Mensch & Arbeit

Mitarbeiterführung II

Mit einem Perspektivenwechsel Mitarbeitende verstehen

Sie kommunizieren nicht klar, entscheiden über den Kopf der Verantwortlichen hinweg, und gute Ergebnisse bringen sie auch nicht. Werden sie kritisiert, verstehen sie immer noch nicht, was sie falsch gemacht haben sollen. Ein Perspektivenwechsel kann hier helfen, zu verstehen, warum diese Mitarbeitenden so ticken wie sie ticken.
PDF Kaufen

«Ich sehe was, was du nicht siehst.» Wer kennt das Spiel nicht, das Kinder gerne spielen, um die Langeweile auf Autofahrten zu vertreiben oder lange Wartezeiten zu verkürzen. Im Führungsalltag ist diese Tatsache leider kein Spiel. Wenn Mitarbeitende nicht das sehen, was ihre Führungskraft sieht, oder umgekehrt, dann wird man zusammen wohl kaum «einen Blumentopf gewinnen».

Um Mitarbeitende typ- und motivgerecht zu moti­vieren und so 5-Sterne-Ergebnisse zu erreichen, müssen Führungskräfte ihre Bedürfnisse, Sicht- und Verhaltensweisen «lesen» und verstehen. Dabei hilft das 5-Sterne-Prinzip.

Das 5-Sterne-Prinzip

Führungskräfte können das 5-Sterne-Prinzip nutzen, um sich selbst und ihre Mitarbeiter besser zu verstehen. Denn jeder Mensch hat eine individuelle Persönlichkeit; und was wir wahrnehmen, ist der individuelle Fingerabdruck seiner persönlichen Bedürfnisse, Sicht- und Verhaltensweisen. Diese Persönlichkeitsaspekte bauen aufeinander auf, sie beeinflussen sich, ärgern einander, lieben sich – eine kausale Kette, die uns zu dem Menschen macht, der wir sind.

Die grundlegenden Bedürfnisse im Kern der Persönlichkeit (erster Stern) stehen für unsere intrinsischen Antreiber, für die Motive, nach deren Erfüllung wir streben. Die jeweilige Ausprägung dieser Motive, die sogenannte Motivkonstellation, hat – neben anderen Faktoren wie Kultur, Erziehung, Erlebnisse und Erfahrungen – Einfluss auf die individuelle Sichtweise des Menschen (zweiter Stern). Unser Gehirn (dritter Stern) ist so etwas wie das «Übertragungsorgan». Es übersetzt die Sichtweise in konkretes (bewusstes oder unbewusstes) Verhalten (vierter Stern). Wie Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick bemerkt hat, können wir «nicht nicht kommunizieren», und genauso können wir uns auch nicht nicht verhalten. Schliesslich führt alles, was wir tun oder auch nicht tun, zu einem Ergebnis (fünfter Stern).

Führungskräfte sind dann erfolgreich, wenn sie die Persönlichkeit ihrer Mitarbeiter erkennen und Führungsstil und Aufgabenverteilung daraufhin anpassen. Sie rücken die Motive, Sicht- und Verhaltensweisen der Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Die Kenntnis von Motivstruktur und Verhaltenspräferenz ermöglicht ihnen ein breites Spektrum an Handlungs- und Kommunikationsmöglichkeiten, mit denen sie individuell auf jeden einzelnen Mitarbeiter eingehen können.

Unterschiedliche Sichtweisen

Wie tickt der Mitarbeiter und was ist sein angestrebtes Ergebnis? In vielen Fällen verlieren Führungskräfte diese Frage aus dem Blick. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, ihre Ergebnisse und die des Unternehmens in den Vordergrund zu stellen. Es ist vielmehr hilfreich, die Führungsbrille immer mal wieder abzunehmen und die des Mitarbeiters aufzusetzen, ihm gut zuzuhören und versuchen zu verstehen, was er fühlt und denkt, was er in seinem Arbeitsumfeld braucht, um effektiv und effizient arbeiten zu können. Jeder Mensch verfolgt bewusst oder unbewusst das Ziel, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Die Sichtweisen und Glaubenssätze sowie das Verhalten, das der Mitarbeiter zeigt, geben Anhaltspunkte dafür, wie er gezielt geführt und motiviert werden kann. Das 5-Sterne-Prinzip hilft dabei. Es empfiehlt sich – Stern für Stern – die Motive, Sicht- und Verhaltensweisen des Mitarbeiters zu analysieren.

Bedürfnisse erkennen

Ist er oder sie ein Einzelgänger und arbeitet am liebsten allein? Dann sollten diese Mitarbeiter nicht in ein Grossraumbüro mit 30 anderen Kollegen arbeiten. Stehen auf dem Schreibtisch des Mitarbeiters viele Bilder der Familie und ist er der Erste, der um 17 Uhr den Griffel fallen lässt, um seinen Sohn pünktlich aus der Kita abholen zu können? Dann scheint er ein sehr familienorientierter Mensch zu sein. Werden ihm zum Beispiel Gleitarbeitszeit oder Home Office-Tage angeboten und keine Präsenz-Meetings nach 16.30 Uhr geplant, so kann er die Zeit mit seiner Familie flexibler gestalten.

Diese Bedürfnisse sollten wahrgenommen und den Mitarbeitenden die nötigen Freiheiten, zum Beispiel bei der Arbeitsplatzgestaltung, gewährt werden. Es gibt viele Hinweise darauf und effektive Möglichkeiten, diese ohne grossen Aufwand oder Extra-Investitionen zu befriedigen.

«Ich muss ja wohl nicht jede Kleinigkeit mit dem Chef abstimmen!» Eine Mitar­beiterin äussert mit diesem Satz ein gewisses Machtstreben, das nicht unbedingt schlecht sein muss, denn häufig sind diese Menschen besonders zielstrebig. Lassen Sie sie ihr Machtbedürfnis in bestimmtem Masse ausleben. Stecken Sie gemeinsam einen Entscheidungsrahmen ab, in dem sie Sie nicht «um Erlaubnis» fragen muss.

«Das funktioniert doch sowieso nicht! Wieso müssen wir das denn jetzt schon wieder ändern?» Wenn ein Mitarbeiter diesen Satz häufig äussert, dann setzen ihn möglicherweise zu viele Veränderungen unter Druck. Sein Bedürfnis nach Routinen und klaren Abläufen scheint stark ausgeprägt zu sein. In diesem Fall ist darauf zu achten, den Fokus nicht zu stark auf die Veränderung zu legen, sondern das zu unterstreichen, was bleibt. Sichtweisen lassen Rückschlüsse auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters zu. Wenn Führungskräfte seine Glaubenssätze kennen, können sie seine Bedürfnisse gezielter befriedigen.

Wunsch-Ergebnisse definieren

Ist der Mitarbeiter ein emotionaler Typ, der seine Gefühle auf der Zunge trägt oder ein rationaler Typ, der viele Zahlen, Daten, Fakten und belegbare Beweise für seine Arbeit braucht? Ist er eher introvertiert oder extravertiert? Arbeitet er eher zurückgezogen oder lieber mit den Kollegen im Team? Der Tipp für Führungskräfte: Beobachten Sie sein Verhalten genau und stellen Sie sich dann typgerecht auf ihn ein. Lassen Sie ihn menschlich stärker an sich ran, an Ihrer Vision teilhaben und beziehen Sie ihn in Entscheidungsprozesse mit ein, wenn er ein eher extravertierter und emotionaler Typ ist. Ist er introvertiert und rational, sollten Sie die nötige Distanz wahren und ihm genug Zeit zum Nachdenken geben. Die goldene Regel «Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest» ist überholt. Es gilt die Platin-Regel: «Behandle andere so, wie sie behandelt werden möchten».

Mitarbeitende sollten konkret gefragt werden, was für sie ein 5-Sterne-Ergebnis ausmacht, um dann zu überlegen, welches das Wunsch-Ergebnis ist, nach dem gemeinsam gestrebt wird.

  • Was ist das eigene gewünschte Ergebnis und das des anderen?
  • Welche unterschiedlichen Erwartungshaltungen liegen vor und wie lassen sich daraus entstehende Probleme ausräumen?
  • Welche Motive, Verhaltens- und Sichtweisen begünstigen das gewünschte Ergebnis?
  • Was muss sich verändern, um das gewünschte Ergebnis auch erzielen zu können?

Es ist wichtig, dass Führungskraft und Mitarbeiter das Ergebnis definieren. Nur allzu oft streben Mitarbeiter und Führungskräfte Ergebnisse an, die zu unterschiedlich sind, als dass man sie gemeinsam erreichen könnte.

Ist das gemeinsame Wunschergebnis einmal definiert, ist es immer wieder in den Mittelpunkt zu rücken und jedem Mitarbeitenden klarzumachen, was er beitragen kann, damit dieses 5-Sterne-Ergebnis erreicht wird.

Wir alle streben nach 5-Sterne-Ergebnissen. Doch was macht sie so wertvoll? Sie sind erstrebenswert, weil sie uns ein gutes Gefühl vermitteln. Kurz: Sie befriedigen unsere Bedürfnisse. Das 5-Sterne-Prinzip gibt ein Modell an die Hand, mit dessen Hilfe Mitarbeitende bedürfnis- und typgerecht geführt werden können: eine Anleitung zum Perspektivenwechsel. Es hilft dabei, nicht nur aus einer anderen Perspektive auf die eigenen Be­dürfnisse, Sicht- und Verhaltensweisen zu schauen, sondern auch auf die der Mitarbeitenden. Denn die Ergebnisse und somit der Erfolg als Führungskraft werden vor allem durch die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden bestimmt.

Fazit

Handeln oder nicht handeln, beabsichtigt oder unbeabsichtigt – alles, was Sie tun oder auch nicht, führt zu einem Ergebnis. Ohne eine gemeinsame Definition des gewünschten Ergebnisses und einer klar formulierten Erwartungshaltung entscheidet immer das Schicksal über Ihren Führungserfolg.

Porträt