Mensch & Arbeit

Personalabbau

Entlassungen ehrlich kommunizieren

Nachrichten über Personalabbau bei Unternehmen lesen sich häufig. Oft überfliegt man solche Texte nur flüchtig. Steht man als Unternehmer aber selber vor der Entscheidung, Personal abbauen zu müssen, stellt man sich unweigerlich die Frage, wie man einen solchen Schritt kommuniziert und was aus juristischer Sicht zu beachten ist.
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Die primäre Krux bei der Kommunikation von Personalabbau ist die, dass die Mitarbeitenden ein anderes Informationsbedürfnis haben als die lokalen Behörden und Medienvertreter. Gerade KMU betreiben eher selten eine aktive und strategische Medienarbeit und so ist der Respekt gegenüber dem Medienkontakt meist relativ gross. Für einmal gilt es in solchen Fällen zwar aktive Medienarbeit zu betreiben, allerdings mit dem ungewohnten Ziel, möglichst wenig mediale Aufmerksamkeit erreichen zu wollen. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch.

Die Mitarbeitenden sind so zu informieren, dass sie – trotz der schlechten Nachricht, dass Stellen abgebaut und Kündigungen ausgesprochen werden – Vertrauen zur Geschäftsleitung haben können. Dass eine ehrliche und offene Kommunikation von zentraler Bedeutung ist, wird immer wieder ins Feld geführt. Doch was heisst das konkret? Soll und darf man denn schon bei der ersten Information bereits Namen nennen, wer von der Kündigung betroffen ist? Nein, auch wenn dies erstaunlicherweise immer wieder von Mitarbeitenden und Arbeitnehmervertretungen gefordert wird. Darf man denn die neue Strategie, welche eine Massenentlassung nach sich zieht, als definitiv kommunizieren? Nein, denn das könnte allenfalls Probleme beim gesetzlich vorgeschriebenen Konsultationsverfahren auslösen.

Worin besteht denn die vertrauensbildende Kommunikation? In erster Linie besteht sie darin, dass der Belegschaft das gesagt wird, was man zu diesem Zeitpunkt weiss und man auch erwähnt, was man noch nicht weiss. Plant ein Unternehmen beispielsweise eine Produktionsverlagerung, muss man den geplanten Zeitplan aufzeigen.

Gleichzeitig muss man aber den Mitarbeitenden klar offenlegen, dass der genaue Zeitplan fortlaufend angepasst werden muss und dass dieser mitunter von den Kundenbedürfnissen abhängt.

Wahre Worte sind nicht schön

Die alte Weisheit «Wahre Worte sind nicht schön. Schöne Worte sind nicht wahr» geht auf den chinesischen Philosophen Lao-Tse (Vers 81, Tao-te-king) zurück und ist der beste Wegweiser für die Kommunikation bei Unternehmensveränderungen. Der Belegschaft eröffnen zu müssen, dass ein Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Stelle beim Unternehmen verlieren werden, ist ein schwerer Schritt und ganz und gar nicht schön. Nicht selten ist man daher geneigt, die Wahrheit zu verschleiern, damit die Nachricht nicht so hart aufprallt. Damit hilft man den Mitarbeitenden – und sich selber – allerdings nicht. Die Wahrheit in einem solchen Fall ist zwar schmerzhaft, sie wird aber nicht besser, wenn man nicht ausspricht, was die konkreten Konsequenzen sind.

Unangenehmes kann man auch durch die beste Kommunikation nicht in etwas Gutes verkehren, aber man kann Unangenehmes gut kommunizieren. Wobei gut in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Botschaft verstanden wird und dass die Mitarbeiter die geplante Massnahme akzeptieren und das Vertrauen in die Geschäftsleitung halten.

Schönreden funktioniert nicht. Das oft Excel-geprägte Managerdenken führt dazu, dass Entlassungen nicht selten rein in Zahlengrössen geplant werden. Wird eine Abteilung verlagert und führt dies zu Entlassungen, gleichzeitig werden in anderen Bereichen neue Stellen zusätzlich geschaffen, neigen Manager dazu, nur die Differenz zu kommunizieren. So hört man immer wieder, dass der Personalbestand kommuniziert wird, weil man am Ende ja wieder etwa gleich viel Personal hat. Mitarbeiter verstehen aber bei einer solchen Kommunikation, dass es keine Entlassungen geben wird.

Dies obwohl das gar nicht so kommuniziert wird. Werden dann Kündigungen ausgesprochen, hat die Geschäftsleitung das Vertrauen der Mitarbeitenden auf einen Schlag verspielt. Gross ist dann jeweils das Unverständnis der Geschäftsleitungsmitglieder: «Aber wir haben doch gar nicht gesagt, dass es keine Kündigungen geben wird!», so die Verwunderung. Gesagt nicht, aber es wurde so verstanden.

Bei unternehmerischen Sparmassnahmen mit grösserem Personalabbau sind die Medien natürlich sofort auf dem Platz – auch bei KMU. Sie nehmen die Rolle der Mitarbeitenden ein und fragen nach, warum der Schritt nötig wird und warum die Stellen nicht erhalten werden. Es lohnt sich daher, eine Medienmitteilung zu verfassen und genau zu überlegen, wann diese welchen Medien zugestellt wird. Je konkreter und klarer die Medienvertreter mit Informationen bedient werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ihre Berichterstattung an die unternehmerische Medieninformation anlehnt. Bei KMU reicht es in der Regel, lokale und regionale Medien zu bedienen. Der Tag der ersten Information ist aber genau zu planen und man muss sich bewusst sein, dass die Journalisten mit Interviewanfragen kommen, sobald sie die Medienmitteilung vorliegend haben. Gegenüber den Medien soll immer nur eine Person Auskunft erteilen. Nur so ist gewährleistet, dass keine Widersprüche aufkommen. Für Medienanfragen nach Erhalt der offiziellen Medienmitteilung kann beispielsweise ein Zeitfenster für Telefoninterviews offeriert werden. So kann man die Anfragen kanalisieren und der Tag bleibt strukturiert.

Das Gesetz schreibt vor, dass bei einer gewissen Anzahl von Kündigungen (Massenentlassungen) ein gesetzliches Verfahren – das sogenannte Konsultationsverfahren – durchlaufen werden muss. Dabei geht es darum, die Mitarbeitenden, oder wenn vorhanden die Arbeitnehmervertretung, in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Und zwar bevor die Kündigungen beschlossen oder gar ausgesprochen sind. Die Mitarbeitenden erhalten das gesetzliche Mitspracherecht, das heisst, sie können Vorschläge einreichen, wie die Kündigungen vermieden, deren Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können. Das gesetzliche Konsultationsverfahren wird von Unternehmensleitungen oft als Hindernis empfunden. Doch das Verfahren kann sich ein Unternehmen auch zunutze machen. Ein wesentlicher Vorteil des Konsultationsverfahrens ist nämlich die Tatsache, dass dieses den Kommunikationsfluss strukturiert und der Unternehmensleitung wie auch den Mitarbeitenden Zeit gibt, die neue Strategie und den Stellenabbau zu verstehen und zu akzeptieren.

Das Konsultationsverfahren nötigt die Unternehmensleitung ausserdem dazu, wiederholt zu kommunizieren und sich dabei immer wieder auf den Informationsstand der Belegschaft zurückzubegeben. Schliesslich ist es ja so, dass dem Tag der ersten Ankündigung monatelange, geheime Vorbereitungsarbeiten vorangehen. Ein Kernteam hat mögliche Optionen geprüft und schliesslich eine favo-risiert – die Option, welche der Belegschaft vorgestellt wird. Für die Geschäftsleitung und die Kerngruppenmitglieder kommt irgendwann der Tag, an dem sie über die Pläne sprechen wollen. Die Phase der Geheimhaltung ist nämlich für jeden eine grosse Belastung. Und man wird auch leichtsinnig, die Kaffeegespräche bleiben irgendwann nicht mehr so vertraulich, oder – ja das passiert – plötzlich bleibt mal ein vertrauliches Dokument im Drucker liegen. Das gesetzliche Konsultationsverfahren auferlegt die erste Information bereits bei der Absicht. Und das ist gut so, denn irgendwann muss man mit Planen beginnen können, und das kann man nur, wenn man die Mitarbeitenden in diesen Prozess mit einbeziehen kann.

In der Begleitung von Unternehmen bei Personalabbau unterscheide ich jeweils drei Kommunikationsphasen:

› Phase I: Ankündigung und Konsultationsfrist

› Phase II: Prüfung der Vorschläge durch die Geschäftsleitung und Kommunikation des endgültigen Beschlusses

› Phase III: Sozialplangespräche und Kündigungen

In diesen drei Phasen ist das gesetzliche Konsultationsverfahren enthalten. Es ist zeitlich so zu gestalten, dass genügend Zeit für die einzelnen Schritte bleibt. Denn ist die Konsultationsfrist zu kurz oder nimmt sich die Geschäftsleitung nicht genügend Zeit, die eingereichten Vorschläge der Belegschaft zu prüfen, wird das Konsultationsverfahren verletzt und die nachfolgend ausgesprochenen Kündigungen gelten als missbräuchlich. Dies wiederum hat zur Folge, dass jedem gekündigten Mitarbeitenden zusätzlich zwei Monatslöhne Entschädigung gezahlt werden müssen.

Die Zeit zwischen erster Ankündigung und dem Aussprechen der Kündigungen ist je nach Ausgangslage unterschiedlich. Die Zeit zwischen Ankündigung und Information des definitiven Beschlusses sollte in der Regel ca. vier Wochen betragen. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben für die Konsultations- resp. die Prüfungsfrist, die Rechtsprechung hat aber bereits einige Entscheide hierzu gefällt, weshalb dieser Wert als aktueller Richtwert gilt.

Dieses Drei-Phasen-Modell hat den Vorteil, dass die Mitarbeitenden mit einbezogen sind. Der wichtigste Tag ist allerdings klar jener der ersten Ankündigung. Von ihm hängt ab, wie anschliessend die Massnahme umgesetzt werden kann. Der Tag der Ankündigung entscheidet, ob die Mitarbeiter das Vertrauen behalten, oder ob sie es verlieren. Dieser Tag entscheidet, ob die Belegschaft den Schritt versteht und akzeptiert, oder ob sie revoltiert und sich gegen die Unternehmensleitung stellt. Dieser Tag ist daher sowohl in inhaltlicher wie auch in zeitlicher Hinsicht akribisch genau zu planen. Bei inhabergeführten Unternehmen, bei welchen der Eigentümer den Abbau kommuniziert, besteht kaum das Risiko, dass dieser Schritt auf die leichte Schulter genommen wird. Hier braucht aber zuweilen der Inhaber selber ein persönliches Coaching, wie er vor seine Belegschaft treten und wie er den Schritt kommunizieren soll.

Das Konsultationsverfahren wird zu Unrecht verteufelt. Abgesehen davon nutzt es nichts, es schlechtzureden – liegt eine Massenentlassung im Sinne des Obligationenrechts vor, ist es einzuhalten. Fatal ist der Entschluss, Entlassungen schrittweise – im Sinne der «Salamitaktik» – auszusprechen, um so das Konsultationsverfahren zu umgehen. Dies hindert aber die effiziente Umsetzung der strategischen Massnahme, verhindert eine glaubwürdige Kommunikation und zerstört das Vertrauen der Mitarbeiter in die Geschäftsleitung. Meiner Meinung nach überwiegen die Vorteile eines gut durchgeführten Konsultationsverfahrens deren Nachteile bei Weitem. So ist immer wieder festzustellen, dass zwar der Respekt vor dem einzuleitenden Verfahren gross ist, Unternehmensleitungen aber schon nach der ersten Ankündigung froh sind, dass sie es durchführen.

Wird bei der ersten Ankündigung die volle, unangenehme Wahrheit offengelegt und klar ausgesprochen, wie viele Stellen über welchen Zeitraum gestrichen werden, tragen die Mitarbeitenden die Massnahme mit. Enttäuschung ist zwar da, in den ersten Tagen auch Wut und Trauer, aber immer wieder höre ich, dass sich Mitarbeiter ausdrücklich für die offene und ehrliche Kommunikation bedanken. Ein Zeichen dafür, dass dies immer noch keine Selbstverständlichkeit ist. «

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