Mensch & Arbeit

Flexible Weiterbildung

Modell F – im eigenen Lerntempo zum Ziel

Weiterbildung mit Beruf, Familie und Freizeit in Einklang bringen? Den Wiedereinstieg in den Beruf ermöglichen? Das von der «alliance f» initiierte und vom Bund geförderte Modell F (flexible Weiterbildung) ebnet Weiterbildungswilligen den Weg dahin. Und unterstützt gleichzeitig, dem Fachkräftemangel in einzelnen Branchen gegenzusteuern. Es entsteht eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.
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Es ist wie verhext. Weiterbildungswillige kennen die Situation: Der Wille zur Weiterbildung ist da, das Angebot an Lehrgängen und Kursen ist riesig, fast unüberschaubar gross. Alles gut, wenn es denn nur möglich wäre, die Weiterbildung unbelastet von ausserberuflichen Verpflichtungen durchzuziehen. Nicht selten kreuzen sich Kursdaten justament mit nicht verschiebbaren Verpflichtungen oder unvorhersehbaren Ereignissen (Familie, Sport, Militär, Ausland, u. a. m.). So musste bis vor wenigen Jahren gar manche gute Absicht am unpassenden Zeitfenster scheitern. Dann eben liegen Talente brach.

Mit dem Modell F – flexible Weiterbildung – wird die Situation der Nachfrager auf der Stufe Höhere Fachschule und Fachhochschule seit 2005 wesentlich verbessert. Hürden werden abgebaut, Ressourcen zugänglich gemacht und Potenziale gefördert. Gemäss der Geschäftsführerin des Vereins Modell F, Rebekka Risi, besteht die Grundidee darin, dass Weiterbildungslehrgänge unterbrochen werden können: «Neu ist, dass sie so flexibel ange-boten werden, dass die Teilnehmenden das Recht haben, dies jederzeit, mehrmals und ohne Angabe von Gründen zu tun: Wer, geplant oder auch unverhofft, einen Auslandaufenthalt vor sich hat, ein Kind bekommt, den Job wechselt oder in der Armee weitermacht, kann davon profitieren. Pausen sind möglich und das Weiterlernen nach einer Pause ebenfalls. Wenn kein Unterbruch eintritt, können die Bildungsgänge in der üblichen Zeit abgeschlossen werden. So gibt es viel weniger Abbrüche und Ausstiege, und die Schwelle zum Entschluss, sich konkret beruflich weiterzuentwickeln, wird um einiges niedriger. Ob nach Mutterschaftsurlaub, Auslandaufenthalt, nach Trainings- oder Wettkampfphasen oder im beruflich ausgebuchten Alltag: Der Wiedereinstieg wird gemeinsam mit den Schulleitenden geplant und organisiert, die Abschlussprüfungen können später durchlaufen werden.»

Modell F kommt nicht nur Weiterbildungswilligen entgegen, sondern auch der Wirtschaft im Gesamten, indem bisher ungenutztes Humankapital dem Arbeitsmarkt zugeführt und Mitarbeitende im Markt die Möglichkeit einer höheren Qualifikation eröffnet wird. Modell F ist ein kleiner, aber konkreter Beitrag, den von einigen Branchen beklagten Fachkräftemangel mildern zu helfen. Tatsächlich: Gemäss dem KMU-Portal des EVD «sieht sich knapp die Hälfte der Schweizer Unternehmen einer Talentknappheit gegenüber. Bei den meistgesuchten Berufen stehen die Facharbeitenden an erster Stelle».

Ingenieure, Techniker, Gesundheitspersonal, IT-Spezialisten sind ausgesprochene Mangelberufe. Zukunftsträchtige Branchen leiden. So äusserten in einer Befragung im Jahre 2009 «rund 65 Prozent der Cleantech-Unternehmen Schwierigkeiten, Fachkräfte zu rekrutieren». Und auch in einer Studie von économiesuisse zusammen mit dem Berufsverband Swiss Engineering aus dem Jahre 2011 ist von einer «Lücke von 14 000 bis 15 000 Ingenieuren» die Rede. Im Pflegebereich rechnet man laut Exponenten des grössten Branchenverbandes «in den nächsten Jahren von einem Zusatzbedarf von 15 000 bis 25 000 Personen».

Modell F ist ein zertifiziertes Qualitätslabel für Bildungsinstitutionen. Das gibt Sicherheit nach allen Seiten. Im Auftrag des Vereins Modell F gewährleistet die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme SQS die Anerkennung des Labels Modell F von Bildungs- und Studiengängen auf Niveau Tertiär B, Fachhochschule und auf Stufe Quartär für die ganze Schweiz. Die SQS unterstützt die zeitgleiche sowie die kombinierte Zertifizierung nach Modell F und eduQua. Die Gültigkeit ist auf drei Jahre befristet. 18 Monate nach der Zertifizierung erfolgt ein Zwischenaudit auf dokumentarischem Weg.

Schulen nach dem Modell F haben für ihre Lehrgänge/Kurse Standards aufgebaut, welche sie anhand eines Kriterienkatalogs mit allen Basisdokumenten nachweisen können. Dr. Adrian Plüss, Branchenleiter Bildung der SQS dazu: «Die Kriterien reichen vom Aufnahmeverfahren für Studierende, der Eigenverantwortung der Studierenden, Handhabung des Unterbruchs von Studien- bzw. Bildungsgängen, Teil- und Zwischenqualifikationen, Wiederaufnahme eines Studien-/Bildungsgangs, Optimierung schulischer Bildung und beruflicher Tätigkeit bis hin zur Durchlässigkeit und Anerkennung der Lernleistungen an anderen Schulen oder ausserschulischer Erfahrungen.»

Derzeit bieten 12 Bildungsinstitutionen über 800 verschiedene Lehrgänge nach Modell F an. Eine aktualisierte Liste der Anbieter von Modell F ist einsehbar unter www.modellf.ch/de/anbieter/index.html; sie wird ständig weiterentwickelt. Die Erfahrungen der Anbieter und Nutzer sind gut. Modell-F-Präsident Jean-Etienne Berset, Generaldirektor der HES SO/Fribourg bestätigt das: «Mit Modell F anerkennen diese Bildungsinstitutionen in der Tat auch alle Lernleistungen, welche Erwachsene im Unternehmen, in der Armee, in der Familie erwerben. Dies kann zur Verkürzung, entsprechend auch zur Verbilligung der Bildungsgänge führen.»

Gerade weil die Schweiz keinen anderen Rohstoff hat als die Lernfähigkeit der Menschen, appelliert Jean-Etienne Berset an die Verantwortlichen: «Öffnen wir allen Leuten den Weg, sich beruflich höher oder anders zu entwickeln, ein Leben lang. Damit erhöhen die einzelnen Menschen ihre Arbeitsmarktfähigkeit und die Unternehmen verfügen über mehr Fachkräfte, kurz: der Wirtschaftsstandort Schweiz profitiert.»

Die Schweizerische Fachschule für Technik, Informatik und Wirtschaft TEKO ist seit 2008 nach dem Modell F zertifiziert. 1200 Studierende und über 430 Dozierende verteilen sich auf die vier Standorte in Luzern, Bern, Basel und Olten. Gemäss dem Berner Schulleiter Jürg Hess, verantwortlich für den Pilotbetrieb am Standort Bern, kam der Anstoss zur Einführung von extern, indem die Post IT im Rahmen ihres Projekts «Informa» konsequent auf das Modell F setzte und ihre Zusammenarbeit mit Bildungsanbietern nach dieser Anforderung evaluierte.

Jürg Hess: «Der Entscheid für das Modell F erwies sich aus dieser spezifischen Nachfragesituation heraus schon bald als richtig. Ohne Modell F hätten wir weniger Studierende, und der Bekanntheitsgrad in grossen Firmen wäre nicht so ausgeprägt.» Davon profitiert TEKO, denn die Nachfrage nach individuell gestalteter Weiterbildung wird in Zukunft anziehen.

Für Hess ist die Zertifizierung «ein Beleg dafür, dass die Schule den neuen Anforderungen gewachsen ist. Es trifft zu: Immer mehr Interessenten fragen explizit nach einer Modell-F-Weiterbildung. Just-In-Time-Bildung ist im Vormarsch». Kommt hinzu, dass Bildungsangebote durch die eidgenössische Anerkennung immer ähnlicher und modularer werden. Damit eine Bildungsinstitution wie TEKO nachhaltig erfolgreich sein kann, muss sie auf die Karte Qualität setzen, um sich von den Mitbewerbern abzuheben.

Die Einführung von Modell F erfolgte bei TEKO «sehr pragmatisch». Der Weg bis zur Zertifizierung dauerte rund sechs Monate. Zuerst besuchte Schulleiter Hess Infoveranstaltungen des Vereins Modell F. Danach wurde der vorgegebene Kriterienkatalog durchgearbeitet. Alle Kriterien wurden so gut wie möglich dokumentiert. Die interne Umsetzung (neue Formulare, neue Prozesse, Anpassungen in der EDV) erfolgte schrittweise nach der Zertifizierung. Neben den Abteilungsvorständen der Schule wurde auch die Administration in das Projekt eingebunden.

Als eigentliche Hürde des Modell F erweist sich im Schulalltag das Spannungsfeld zwischen den «normalen» standardisierten Schulprozessen auf der einen Seite und der individuellen Beratung und Betreuung der Modell-F-Studierenden auf der andern Seite. Dazu Jürg Hess: «Da der TEKO-Lehrkörper mit über 430 Personen im Verhältnis zur Studentenschaft eher gross ist, sind die Ansprüche und Erwartungen entsprechend unterschiedlich. Die Akzeptanz für das Modell F und das gesamte Qualitätsmanagement sind gut. Dadurch erhöht sich die Kundenorientierung unserer Schule markant.»

Gemäss Hess sind «für die hohe Qualität alle Beteiligten verantwortlich». Dozierende und Studierende bringen neue Ideen in den Kreislauf ein. Die Lehrpersonen unterstützen das Qualitätsmanagement, solange der administrative Aufwand dafür im Rahmen bleibt. Die Abteilungsvorstände sind dafür besorgt, dass die Lerninhalte der beruflichen Praxis gerecht werden. In der Schulleitung werden Lehrpläne und Inhalte koordiniert und die Übergänge zur Fachhochschule vereinheitlicht. Die Administration schliesslich arbeitet jeden Tag mit den Prozessen. Unstimmigkeiten fliessen so rasch in die Schulleitersitzung zurück.

Generell helfen die flachen Hierarchien der TEKO, die Anpassungs- und Verbesserungsprozesse schlank zu halten. Qualität ist an den monatlichen Schulleitersitzungen ein zentrales Thema und die regelmässigen Audits durch die Schweiz. Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme SQS sind ein wichtiges Element, um die Qualität hochzuhalten. Die Prozesse werden dadurch laufend hinterfragt, optimiert und dokumentiert. Die Erfahrungen mit dem Modell F beurteilt Jürg Hess aus der Sicht der Projektleitung «als durchwegs zielführend». Einige Studierende in der TEKO haben bereits nach Modell F erfolgreich abgeschlossen.