Jahrelang geglaubte Wahrheiten haben sich als falsch erwiesen: Der «Homo oeconomicus», der seine Entscheidungen nach Kosten und Nutzen abwägt, ist überholt. Wenn Geld ins Spiel kommt, ist es mit der Rationalität aus und vorbei. Die für das rationale Denken zuständigen Areale wie der präfrontale Cortex treten in den Hintergrund. Dafür übernehmen diejenigen Areale das Ruder, die für die Emotionen und die Triebsteuerung zuständig sind.
Das Belohnungszentrum
«Um die Börse zu durchforsten, benutzen Menschen dieselbe neuronale Maschinerie, die sie früher benutzt haben, um in der Steppe nach Nahrung zu suchen», kommentiert Peter Brossaerts. Er ist Wissenschaftler an der polytechnischen Universität Lausanne und beschäftigt sich mit Fragen der Neuroökonomie. Die Aussicht auf Beute aktiviert den Nucleus accumbens, ein Areal des Belohnungssystems unseres Gehirns. Die Aktivierung führt zu einer verstärkten Konzentration des Botenstoffs Dopamin, der das Gefühl von Vorfreude auslöst und den Menschen motiviert, auf Jagd zu gehen.
Kommt Geld ins Spiel, ist der Mechanismus sehr ähnlich. Vor allem die Aussicht auf den Gewinn regt das Belohnungszentrum an. Je höher die Summe, die auf dem Spiel steht, umso aktiver verhalten sich die Nervenzellen. Die Begehrlichkeit ist offenbar stärker im Gehirn einprogrammiert als der Gewinn an sich. Bei vielen Menschen wächst die Gier nach dem Geld mit der Summe, die es zu holen gibt. Stellt sich der Erfolg ein, entsteht das Gefühl von Glück und Zufriedenheit. Diese Gefühle lösen ein Bedürfnis nach Wiederholung aus, und das Spiel beginnt von vorne.
Spiel der Gefühle
Der Kick, den die Jagd auf das Geld auslöst, ist mit der Wirkung von Drogen durchaus vergleichbar. Nur so lässt sich erklären, weshalb Goldsucher Kopf und Kragen für die ersehnten Nuggets riskieren, Börsenspekulanten unkalkulierbare Risiken eingehen oder Schnäppchenjäger die Kaufhaus-Tische nach Sonderangeboten durchwühlen. Das Verhalten folgt dem Spiel der Gefühle. «Menschen verhalten sich in Gelddingen irrational», folgert die Sozialpsychologin Jennifer Lerner von der Harvard Universität. In einem Versuch liess sie einen Teil der Probanden einen traurigen Film ansehen. Die übrigen Probanden sahen keinen Film. Im Anschluss sollten alle Probanden einen Preis nennen, den sie für eine Flasche Wasser zu zahlen bereit waren. Diejenigen, die den Film gesehen hatten, wollten zum Teil das Vierfache dessen zahlen, was die übrigen Versuchsteilnehmer ausgeben wollten.
Als rational lässt sich die erhöhte Zahlungsbereitschaft wahrlich nicht beschreiben. Aber genau diese Irrationalität begegnet uns im Alltag auf Schritt und Tritt: Steigen die Immobilienpreise, nehmen Menschen vermehrt Kredite auf und kaufen Häuser oder Wohnungen. Steigen die Automobilpreise, sichern sie sich noch schnell einen Wagen zum alten Preis. Die Freude über das vermeintlich vorteilhafte Geschäft überlagert oft die Tatsache, dass das neue Auto oder die Hypothek gar nicht mehr ins Budget passen.