Mensch & Arbeit

Outplacement

Eine Frage der Unternehmenskultur

Um bei Entlassungen die Chancen für eine tragfähige Lösung für die Firmen und die betroffenen Mitarbeitenden zu erhöhen, gibt es die Outplacement-Beratung. Die Coaches unterstützen dabei im Auftrag von Unternehmen Führungskräfte, Spezialisten sowie Angestellte in der Neuorientierung.
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Entlassungen sind aus unterschiedlichen Gründen wie Restrukturierung, Fusion oder auch nicht passende Chemie oftmals unumgänglich. Um eine Auseinandersetzung aufgrund der schwierigen Situation zu vermeiden, sorgen externe Berater mit zielgerichteten Massnahmen wie etwa Kündigungsvorbereitungen oder Austrittsvereinbarungen für eine geeignete Konfliktlösung respektive eine für alle Beteiligten erträgliche Trennung. Zudem begleiten sie die entlassenen Mitarbeitenden in einem umfassenden Prozess der beruflichen Neuorientierung und helfen, die bestehenden Emotionen und Verunsicherungen zu verarbeiten. Mit einer Auslegeordnung der fachlichen Kompetenzen und persönlichen Fähigkeiten werden die Betroffenen durch echte Auseinandersetzung mit sich selber bereit für ihre nächste berufliche Herausforderung gemacht.

Gut für den Ruf

Man spricht dabei von Outplacement, eine von den Unternehmen finanzierte Betreuung für ausscheidende Mitarbeitende. «Diese professionelle Hilfe zur beruflichen Neuorientierung hat in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen», sagt Walter Stürm, der Geschäftsführer der Econag Executive Consulting AG in Kloten und in St. Gallen, die auf Outplacement, Führungscoaching und Mediation spezialisiert ist. «Dies liegt auch daran, dass sich die Unternehmensleitung und die HR-Verantwortlichen vermehrt bewusst sind, dass sie sich bei einer Entlassung menschlich angemessener und professioneller verhalten müssen.»

Mit einem optimalen Trennungsvorgang können kleine und mittelgrosse Unternehmen zugleich auch ihren guten Ruf bewahren, da die verbleibenden Mitarbeitenden und das Umfeld erkennen, dass sie sich auch bei Umstrukturierungen und Freistellungen auf einen sozial verantwortlich handelnden Arbeitgeber verlassen können. Das Outplacement ist somit auch ein wichtiger Bestandteil einer zeitgemässen Unternehmens- und HR-Kultur.

Individuelle Betreuung

Seit den 1980er-Jahren hat sich die Outplacement-Beratung in der Schweiz markant weiterentwickelt. Damals wie heute durchlaufen die ausscheidenden Führungskräfte und Mitarbeitenden – gerade bei grossen internationalen Unternehmen – meistens ein standardisiertes Programm.

Kleinere Outplacement-Firmen setzen als Partner für KMU hingegen auf spezifische und ressourcenorientierte Vor­gehensweisen, die den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Personen gerecht werden. «Grundsätzlich möchten wir sie zur persönlichen Weiterentwicklung anstossen sowie ihnen im Verlauf des Beratungsprozesses zu mehr Selbstvertrauen in ihre Person und Souveränität im Auftreten verhelfen, damit sie ihre Chancen erhöhen, eine neue Stelle zu finden und sich in dieser zu behaupten. Dies bedingt meist das konsequente Beschreiten eines Veränderungsprozesses», sagt Stürm.

Der Kern ist dabei – neben dem strukturierten Prozess der Neuorientierung – die sogenannte Werkstatt der Meisterschaft. Diese ist eine Art Assessment, bei der sich die Teilnehmenden mit verschiedenen, selber zu bearbeitenden Tools besser kennenlernen und sich über Wochen detailliert mit ihrer Persönlichkeit auseinandersetzen, was sich anschlies­send auf ihr authentischeres Auftreten im Bewerbungsprozess und ihr grundsätzliches Verhalten in der Zukunft auswirkt. Ein Etappenziel ist erreicht, wenn die Betroffenen vom blossen Spielball zum Mitspieler werden und so spätere Führungsaufgaben sicherer und überzeugender ausführen.

Zielgruppen

Wann macht es für kleine und mittelgros-se Unternehmen Sinn, in Krisensituationen einen Outplacement-Berater beizuziehen? «In einem Trennungsprozess grundsätzlich immer, und zwar sowohl bei Massenentlassungen als auch bei speziellen Einzelfällen», sagt Stürm. Insbesondere sei es wichtig, gleich von Beginn an dabei zu sein, damit nicht schon zu viel Porzellan zerschlagen werde. Die Coachings stehen nicht nur Kaderleuten und Fachspezialisten offen. Neben der hierarchischen Stufe ist oftmals die Anzahl Jahre der Betriebszugehörigkeit entscheidend, wann eine Outplacement-Beratung sinnvoll ist. Bei Firmen- und Teilschliessungen kommt es zudem häufig vor, dass auch Mitarbeitenden ein Programm in Form eines Gruppenoutplacements angeboten wird.

Ablauf

Ist ein Berater von Anfang an involviert, arbeitet er gleich bei der Vorbereitung der Trennung mit, formuliert die Trennungsmodalitäten und gestaltet das Trennungsgespräch mit. Anschliessend übernimmt er die Betroffenen, zeigt ihnen den Beratungsprozess auf und arbeitet einen konkreten Phasen- und Zeitplan für das Coaching aus. Vorerst geht es darum, die bestehenden Emotionen abzubauen, um eine positive Einstellung zu den momentanen Umständen zu erreichen. «Weiter veranlassen wir die gecoachten Personen bei der Standortbestimmung mittels der Werkstatt der Meisterschaft zur Selbstanalyse und stärken sie in ihrer Entdeckungsreise zu sich selbst», erläutert Walter Stürm. Sie sollen sich ihrer Persönlichkeit, Fähigkeiten und Neigungen bewusst werden sowie ihre Verunsicherung beheben und anschliessend selbstständig damit beginnen, sich aktiv auf ihre neue Lebenssituation einzustellen. So erhalten sie Klarheit über die persönlichen und beruflichen Zielsetzungen.

In einer nächsten Phase bietet der Coach den Betroffenen seine Mithilfe und Know-how bei der Vorbereitung des konkreten Stellenbewerbungsprozesses an. Dabei erstellen sie gemeinsam konkrete Profile, um den Arbeitsmarkt gezielt angehen zu können, legen Zielunternehmen sowie Personaldienstleister fest und verfassen aussagekräftige Bewerbungsunterlagen. Um möglichst viel Erfolg zu haben, werden die Personen zusätzlich in Interview- und Präsentationstechnik geschult, damit sie bei telefonischen Anfragen und persönlichen Vorstellungsgesprächen rasch überzeugen. «Ausserdem begleiten wir die Betroffenen im Networking, dank dem rund zwei Drittel der Personen eine neue Stelle finden», sagt Stürm. Anschlies­send bewerben sie sich aktiv, während der Coach die Bewerbungs- und Netzwerkgespräche analysiert, bei der Beurteilung von künftigen Arbeitgebern, Stellen sowie Aufgaben hilft und bei konkreten Anstellungsverhandlungen zur Seite steht.

Ist ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, unterstützt der Berater die gecoachten Personen bei der Eingliederung in die neue Unternehmung. Das Coaching endet in der Regel erst nach der erfolgreich bestandenen Probezeit und mit Beginn einer festen Anstellung. Im Schnitt beträgt die Dauer der Begleitung rund sechs Monate, bei älteren Personen kann sie aber auch neun bis zwölf Monate dauern.