Mensch & Arbeit

Ergonomie am Arbeitsplatz

Mit einfachen Mitteln die Leistungsfähigkeit erhöhen

Gesunde und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das wertvollste Kapital einer Firma. Zentral für das Wohlbefinden sind ergonomisch eingerichtete Büro-Arbeitsplätze. Die Bedeutung einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung steigt mit der Benützungsdauer. Je länger am Bildschirm gearbeitet wird, desto mehr muss darauf geachtet werden, dass die Ergonomie stimmt.
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Eine verspannte Nackenmuskulatur, Schmerzen in Schulter- und Handgelenken und brennende Augen: An vielen Bildschirmarbeitsplätzen gehören solche Beschwerden zum Alltag. Die häufigsten Ursachen dafür sind ungeeignete Möbel und Arbeitsmittel sowie ergonomisch mangelhaft gestaltete Arbeitsplätze und unsachgemässes Benützen der Arbeitsmittel. Dies kann schmerzhafte Folgen haben, denn jahrelanges Arbeiten auf falscher Höhe, mit hochgezogenen Schultern oder gebeugtem Rücken, führt zu körperlichen Beschwerden.

Mängel kosten Unsummen

Das Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) hat im September 2009 eine Studie veröffentlicht, nach der Beschwerden am Bewegungsapparat in der Schweiz Absenzen mit Folgekosten von fast einer Milliarde Franken verursachen. Personen, die mit Beschwerden weiterarbeiten, bringen zudem eine schlechtere Leistung, was nochmals Kosten von 3,3 Milliarden Franken nach sich zieht. Diese Zahlen sind enorm, erstaunen die Fachleute der Suva allerdings nicht. Gemäss Arbeitsplatz-Abklärungen und Betriebsberatungen dürften rund zwei Drittel aller Arbeitsplätze ergonomische Mängel aufweisen. In der Hälfte dieser Fälle sind die Mängel so gravierend, dass sie Beschwerden verursachen können.

Die Ursachen sind vielfältig. Es beginnt in der Regel beim Einkauf: Wenn die Entscheidung für ein bestimmtes Produkt nur nach Preis oder Aussehen und nicht nach Eignung und Funktionalität getroffen wird, hat man sich unter Umständen einen Auslöser körperlicher Beschwerden zugelegt. Wenn sich beispielsweise ein Bildschirm nicht tief genug absenken lässt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Benutzer irgendwann unter trockenen Augen oder Nackenverspannungen leidet, sehr hoch. Oder wenn eine sehr grosse Person mit dem «Standardstuhl» des Arbeitgebers Vorlieb nehmen muss, den sie nicht hoch genug einstellen kann, wird sie vermutlich irgendwann unter Kreuzschmerzen leiden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Einkäufer oder EDV-Fachleute in der Regel nur marginale Ergonomie-Kenntnisse haben. Ausserdem werden viele Produkte mit dem Prädikat «Ergonomie» oder «ergonomisch» angepriesen, ohne die geringsten Anforderungen dafür zu erfüllen.

Ästhetik geht zu oft vor

Eine weitere mögliche Ursache für Beschwerden liegt bei der Gestaltung und Auslegung der Arbeitsräume. Architekten lassen sich oft so stark von ihren ästhetischen Empfindungen und Vorstellungen leiten, dass sie den Hauptzweck, nämlich die Nutzung des Raums, vernachlässigen.

Beispielsweise können grosse Fensterflächen die Augen bei der Bildschirmarbeit durch Blendung oder Reflexionen sehr stark belasten und ermüden. Wenn auf mehr als einer Raumseite Fenster sind, ist das Arbeiten an fensternahen Arbeitsplätzen ohne Blendung oder störende Reflexionen praktisch nur noch mit zusätzlichen Lichtschutzmassnahmen wie Storen, Vorhängen oder Rollos möglich. Das bedeutet wiederum, dass fensterferne Arbeitsplätze unter Umständen künstlich beleuchtet werden müssen.

Aber auch richtig ausgewählte Arbeitsmittel und ein Arbeitsraum mit perfekten Voraussetzungen sind noch keine Garantie für beschwerdefreies Arbeiten. Die Aufstellung oder Anordnung der Arbeitsplätze im Raum und die Gestaltung der Arbeitsplätze selbst bilden weitere mögliche Fehlerquellen, die körperliche Beschwerden auslösen können. Die Leute wissen häufig nicht, wie sie mit ihren Arbeitsmitteln umgehen müssen und oft nehmen die Arbeitgeber ihre diesbezügliche Informationspflicht nicht wahr. Zum Glück lassen sich Anordnungs- und Gestaltungsfehler in den meisten Fällen mit wenig Aufwand und Kosten beheben.

Zum Ergo-Berater schulen

Viele Arbeitgeber sind der Auffassung, dass der «Prophet im eigenen Lande nichts gilt» und holen sich zur Überprüfung und Optimierung der Arbeitsplätze externe Fachleute ins Haus. Dieses Vorgehen hat allerdings einen entscheidenden Nachteil. Wenn sich nämlich ein Betrieb nur auf Externe verlässt und das erforderliche ergonomische Grundwissen nicht selbst aneignet, sehen die Arbeitsplätze oftmals nach einiger Zeit wieder so aus wie vorher. Das bedeutet, dass die externen Berater immer wieder geholt werden müssen.

Wesentlich günstiger und effizienter ist es, wenn der Betrieb geeignete Personen entsprechend ausbilden lässt und diese als interne Ergo-Berater heranzieht. Die erforderlichen Grundkenntnisse kann man sich beispielsweise an einem eintägigen Bildschirmkurs bei der Suva aneignen. Personen, die diesen Kurs absolviert haben, sollten in der Lage sein, Gestaltungsfehler im eigenen Betrieb zu erkennen und die Kolleginnen und Kollegen bei der Optimierung der Arbeitsplätze zu unterstützen. Voraussetzung für das Funktionieren eines innerbetrieblichen Beratungssystems ist allerdings, dass die Geschäftsleitung alle Mitarbeitenden über die Ausbildung der internen Beratungspersonen und deren Aufgabe ausreichend informiert.

Praxistipps

Kein Blick ins Fenster

Einer der häufigsten Fehler passiert bereits bei der Platzierung des Arbeitstisches. Wird mit Blick Richtung Fenster gearbeitet, sind die Helligkeitskontraste zwischen Fenster und Bildschirm zu gross, auch wenn die Sonne nicht direkt hineinscheint. Die Augen müssen diesen Unterschied kompensieren, wodurch die Augenmuskeln stark beansprucht werden. Mit dem Fenster oder glatten, glänzenden Flächen im Rücken kommt es zu Reflexionen auf dem Bildschirm. Der Kontrast wird zu schwach. Beide Situationen können Auslöser für Augenbrennen, Kopfschmerzen oder Konzentrationsstörungen sein. Deshalb muss der Arbeitstisch so aufgestellt werden, dass die Blickrichtung parallel zum Fenster verläuft. Wenn immer möglich sollte der Abstand zwischen Bildschirm und Fenster mindestens zwei Meter betragen. Bei mehr als einer Fensterfront muss allenfalls eine Seite abgedunkelt werden.

Tisch und Stuhl

Grundsätzlich gilt: Stuhl- und Tischeinstellung müssen der Körpergrösse angepasst sein. Wer einen höhenverstellbaren Tisch hat, stellt zunächst die Stuhlhöhe ein. Und zwar so, dass die Füsse voll auf dem Boden stehen und die Oberschenkel ganz auf der Sitzfläche aufliegen. Die Höhe des neben dem Oberkörper angewinkelten Ellbogens (Abstand zwischen Boden und unterem Knochenpunkt) ergibt die einzustellende Tischhöhe.

Sollte der Tisch nicht in der Höhe verstellbar sein, stellt man die Sitzhöhe so ein, dass die Höhe des angewinkelten Ellbogens der Tischhöhe entspricht. Es kann dann vorkommen, dass kleine Personen die Füsse nicht mehr korrekt auf den Boden bringen. In diesem Fall ist eine Fussstütze erforderlich. Sitzt im umgekehrten Fall eine grosse Person nun zu tief, sollte sie den Tisch mit Unterlagen erhöhen.

Nicht zwingend am Arbeitsstuhl sind Armlehnen. Zwar erleichtern diese das Hinsetzen und Aufstehen bei Knieproblemen oder hohem Körpergewicht. Allerdings sollten Armlehnen höhenverstellbar sein und müssen der Tischhöhe angepasst sein. Zu tiefe Armlehnen verleiten zu einer schrägen Sitzhaltung, was zu Bandscheibenproblemen führen kann. Sollten die Armlehnen nicht höhenverstellbar sein, entfernt man sie am besten.

Aber auch der beste Stuhl ist kein Ersatz für Bewegung. Denn durch Bewegung werden die Bandscheiben mit Nährstoffen versorgt. Das heisst: Langes Sitzen ohne Bewegung sollte vermieden werden – selbst wenn die Haltung stimmt.

Bildschirm, Tastatur und Maus

Was wo, wie hoch und in welchem Abstand? Das sind die zentralen Fragen bei der Platzierung von Tastatur und Bildschirm. Grundsätzlich werden diese in einer direkten Linie vor dem Körper und parallel zur Tischkante platziert. Man sollte also nie den Bildschirm auf der Seite des Tisches aufstellen und dann schräg zur Tischkante sitzen. Vor der Tastatur bleibt eine Abstützfläche von zirka zehn Zentimetern für die Hände frei. Schreibvorlagen gehören zwischen Tastatur und Bildschirm. Am besten legt man sie auf eine schräge Dokumentenauflage.

Fragen wirft immer wieder der Bildschirmabstand auf. Als Faustregel gelten bei mittelgrossen Personen 70 Zentimeter, was ungefähr einer ausgestreckten Armlänge entspricht. Bei grossen Bildschirmen (21 Zoll und grösser) darf der Abstand zwischen Fingerspitze und Bildschirm zusätzliche 10 bis 20 Zentimeter betragen. Häufigste Ursache für Nackenprobleme und Augenbeschwerden sind zu hoch eingestellte Bildschirme. Ist der Bildschirm nämlich zu hoch eingestellt, wird der Kopf automatisch in den Nacken gezogen und die Augenlider sind ganz geöffnet. Bei ganz geöffneten Augenlidern verdunstet die Tränenflüssigkeit schneller und die Augen werden trocken, was zu Reizungen führen kann. Bildschirme gehören deshalb auch niemals auf Sockel oder den Rechner. Die ideale Blickrichtung auf den Bildschirm – mit entspannter Nackenmuskulatur – liegt ungefähr 30 Grad unter der horizontalen Blickrichtung, wobei der Blick auf die Bildschirmmitte treffen sollte. Bei dieser Einstellung sind die Augen fünf bis zehn Zentimeter über dem oberen Bildschirmrand. Das wiederum bedeutet, dass der Bildschirm praktisch immer in die tiefstmögliche Position gebracht werden muss.

Personen mit altersbedingter Weitsichtigkeit müssen darauf achten, dass sie bei ihrer normalen Gleitsichtbrille nicht durch den unteren Brillenteil auf den Bildschirm schauen, denn dabei ziehen sie den Kopf in den Nacken, was ebenfalls Nackenbeschwerden auslöst. Ist das der Fall, sollten sie sich bei ihrem Optiker nach einer PC-Brille erkundigen.

Handgelenkbeschwerden werden oft dadurch verursacht, dass die Mauszeigergeschwindigkeit zu niedrig ist. Um den Cursor auf dem Bildschirm zu bewegen, muss dann die Maus extrem viel bewegt werden. In den meisten Fällen sollte die Maus auf ihre maximal mögliche Geschwindigkeit eingestellt werden (über die Systemsteuerung/Zeigeroptionen).

Spezialfall Laptop

Eine spezielle Regelung gilt für Verwender von Laptops. Wer nämlich ohne externe Hilfsmittel mit dem Laptop arbeitet, nimmt meistens eine schlechte Körperhaltung ein. Der Oberkörper ist nach vorne gebeugt, die Unterarme liegen auf dem Tisch und Papiervorlagen werden meistens zwischen die Unterarme gelegt. Um Rückenschmerzen vorzubeugen, gelten folgende Empfehlungen: Wer länger als eine Stunde pro Tag mit einem Laptop arbeitet, sollte eine externe Tastatur und eine Maus benutzen. Bei mehr als zwei Stunden Laptop-Arbeit pro Tag sollte zudem ein Zusatzbildschirm verwendet werden.