Mensch & Arbeit

Personalrekrutierung

Einkauf von Fähigkeiten anstelle von Wissen zahlt sich aus

Über besonderes Wissen zu verfügen, ist für ein Unternehmen wichtig. Wichtig ist aber auch über die notwendige Umsetzungskraft zu verfügen. Dazu braucht es neben Wissen auch Können und Machen. Was das für die Personalbeschaffung bedeutet, zeigt dieser Beitrag.
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«Wir suchen einen kommunikationsstarken Business Development Manager, Idealalter 30 bis 40, mit technischer Ausbildung an Hochschule oder Fachhochschule, Weiterbildung in Betriebswirtschaft und Verkauf, mindestens fünf Jahre Erfahrung in vergleichbarer Funktion, mehrjährige ICT-Erfahrung mit Vorteil im Verkauf von kundenspezifischen IT-Lösungen». So oder ähnlich lauten viele Stelleninserate. Was hier, vereinfacht ausgedrückt, gewünscht wird, ist ein Verkäufer, der einen Grossteil seiner Zeit in der Ausbildung verbracht hat und reichlich Erfahrung aus der Branche mitbringt. Man will offensichtlich möglichst viel Wissen einkaufen, das an anderen Orten und zu fremden Kosten erworben worden ist.

Anforderungsprofile

Diese Rekrutierungsstrategie ist an sich nicht verwerflich, insbesondere nicht, wenn das eigene Unternehmen auch Hand bietet für wertvolle Erfahrungen und Weiterbildungen. Doch ist der Erwerb von Wissen für das eigene Unternehmen auch tatsächlich zielführend oder sollten nicht eher Fähigkeiten gesucht und gefunden werden? Fähigkeiten wie Dynamik, Ideenreichtum, Lernfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Einsatzbereitschaft, Flexibilität, universelle Einsetzbarkeit, Hilfsbereitschaft, Arbeitswille, Begeisterungsfähigkeit, Freude am Kundendialog, Zuverlässigkeit, Genauigkeit und vieles mehr. Solche Fähigkeiten sind eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten. Aber genau diese Fähigkeiten genies­sen bei der Rekrutierung nicht so viel Priorität wie das Wissen.

Die Mitarbeiter lassen sich je nach Eigenschaften grob den folgenden drei Typen zuordnen:

  1. Der Wisser
  2. Der Könner
  3. Der Macher

Ein erfolgreiches Unternehmen braucht einen Mix dieser Menschentypen. Die Typen zu einer schlagkräftigen Truppe zusammenzuschweissen, ist eine herausfordernde Führungsaufgabe. Im guten Fall gehören alle Mitarbeitenden einer oder mehreren dieser Kategorien an. Von einem, der nichts weiss, nichts kann und nichts tut, sollte man sich so schnell wie möglich trennen. Andererseits sind diejenigen Mitarbeiter, die über mehrere wertvolle Eigenschaften verfügen, unbedingt zu behalten. Bei Neurekrutierungen ist darauf zu achten, dass der neue Mitarbeiter das Unternehmen und ein gutes Team dank seiner Fähigkeiten weiterbringt und ergänzt.

Flexibilität gefordert

Wir lesen es oft: Die globale Wirtschaft ist im Umbruch, die Märkte ändern sich, andere Werte werden wichtig, neue Anbieter und Mitbewerber etablieren sich, und die Kunden sind frei in der Wahl ihrer Geschäftspartner. In diesem wirtschaftlichen Umfeld ist jedes Unternehmen gefordert, seine Strategien zu überprüfen und seine Struktur den veränderten Bedingungen anzupassen. In der Folge ändern sich sowohl die Organisation und die Prozesse als auch die Anforderungen, und dies immer schneller und häufiger. Die Mitarbeiter müssen entsprechend schnell umdenken und das Beste aus der veränderten Marktsituation herausholen. Es gibt kaum einen langjährigen Mitarbeiter, der noch die gleiche Funktion hat wie bei seiner Anstellung. Stete Entwicklungsfähigkeit und Flexibilität sind gefordert. Ein grosser Teil des Wissens veraltet in kurzer Zeit und muss den neuen Entwicklungen folgen. Lernfähigkeit und Lernwille sind gefragt.

Talentierte Könner

Für ein Unternehmen ist das Know-how in seinem Kerngeschäft einer der wichtigsten Pfeiler seiner Existenz. Den Wissensvorsprung zu behalten, ist eine stetige Herausforderung, denn die Mitbewerber beobachten ihre Konkurrenten aufmerksam. Es ist schwierig, den Vorsprung zu halten, wenn man sich bei Neuanstellungen auf den Erwerb von Wissen, häufig von der Konkurrenz, konzentriert. Besser wäre die Rekrutierung eines talentierten Könners, der schneller und besser ist als die Konkurrenz.

Wieso werden denn bei der Rekrutierung das Wissen und die Erfahrung so stark betont? Folgende Gründe sind oft ausschlaggebend:

  1. Wissen und Erfahrungen lassen sich anhand von Diplomen und Zeugnissen relativ einfach prüfen. Das Prüfen von Eigenschaften und Fähigkeiten ist wesentlich schwieriger.
  2. Häufig werden Stellenausschreibungen von der Personalabteilung nach dem Anforderungs­katalog der Linie erstellt. Wenn die Linie schon wünschen kann, dann eben das (meist unrea­listische) Wissens-Maximum.
  3. Die Risikobereitschaft bei Anstellungen ist gering. Es ist einfacher, eine Fehleinstellung gegenüber dem Management zu rechtfertigen, wenn man sich auf die gute Ausbildung und die langjährige Erfahrung des Mitarbeiters berufen kann.
  4. Jemand, der ein Studium oder eine Hochschule absolviert hat, hat analytisches Denken, ein gewisses Durchstehvermögen und Prüfungsstärke bewiesen. Er verfügt zudem über ein Basiswissen, das für die offene Stelle zumindest nützlich ist. Ob er das Erlernte in der Praxis auch umsetzen kann, ist noch zu beweisen.

Könner zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Problem als willkommene Herausforderung ansehen und die Erreichung des Ziels über alles andere setzen. Die notwendigen Mittel beschaffen sie sich, auch wenn sie Hindernisse überwinden müssen, und fehlendes Wissen kompensieren sie durch intensive Zusammenarbeit mit den wissenden Kollegen.

Eine kleine Anekdote zeigt den Könner beispielhaft: Walter ist Einkäufer in einer Gemüse- und Früchtehandlung und wird zum Engrosmarkt geschickt, um nach den Preisen von Kartoffeln zu schauen. Der Bestand an Bintje ist knapp geworden. Er kommt zurück: «Das Kilo Bintje kostet 1.30 CHF. Das ist nach meiner Erfahrung und gemäss meiner Marktanalyse recht teuer.» Auftrag erfüllt. Peter wird geschickt. Sein Bericht: «Bintje kosten 1.30 CHF. Ich habe mich umgehört: Sie dürften in zwei Monaten bei 1.10 CHF liegen. Ich habe dem Grossisten schon mal unser Interesse bekundet, damit er die Einkaufsmengen grosszügiger plant. Urgenta sind wegen der gros­sen Produktion günstig. Ich habe eine Option auf 500 kg platziert. Wir können sie heute noch abrufen. Ich habe mich, da ich schon dort war, nach günstigen Gelegenheiten umgesehen: Äpfel sind recht günstig, der Preis wird noch fallen. Wir warten noch einen Monat. Orangen sind indes ein Schnäppchen mit 1.50 CHF pro Kilo. Den Bestellschein habe ich gleich mitgebracht. Ich spreche noch mit unserem Verkäufer, wie er die Absatzchancen einschätzt.» Auftrag auch erfüllt, aber mit dem Unternehmensziel vor Augen weitergedacht und gehandelt – eben ein Könner.

Für den Macher kann es nicht genug zu tun geben, und es sollte jeweils gleich losgehen. Der Macher braucht aufmerksame Führung, damit seine Aktivitäten in die richtige Richtung zielen. Macher sind für ein Unternehmen wichtig, weil sie dafür sorgen, dass strategische und taktische Entscheide auch wirklich umgesetzt werden, und zwar ohne die Unternehmensentscheide dauernd zu hinterfragen. Wenn sich ein Entscheid als nicht besonders glücklich herausstellt, dann kann man ihn korrigieren und die notwendigen Massnahmen ergreifen. Gut für ein Unternehmen, wenn es dann für die erneute, schnelle Umsetzung über gute Macher verfügt.

Die richtigen Fragen stellen

Wie erkennt man bei der Rekrutierung Könner und Macher? Man kann mit Testaufgaben und Assessments schon einige Talente erkennen. Wichtiger ist jedoch, dass man die richtigen Fragen und diese Fragen richtig stellt. Es ist beeindruckend, wenn ein Bewerber für den Hochschulabschluss gute Noten ausweist. Ebenso interessant ist zu wissen, wie er die guten Noten erreicht hat. Hat er eine bestimmte Lernmethode angewandt? Hat er herausgefunden, welche Themen bei den Prüfern besonders beliebt sind? War er fleissig im Lernen oder ist er jemand, der Zusammenhänge schnell erfasst? Bei der Rekrutierung wird meist intensiv danach gefragt, über welche Erfahrungen der Kandidat verfügt und was er gemacht und erreicht hat – es wird nach dem Wissen gefragt. Entscheidender ist jedoch die Frage, warum und wie er es gemacht hat. So erhöhen sich die Chancen, einen wirklichen Könner zu bekommen.

Wenn man einen erfolgreichen Verkäufer sucht, lohnt es sich, die vorgelegten, beeindruckenden Verkaufszahlen mit gezielten Fragen in die richtige Relation zu bringen. War es ein grosser Neukunde, der den Umsatz gesteigert hat, oder waren es viele kleinere Kunden? Ist die Steigerung aus dem Kundenbestand entstanden oder durch Neuakquisitionen? Hat sich der Kandidat auf eine bestimmte Zielkundengruppe ausgerichtet und warum auf diese? Wie ist er vorgegangen und welche seiner Verkaufsmethoden waren besonders erfolgreich?

Diese kritischen Fragen nach dem Warum und dem Wie lassen bald erkennen, ob der Kandidat über nützliche Fähigkeiten verfügt. Die Chancen einer erfolgreichen Rekrutierung sind auch höher, wenn nach interessanten Aktivitäten, Ideen und Entscheiden gefragt wird statt nach Zahlen und Funktionen. Wichtig ist, dass die Fragen von jemandem gestellt werden, der die Antworten aus Erfahrung gebührend werten und einstufen kann. Dazu sind vor allem erfahrene Führungsleute aus der Linie gefordert.

Wenn ein externes Rekrutierungsunternehmen im Bewerbungsprozess mitwirkt, dann ist besonders darauf zu achten, dass deren Berater über langjährige Führungserfahrung in der Linie verfügen. Sie sind es gewohnt, kritische und tiefgreifende Fragen zu stellen und die Antworten kritisch zu beurteilen. Sie erkennen besser, mit wem sie herausfordernde Aufgaben bewältigen können und mit wem eher nicht.

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