«Ein Tag reicht für das Führungstraining unserer Schichtleiter, und die Schulung kann auch am Wochenende ausserhalb der Arbeitszeit stattfinden.» Das sagte der Geschäftsführer eines grossen Mittelständlers, als es um das Planen eines Führungstrainings für seine Schichtleiter ging. Dies und ähnliche Voten hört man oft von Managern produzierender Unternehmen. Sie sind häufig kaum bereit, Zeit und Geld in das Entwickeln der Führungskompetenz ihrer Führungskräfte auf der operativen Ebene zu investieren. Hierin artikuliert sich
- ein Unterschätzen des Beitrags, den eine funktionierende Produktion zum Erfolg der Unternehmen leistet, und
- ein Unterschätzen, wie herausfordernd das Führen zum Beispiel von Werkern und Maschinenbedienern ist.
Viele knifflige Aufgaben
«Unsere Schichtführer benötigen keine aufwendige Aus- und Weiterbildung» – dieser Auffassung sind Personalverantwortliche auch oft, weil schon im Lehrplan angehender Industriemeister das Fach Menschenführung steht. Doch das Führen von operativen Mitarbeitern ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Deshalb ist die Theorie in der Ausbildung nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Das kann man im Betriebsalltag immer wieder registrieren. In ihm trauen sich zum Beispiel viele Führungskräfte auf der Shopfloor-Ebene nicht, eigenständig Kritikgespräche zu führen. Also ziehen sie ihre Vorgesetzten wie Betriebs- oder Werksleiter hinzu.
Das Top-Management vieler Unternehmen hat keine Vorstellung davon, wie gefordert Schichtleiter in ihrer Führungsfunktion sind. Von ihnen wird sehr viel verlangt. Sie stehen bei ihrer Führungsarbeit häufig vor Führungsfragen, für die es keine einfachen Antworten gibt. Zum Beispiel:
- Wie halte ich die leistungsstarken Mitarbeiter bei der Stange, und wie gehe ich mit den «Lau-Männern» in meiner «Truppe» um?
- Wie fange ich den Frust meiner Mannschaft auf – zum Beispiel darüber, dass Teile der Montage ins Ausland verlagert wurden?
- Wie gehe ich mit Konflikten und persönlichen Animositäten zwischen den Mitarbeitern um?
- Wie bringe ich meine Schicht dazu, «freiwillig» am Samstag zu arbeiten, weil Lieferengpässe bestehen?
- Was mache ich mit Zeitarbeitern, deren Hoffnung auf Übernahme enttäuscht wurde, weshalb die Ausschussquote steigt?
- Wie gehe ich mit Kommunikations- und Abstimmungsproblemen um, die aus mangelnden Deutschkenntnissen resultieren?
- Wie reagiere ich, wenn ein Mitarbeiter alkoholisiert zur Arbeit kommt oder schlapp ist, weil er am Wochenende an einer Party war?
- Wie gehe ich mit einer Beschwerde über sexuelle Belästigungen um?
- Wie spreche ich ein mangelndes Sozial- und Leistungsverhalten so an, dass sich der Kollege nicht am nächsten Tag krankmeldet?