Mitarbeitende während ein- oder zweitägigen Workshops auf grössere Veränderungen einzustimmen wirkt nur dann nachhaltig, wenn die Workshops einen Vorspann und ein Nachspiel haben. Denn es ist unmöglich, in ein oder zwei Tagen Mitarbeitende zu einem der neuen Situation angepassten Verhalten zu bewegen, selbst dann, wenn der Workshop bei den Teilnehmern gut bewertet wurde. Denn da kommt unser Gehirn einfach nicht mit. Die neuen Erkenntnisse erreichen das Langzeitgedächtnis nicht und werden schon am Tag darauf von einer endlosen Mail-Liste und Sitzungen verdrängt. Werden Wochen nach einem Workshop die dort gewonnenen Erkenntnisse abgefragt, sind die Antworten oft ernüchternd. Welcher Herausforderung stehen wir hier gegenüber?
Die Galaxie im Kopf
Es sind zirka 5,8 Millionen Kilometer Nervenbahnen, ungefähr eine Milliarde Zellen und eine unvorstellbare Menge an neuronalen Verbindungen (Synapsen), die Daten aufnehmen, verarbeiten, weitergeben und Reflexe, Gefühle, Gedanken und Handlungen auslösen. Manche Forscher vergleichen unser Gehirn mit einer Galaxie. Die Galaxie im Kopf ist aber nur 1,5 Kilogramm schwer, also zirka zwei Prozent vom Körpergewicht, sie braucht hingegen ganze 20 Prozent der physiologischen Betriebsenergie. Dieses unglaubliche Wunderwerk kann man vereinfacht ausgedrückt, gemäss dem Modell des Küsnacht’er Pioniers der wissenschaftlichen Psychologie C. G. Jung, in vier Bewusstseinsbereiche einteilen: ein klares (präsentes Bewusstsein), ein diffuses ( Wissen im Hinterkopf) Bewusstes, ein individuelles (Verdrängtes und Vergessenes) und ein kollektives Unbewusstes (durch die Evolution vererbte Grundlagen).
Die Neurowissenschaft hat einen anderen Blickwinkel darauf, welcher allerdings der Theorie von Jung in keiner Weise widerspricht. Zeitgemässe Experten der Neurowissenschaft wissen: Was wir über die fünf Sinne wahrnehmen, braucht nur grob einen Tausendstel von unserer Hirnkapazität und das meiste davon wird unbewusst aufgenommen. Hinzu kommt, dass wir, obwohl hoch entwickelte Wesen, nur sieben Informationen gleichzeitig aufnehmen und in die Verarbeitung schicken können. Beim Affen sind es fünf. Deshalb ist es nicht verwunderlich: Wirklich registriert wird lediglich, was in unserer Wahrnehmungsmaschine begünstigt wird.
Wir selektieren die Daten nach Interesse und ergänzend zu dem, was wir bereits «begriffen» haben. Wir wären zum Beispiel in der Algebra hoffnungslos verloren, wenn wir nicht das Einmaleins beherrschen würden. Den Rest der Informationen werfen wir «nach hinten» oder lassen ihn fallen. Interesse und Aufmerksamkeit sind demzufolge radikale Filter. Was hier durchsickert, gestaltet im Wesentlichen unsere neuronale Landkarte. Die gefühlte Wirklichkeit entspricht folglich lediglich einer personifizierten Realität.
Denken in Bildern
Die Kunst in einem Veränderungsprozess ist, all die Abweichungen der individuellen Realitäten so weit als notwendig und zweckmässig zu bündeln, sodass die Teilnehmer zu einem relativen Wir-Gefühl hervorrücken. Erst dann kommt ein Veränderungsprozess wirklich in Bewegung. Wird unsere Wahrnehmung zusätzlich durch ein starkes Gefühl wie Euphorie oder Angst beeinflusst, verengt sich das Spektrum der bewussten Wahrnehmung zusätzlich, und das Fühlen und Handeln unterliegen der Ohnmacht des Verstandes gegenüber niederen, meist unbewussten Steuerungsimpulsen im limbischen System. Motivation basiert auf Lust und Unlust, eine Entscheidung, die in einem der primitiven Hirnareale gefällt wird und nicht etwa wie erwartet im Bereich des Grosshirns, wo der Verstand sein Zuhause hat.