Mensch & Arbeit

Arbeitsumgebung

Massnahmen gegen den Leistungskiller Lärm

Wer in Grossraumbüros arbeitet, hat oft mit einem hohen Geräuschpegel zu kämpfen. Seit flexible Arbeitsformen zunehmen, ist es auch in kleineren Büros vielerorts merklich lauter geworden. Die Folge: sinkende Leistungen, abnehmende Arbeitszufriedenheit. Mit ein­fachen Methoden und Massnahmen kann man heute dem Lärm wirksam zu Leibe rücken.
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Die Computertastatur klappert, der Drucker summt, die Klimaanlage rauscht und nebenan führt der Kollege mit der kräftigen Stimme gerade ein wichtiges Telefongespräch. Für viele Büroarbeiter ist das zu viel. Sie sind abgelenkt und können sich nicht mehr richtig auf ihre Arbeit konzentrieren. In der Folge sinkt die Leistungsfähigkeit. Um die Arbeit dennoch zu erledigen, müssen sie länger arbeiten, was die Ar­beitszufriedenheit beeinträchtigt und nicht selten zu Stress führt. Als Stressfaktor kann Lärm die Gesundheit beeinträchtigen. Die Bandbreite reicht gemäss Lärmforschern von höherem Blutdruck und Kopfschmerzen über Muskelverspannungen bis hin zu Schlafstörungen.

Die Lärmproblematik

Für Wissenschaftler und Arbeitsmediziner ist Bürolärm schon seit Längerem keine Bagatelle mehr. Lärm im Büro ist zwar nicht mit Lärm im Maschinensaal zu vergleichen, erreicht aber doch schnell einmal einen Schallpegel von 50 bis 60 Dezibel (dB) oder mehr. Zum Vergleich: Ein normales Gespräch in einem Meter Entfernung hat bereits eine Lautstärke von zirka 60 dB.

Die Veränderungen, denen die Büroarbeit in den letzten Jahren unterworfen war, akzentuieren die Lärmproblematik. Kreativität, Interaktion und Projektarbeit werden immer wichtiger. Die Grenzen zwischen Home und Office werden durchlässiger. Arbeitnehmende brauchen Flexibilität und soziale Kontakte. Mit dem Übergang vom starren Workplace zum flexibleren Workspace hat der Geräuschpegel denn auch nachweislich zugenommen. Dies ist, wie eine Studie des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Bauphysik zeigt, mit beachtlichen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit verbunden. Steigender Geräuschpegel am Arbeitsplatz reduziert die Leistungen um bis zu 30 Prozent. Schlechte Akustik kann damit zum echten Leistungskiller werden.

Auf den Nachhall kommt es an

Dass angesichts solcher Auswirkungen das Interesse an Massnahmen zur Geräuscheindämmung wächst, überrascht kaum. Wer in ruhigere Büros investiert, will aber auch die Gewissheit haben, dass der Lärmschutz wirklich wirkt. Um die richtigen Massnahmen am richtigen Ort zu treffen, waren früher aufwendige Schallmessungen nötig. Heute lässt sich dies durch eine Kombination von Alltagsobjekten und Hightech einfacher bestimmen. Akustikprofis benutzen dazu einen Ballon, eine Nadel und eine neu entwickelte App.

Dabei bringt eine Nadel den Ballon zum explodieren. Die App misst dann die Nachhallzeit des Knalls, der bei der Explosion des Ballons entsteht. «Die Nachhallzeit hängt im Wesentlichen vom Volumen des Raums, von den Oberflächen, den Menschen und der Einrichtung ab», erklärt Danny Schweingruber, Leiter Büroarchitektur und Arbeitskonzepte bei Witzig The Office Company. «Die Schallwellen werden von glatten und harten Oberflächen direkt zurückgeworfen und bleiben länger im Raum – der Knall wirkt lauter.» Die App deckt zudem auf, in welchen Frequenzlagen optimiert werden muss. Das ist nicht ganz unwesentlich. Denn die Grösse der Schallabsorber ändert sich mit der Frequenzlage. Je tiefer die Frequenz ist, desto voluminöser muss der Absorber sein.

Ökologische Schalldämpfer

Als Schalldämpfer kommen neben dem altbekannten Teppich und den Gardinen auch überraschende Elemente, gut getarnt oder kunterbunt, zum Einsatz: Lampenschirme, Sitzhocker, Sofas, Tapeten und Bilder. «Heute werden nicht mehr nur Stühle und Tische in die Räume gestellt. Denn die Akustik wird sowohl in den Rückzugsräumen als auch in der Begegnungszone zum entscheidenden Wohlfühlfaktor im Büro», sagt Schweingruber.Für die Dämpfung des Schalls nutzen die Profis oft Produkte aus Filz. Sie bestehen zu 100 Prozent aus wiederverwertetem PET. Diese ökologischen Schalldämpfer sorgen für eine angenehme Atmosphäre – von langweiligem Öko-Look keine Spur.

Das Gerede im Hintergrund

Lärm ist freilich nicht gleich Lärm, wie bereits der römische Philosoph Seneca feststellte. Zuoberst auf der Störungsskala standen bei ihm Stimmen. Sie wirken in seiner Beurteilung direkt auf die Seele, andere Geräusche dagegen «schlagen nur an unser Ohr und füllen es». Tatsächlich zeigen Experimente, dass bestimmte Geräusche unsere Leistungen negativer beeinflussen als andere.

Dem Psychologen Alan Baddeley und seinem Kollegen Pierre Salamé ist die Erkenntnis zu verdanken, dass die Hintergrundstimmen bei Versuchspersonen das verbale Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigten, selbst wenn ihnen die Probanden keine Aufmerksamkeit schenkten. Wie schnell der Kurzzeitspeicher gestört ist, zeigt ein einfaches Experiment der Psychologen. Versuchspersonen sollen sich auf einem Bildschirm angezeigte Ziffern merken und dann in der richtigen Reihenfolge wiedergeben. Werden über Kopfhörer im Hintergrund leise, für die Aufgabe irrelevante Sprachinhalte eingespielt, lässt die Gedächtnisleistung merklich nach. Die Fehlerrate der Probanden stieg um bis zu 30 Prozent.

Zu dieser grundsätzlichen Feststellung kamen im Laufe weiterer Lärmforschung zusätzliche Erkenntnisse. Zum Beispiel beeinträchtigen selbst unbekannte Sprachen und rückwärts abgespielte Sätze die Erinnerungsleistung. Zudem zeigte sich, dass sich Menschen nicht an das Gerede im Hintergrund gewöhnen können. Auch spielt die Lautstärke bei normalem Geräuschpegel (40 – 65 dB) keine Rolle. Und noch etwas: Laute, die sich weder in Tempo oder in der Lautstärke verändern, haben keinen Einfluss auf das Gedächtnis.

Neue Zonenordnung fürs Büro

Noch ist die Sensibilität des Kurzzeitgedächtnisses nicht restlos aufgeklärt. Fest steht jedoch, welche Konsequenzen sie auf das Arbeitsleben im Büro hat: Ablenkung, Konzentrationsschwächen, Minderleistung. Besonders deutlich zeigen sich diese Effekte in Grossraumbüros – auch dort, wo Raumteiler die einzelnen Arbeitsplätze voneinander trennen. Sie bieten meist nur einen Sicht-, aber keinen Lärmschutz.

Die Flexibilisierung der Arbeit schafft hier die Voraussetzungen für zukunftsweisende Lösungen. Erhebungen belegen, dass rund 30 Prozent der Arbeitsplätze während der ordentlichen Arbeitszeiten leer stehen – sowohl die Arbeitsplatzinfrastruktur als auch die Fläche bleiben ungenutzt. Dieser zwischenzeitlich verwaiste Flächen- und Infrastrukturanteil lässt sich ideal sowohl für Ruhesuchende als auch für Kommunikationsbedürftige (um-)nutzen. Das Zauberwort heisst Zonierung. Die schwach besetzten Plätze werden teils zu Zonen für konzentriertes Arbeiten, teils zu Zonen für Projektarbeit und teils zu Meetingzonen.

Danny Schweingruber: «So kann das Unternehmen ohne zusätzliche Flächenkosten den Mitarbeitenden das zur Verfügung stellen, was sie häufig vermissen: Privatsphäre, gute Akustik und eine hohe Verfügbarkeit von Kommunikationsräumen. Gleichzeitig beschleunigen sich in solchen Arbeitswelten die informelle Kommunikation und der abteilungsübergreifende Austausch.»

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