Mensch & Arbeit

Gesundheitsmanagement

Mobiles Arbeiten ist modern – aber auch gesund?

Die moderne Gesellschaft arbeitet überall: zu Hause, im Zug, im Café, auf Parkbänken. Bei diesen mobilen Arbeitsplätzen wird oft zu wenig auf die Sicherheit und Gesundheit geachtet. Doch auch ein improvisierter Arbeitsplatz kann auf die individuellen Bedürfnisse angepasst werden, um gesundheitlichen Problemen vorzubeugen.
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Blicken wir uns im Zug um, sehen wir rundherum vorn übergebeugte Köpfe und auf Smartphones tippende Finger. Bei dieser typischen «Smartphone-Haltung» biegen wir unseren Nacken in einen 60-Grad-Winkel und setzen ihn damit einer sehr hohen Zugkraft von 27 Kilogramm aus. Zu diesem Schluss gelangte eine Studie des amerikanischen Wirbelsäulenchirurgen Kenneth Hansraj, die bereits 2014 im Fachmagazin «Surgical Technology International» publiziert wurde. Im Hinblick auf diese enorme Belastung wundert es natürlich nicht, dass der Nacken bereits nach kurzer Zeit zu schmerzen beginnt.

Schmerzen beachten

Doch ganz selten schenken wir diesem Schmerz Beachtung. Oftmals ist man so vertieft ins Lesen der Meldungen und  ins Tippen der Nachrichten, dass man sich selbst unter Schmerzen weiter in dieser Haltung mit dem Smartphone beschäftigt. Und dies manchmal selbst dann, wenn der Zug längst am Bahnhof steht, wir aussteigen und vor lauter Display-Blickkontakt fast die Stufen des Zugwagons verpassen – und stolpern. Von unterwegs und von zu Hause aus zu arbeiten, gibt uns zwar eine gewisse Freiheit. Und es ermöglicht auch, während der Arbeit einen Tapetenwechsel zu machen. Doch die  «mobilen» Arbeitsplätze haben ihre Tücken. Denn für einen gesunden und sicheren Arbeitstag ist es wichtig, den Arbeitsplatz auf seine individuellen Bedürfnisse anzupassen.

15-Minuten-Regel

Es macht natürlich einen grossen Unterschied, wo – oder besser – worauf man sitzt. Im Büro sitzen wir womöglich auf einem ergonomisch abgestimmten Bürostuhl, unterwegs vielleicht im Zugsessel oder zu Hause auf einem Küchenstuhl. Gerade hier ist es wichtig, auf die Sitz- sowie Kopfhaltung zu achten. Dabei sollten wir mindestens alle 15 Minuten die Position wechseln oder besser noch einfach einmal aufstehen und ein paar Schritte gehen.

Diese 15-Minuten-Regel ist das Ergebnis von Jack Dennerleins Studien. Er ist der Leiter des Occupational Biomechanics and Ergonomics Laboratory der Harvard School of Public Health und er hat in einem Fachartikel aus dem Jahr 2012 im «Work: A Journal of Prevention, Assessment, and Rehabilitation» beschrieben, wie wichtig es ist, bei sitzender Tätigkeit die Position regelmässig zu ändern und aufzustehen, um so den gesundheitlichen Schäden möglichst vorzubeugen.

Risikofaktoren

Sitzen wir also den ganzen Tag, womöglich ohne eine einzige Unterbrechung, erhöhen wir damit das Risiko für Nacken-, Rücken- und Kopfschmerzen. Dazu kommen aber auch Langzeitfolgen wie etwa eine breite Palette von chronischen Erkrankungen und das Problem einer unerwünschten Gewichtszunahme, mit deren Folgekrankheiten. Untersucht wurde in diesem Zusammenhang auch die Sitzdauer: Pro «Sitz-Stunde» ohne Unterbrechung erhöht sich das Risiko der beschriebenen Effekte bei Männern um 12 Prozent. Bei Frauen sind es sogar 26 Prozent, wie der Bericht «Sitzender Lebensstil beeinflusst die Gesundheit negativ» des Bundesamts für Sport (Baspo) von 2014 zeigt.

Doch nicht nur die haltungsbezogenen Herausforderungen sind am mobilen Arbeitsplatz zu meistern. Arbeiten wir im Zug, im Park oder in einem Cafe, sind wir oft einem höheren Geräuschpegel als im Büro ausgeliefert. Geräusche beeinflussen emotional die Wahrnehmung. Längst bekannt ist, dass die Konzentration und die Gehirnleistung abnehmen, dass die unbewusste Ablenkung und die Fehlerhäufigkeit zunehmen. Das stellten schon Ellermeier und Hellbrück im Jahre 1998 fest. So kann es nicht schaden, beim mobilen Arbeiten zum Beispiel Kopfhörer mitzuführen, die schallschützend wirken und die Umgebungsgeräusche eindämmen können. Dies natürlich nur an einem sichern Ort und nicht im Verkehr.

Mobil arbeiten planen

Eine gute Arbeitsplanung kann zudem helfen, selbst unterwegs oder unter Ablenkungen zu Hause produktiv zu sein. Beispielsweise spart man sich Arbeiten, die weniger Konzentration benötigen, für jene Zeit auf, die man nicht im Büro verbringt: Beispielsweise Telefongespräche, die Planung von Terminen oder kurze Recherchearbeiten. Ebenso sollte man die Arbeit auf dem kleinen Smartphone-Display so kurz wie möglich halten. Die Augen spüren die Belastung, wenn kleine Schriften entziffert werden müssen und die Beleuchtung nicht optimal eingestellt ist. Zudem spiegeln Displays von mobilen Geräten häufig, was die Augen ermüdet. Verspannung, Kopfschmerzen und wieder erhöhte Fehlerhäufigkeit sind die Folgen. Auch ist es anstrengend, auf den kleinen Tastaturen der mobilen Geräte Texte zu tippen. Eine externe Tastatur kann Abhilfe schaffen.

Tapetenwechsel im Büro

Mobile Arbeitsplätze finden wir übrigens nicht nur ausserhalb des Büros: Zunehmend führen Unternehmen keine fix zugeteilten Büroarbeitsplätze mehr. Insbesondere bei Grossbetrieben mit vielen Teilzeit- sowie Aussendienstmitarbeitenden braucht es weniger Arbeitsplätze wie Angestellte. So kann es sein, dass die Angestellten eines solchen Betriebs jeden Tag an einem anderen Arbeitsplatz arbeiten. Für diese ist es besonders wichtig, dass sie ihren Arbeitsplatz jedes Mal neu auf ihre Bedürfnisse einrichten. Denn jeder Mensch ist ein Original. Um eine gesunde Arbeitshaltung zu fördern, soll Mobiliar, das durch verschiedene Einstellmöglichkeiten individuell an die Körpermasse angepasst werden kann, auch sinnvoll genutzt und nicht einfach so übernommen werden, wie es der Vorgänger hinterlassen hat. Nicht selten befinden sich in den heutigen Büros auch Sofaecken, Stehpulte, Theken sowie anderes Mobiliar, welches dazu einlädt, die Arbeit am Bürotisch zu unterbrechen, ein paar Schritte zu gehen, die Körperhaltung zu ändern und die Umgebung zu wechseln – der Tapetenwechsel auf mehreren Ebenen kann sich positiv auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Mobiles Arbeiten hält Körper und Geist fit, aber nur wenn man es richtig macht. Ausprobieren lohnt sich.

Richtig sitzen

Bürostuhl richtig einstellen

Die Höhe des Stuhls soll so eingestellt sein, dass die Füsse flach auf dem Boden stehen und die Oberschenkel gleichmässig auf der Sitzfläche aufliegen. Ober- und Unterschenkel sollten einen Winkel von mindestens 90 Grad bilden. Der «offene» Winkel verhindert das Stauen der Durchblutung in den Kniekehlen. Man ermüdet weniger schnell und beugt zudem Krampfadern vor.

Dynamisches Sitzen

Bewegung ist gesund – auch auf dem Stuhl. Eine flexible Rückenlehne ermöglicht es, zwischendurch zurückzulehnen und so die angespannten Muskeln sowie den Rücken zu entlasten. Regelmässig aufzustehen und im Stehen zu telefonieren, zu lesen oder zu diskutieren ist am besten für den Rücken.

Die richtige Sitzposition finden

Die Tiefe der Sitzfläche soll so eingestellt sein, dass der Rücken leicht gegen die Stuhllehne drückt. Zwischen Sitzfläche und Kniekehle sollte aber ein kleiner Abstand sein, etwa zwei Finger breit. Kann zudem die Neigung der Sitzfläche eingestellt werden, dann sollte diese so positioniert sein, dass die Oberschenkel mit gleichmässiger Belastung auf die Sitzfläche drücken.

Hocker oder Bürostuhl – braucht es eine Rückenlehne?

Stühle ohne Rückenlehne fördern die Rückenmobilität und können eine willkommene Abwechslung sein. Sie sind jedoch für eine dauernde Anwendung ungeeignet, da sie bei Ermüdung der Rücken- sowie Bauchmuskulatur zu Fehlhaltungen führen können.

Falsche Haltung

Die ideale Sitzposition an einem Tisch ermöglicht eine lockere Auflage der Ellbogen auf der Tischfläche, ohne die Schultern anzuheben. Ist der Tisch zu niedrig oder die Tastatur zu weit von der Tisch-kante entfernt, zum Beispiel wenn noch ein Schriftstück dazwischen liegt, so ist eine nach vorn geneigte, gekrümmte Körperhaltung die Folge – der Bauch wird eingedrückt.

Bei andauernder Fehlhaltung kann dies zu Verdauungsstörungen führen. Drückt die Tischkante in den Bauch, kann das die Situation zusätzlich verschärfen.Nicht nur die Arbeit mit dem Smartphone, auch der klassische Arbeitsplatz mit einem gros­sen Bildschirm kann bei einer falschen Haltung zu Nackenpro­blemen führen, weil die natürliche Blickrichtung nicht geradeaus ist, das heisst auf Augenhöhe horizontal gerichtet, sondern bei aufrechter Kopfhaltung leicht nach unten geneigt. In dieser Haltung sind die Nackenmuskeln wesentlich weniger belastet und entspannter, als wenn man geradeaus oder nach oben blickt. Mit leicht gesenktem Blick beugt man Nacken- sowie Schulterverspannungen vor. Arbeitsgeräte und Dokumente sollen immer gerade in Blickrichtung zum Bildschirm positioniert werden. Ziel ist es, dass weder Kopf noch Oberkörper während der Arbeit dauernd seitlich abgewandt werden müssen.

Fazit

Eine verdrehte Haltung führt immer zu einer einseitigen Belastung und folglich zu einer schnelleren Ermüdung, zu einer Verkrampfung oder zu einer Abnützung. Diese sowie weitere Tipps stellt die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS kostenlos zur Verfügung. Informationsbroschüren und unterhaltsame Online-Tools zur Verbes­serung der Sicherheit sowie der Gesundheit im Büroalltag gibts auf der Webseite: www.prävention-im-büro.ch

Porträt