Das Telefon klingelt, ein Kollege fragt nach Rat, das Handy vibriert – gleichzeitig sitzt der Termin für eine Projektabgabe im Nacken. Unser Büroalltag ist geprägt von häufigen Unterbrechungen. Alles müssen und wollen wir gleichzeitig schaffen. Wir strengen uns an, arbeiten schneller. Der Tag schreitet voran, aber die Pendenzenliste wird nicht kleiner. Der typische Multitasking-Teufelskreis entsteht: Wir arbeiten schneller und produzieren weniger. Die Ineffizienz schlägt aufs Gemüt. Am Abend gehen wir erschöpft nach Hause – unzufrieden und mit dem Gefühl, nichts erreicht zu haben: «Ich war den ganzen Tag im Stress und habe nichts zustande gebracht.» Dennoch halten wir am Mythos Multitasking fest. Wir sind überzeugt: Ohne die Fähigkeit, zwischen unterschiedlichsten Anforderungen scheinbar problemlos hin- und herzuspringen, sind die wachsenden Anforderungen nicht zu bewältigen.
Das Gehirn macht nicht mit
Der Begriff Multitasking stammt aus der Informatik und bezeichnet die Fähigkeit eines Prozessors, mehrere Prozesse gleichzeitig ablaufen zu lassen. Dieses «Gleichzeitig-alles-und-jedes-Bewältigen» gibt es beim menschlichen Gehirn nicht. Es ist so konstruiert, dass es sich immer nur auf eine Sache richtig fokussieren kann. Beim vermeintlichen Multitasking wechselt der Mensch in extrem kurzen Zeitabständen zwischen verschiedenen Tätigkeiten hin und her. Die Arbeitsphasen werden in kleine Bruchstücke zerteilt. Auf diese Weise leidet die Konzentration. Das ständige Wechseln zwischen unterschiedlichen
Arbeiten bedeutet für unser Gehirn eine zusätzliche Anstrengung, die Zeit kostet. Je komplexer die Aufgabe, desto höher der Zeitaufwand.
Das Journal of Experimental Psychology publizierte eine Studie, in der Studenten beim Lösen von Mathematikaufgaben um bis zu 40 Prozent langsamer waren, wenn sie zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herwechselten. Zahlreiche weitere Untersuchungen belegen, dass Menschen, die Multitasking betreiben, bis zu 50 Prozent weniger effizient sind als Personen, die sich jeweils auf nur eine Aufgabe konzentrieren. Das wirkt sich selbstredend auf die Kosten im Unternehmen aus. Die New Yorker Beratungsfirma Basex berechnete, dass in den USA pro Jahr etwa 28 Milliarden Arbeitsstunden durch Unterbrechungen und Multitasking verloren gehen. Gemäss Dr. Glenn Wilson vom King’s College in London richtet die mangelnde Selbstdisziplin im Umgang mit E-Mails am meisten Schaden an.
Das zwanghafte Bedürfnis, E-Mails unmittelbar zu lesen und zu beantworten, führt zu einem dauernden Wechsel unseres Fokus. Leistungsfähigkeit und Produktivität sinken. Die Einbussen sind vergleichbar mit einer ganzen Nacht ohne Schlaf. Die Arbeitsqualität leidet ebenfalls, denn die Unaufmerksamkeit führt zu einer höheren Fehlerquote. Auch unsere Gesundheit ist betroffen: Eine grössere Anspannung und erhöhter Herzschlag sind deutliche Indikatoren für das gesteigerte Stressniveau während des Multitaskings. Der Versuch, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, führt zu unnötigem Stress, Unzufriedenheit und Frustration.
Mono- statt Multitasking
Einbussen müssen also gleichermassen bei der Leistungsfähigkeit und der Gesundheit hingenommen werden. Dessen sollten sich Unternehmen und Mitarbeitende bewusst sein. Sobald der Handlungsbedarf erkannt ist, können Verantwortliche Massnahmen zur Gestaltung einer geeigneten Unternehmens- und Führungskultur ergreifen. Strukturen und Prozesse, die konzentriertes Arbeiten ermöglichen, gilt es zu begünstigen. Die Bereitstellung einer idealen Infrastruktur zählt ebenso dazu wie die aktive Förderung der Nutzung bestehender Möglichkeiten. Denn das persönliche Arbeitsverhalten von Mitarbeitenden ist der Schlüssel zum Erfolg. Die folgenden Tipps helfen, Ablenkungen und Arbeitsunterbrechungen zu reduzieren.