Feedback ist hilfreich, weil Fehler sofort korrigiert werden können.

Onlinenachbereitung

  • In deren Rahmen absolvieren die Teilnehmer den zweiten Teil des webbasierten Trainings. Auch in ihm geht es um das bereits bekannte Szenario einer fiktiven Produkteinführung.

Nach dem Training gibt es einen Trainerbericht und einen 100-Tage-Brief, eine schriftliche Umsetzungsvereinbarung zwischen Teilnehmer und Führungskraft und eine Befragung zur Umsetzung der Lerninhalte als weitere Transfermassnahmen.

Einsatz von Schauspielern

Für die Rollenspiele im Präsenztraining ist der Einsatz von Seminarschauspielern von grosser Bedeutung. Müssen die Teilnehmer selbst die unterschiedlichen Rollen einnehmen, verpufft der Effekt der Simulation. Die Schauspieler kennen das didaktische Ziel des Trainers. Sie reduzieren den Druck, wenn der Teilnehmer anfängt, das Gelernte umzusetzen, und erhöhen ihn, wenn ihr Gegenüber wieder in ein altes Muster verfällt. Ein Schauspieler kann ausserdem nach einem Rollenspiel beschreiben, wie er sich gefühlt hat und erklären, wodurch dieses Gefühl bei ihm entstanden ist. Er kennt die gängigen Kommunikationsmethoden und hat gelernt, den Teilnehmer «im Spiel zu halten». Das Gelernte wird so unmittelbar umgesetzt, und der Trainer kann die Umsetzung direkt im Trainingsraum beobachten und nachbessern. Darüber hinaus können die Schauspieler aus dem Präsenztraining den Transfer unterstützen, indem sie nach dem Training in ihren Rollen mit den Teilnehmern Kontakt aufnehmen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Lernkultur-Analyse

Grundsätzlich eignen sich Simulationen für alle kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die grosse Frage ist dabei immer, ob das Szenario komplett massgeschneidert sein soll, was einen deutlich höheren Aufwand erfordert, oder ob es ausreicht, eine vorhandene Simulation anzupassen.

Für jede Business-Simulation mittel­ständischer Unternehmen gilt, was für alle Weiterbildungsmassnahmen gelten sollte: die richtige Mischung aus den Elementen Education, Training und Entertainment zu finden. Education bedeutet, die richtigen Inhalte, in der richtigen Dosis, zur rechten Zeit und mit den richtigen Methoden an die passenden Teilnehmer zu vermitteln. Durch Training wird ein Maximum an Interaktion und professionellem Feedback ermöglicht. Unterhaltung und positive Emotionen (Entertainment) wirken dabei wie «neuronales Doping» und schaffen Begeisterung für die neuen Inhalte. Dies bedeutet auch den gezielten Einsatz von Humor und unternehmensähnlichen Anekdoten. Hierfür muss die Lernkultur des Auftraggebers sorgfältig analysiert werden: Welche Art von Humor und Spass passt zu dieser Kultur? Wie weit darf man gehen? Was wäre möglicherweise übertrieben und würde die Akzeptanz dieser Art des Lernens grundsätzlich gefährden?

Je näher sich die Simulation an der Realität im Unternehmen orientiert, desto höher sind die Erfolgschancen. Dafür gilt es, Gesprächspartner zu finden, die Lust haben, an dem Aufbau eines Szenarios mitzuarbeiten und die Fachabteilung einzubeziehen. Das vermittelt allen Mitarbeitern das Gefühl: Hier wird wirklich für die Praxis trainiert. Endlich macht sich ein externer Anbieter gemeinsam mit der Personalabteilung die Mühe, unsere Arbeit im Detail zu verstehen. Dies führt zu einer hohen Akzeptanz des Trainingskonzepts – nicht nur bei der Personalentwicklung und den Teilnehmern, sondern auch bei den Führungskräften und Fachverantwortlichen – ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn es um die interne Vermarktung und die Nachhaltigkeit der Weiterbildungsmassnahme geht.

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