Schon Goethe meinte: «Wenn du eine weise Antwort willst, musst du vernünftig fragen.» Er hätte auch sagen können: «Nur wer geschickt fragt, bekommt auch die richtigen Antworten». Als Unternehmer sagen wir heute vielleicht: Unternehmen sind erfolgreich, weil sie das Richtige tun. Oder: Sie erhöhen ihren Umsatz und steigern ihre EBITDA-Marge, da sie etwas vom Geschäft verstehen. Vielleicht sogar: Dank ihres ausgezeichneten Rufs können sie auf die besten Leute zurückgreifen – und alles findet sofort und kritiklos unsere spontane Zustimmung.
Grosse Probleme
Schauen wir uns beispielsweise die Banken an. Bis vor wenigen Jahren taten sie offenbar immer das Richtige: Ihnen flossen ungebremst Gelder aus der ganzen Welt zu, und sie verzeichneten gewaltige Gewinne. Ein Rekordergebnis jagte das andere. Fünf Jahre später sieht die Welt anders aus. Das Geschäftsmodell der letzten Jahrzehnte funktioniert nicht mehr, das Vertrauen weiter Kreise ist dahin, und die noch vorhandene Reputation wird durch immer neue Schlagzeilen ständig weiter geschwächt. Was tun? Genau hier zeigen sich die eigentlichen Probleme – und es fehlen die Lösungsansätze.
Der griechische Philosoph Sokrates lebte im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Er verfasste keine Schriften und gab nicht einmal Wissen weiter, sondern er fragte, und zwar viel und gekonnt. In seinen Dialogen, seiner grossen Stärke, veranlasste er die Gesprächspartner, ihre eigenen Sichtweisen kritisch zu reflektieren. Er nahm bewusst eine «unwissende» Haltung ein, was ihm die Chance eröffnete, das Gespräch unvoreingenommen zu gestalten. Das was selbstverständlich schien, hinterfragte er. Es ging ihm darum, seine Gesprächspartner dabei mit der schieren Einfachheit der Fragen zu verwirren, um so die Grundlage für neue Perspektiven zu schaffen. Er beherrschte die Kunst, feste Überzeugungen durch scheinbar naive Fragen so infrage zu stellen, dass neue Einsichten möglich wurden. Dabei gab er vor, die Lösung selbst nicht zu wissen. Vielmehr war er davon überzeugt, dass sie selbst die richtigen Antworten und Lösungen für ihre Probleme fänden. Sokrates’ Gesprächsführung beruhte auf dem kreativen Zweifel, auf der bohrenden Nachfrage. Er hinterfragte, was man zu wissen meinte. Deshalb drängt sich die Frage auf, weshalb wir selbst zu wenig bedeutende Fragen stellen. Scheuen wir die Antworten? Schrecken wir davor zurück, als nichtwissend abgestempelt zu werden? Dabei meinte bereits Francis Bacon: «Klug fragen können ist die halbe Weisheit». Und Einstein soll gesagt haben: «Wichtig ist, dass man nie aufhört zu fragen».