Mensch & Arbeit

Multitasking

Ein effizienter Arbeitstag ist planbar

Die Anforderungen im Arbeitsalltag steigen: Erwartet werden eine hohe Leistungsfähigkeit und eine laufend verbesserte Effizienz. Mitarbeitende und Führungspersonen zeigen eine naheliegende Reaktion: Sie versuchen, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Genau dieses Verhalten aber mindert die Leistungsfähigkeit.
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Das Telefon klingelt, ein Kollege fragt nach Rat, das Handy vibriert – gleichzeitig sitzt der Termin für eine Projektabgabe im Nacken. Unser Büroalltag ist geprägt von häufigen Unterbrechungen. Alles müssen und wollen wir gleichzeitig schaffen. Wir strengen uns an, arbeiten schneller. Der Tag schreitet voran, aber die Pendenzenliste wird nicht kleiner. Der typische Multitasking-Teufelskreis entsteht: Wir arbeiten schneller und produzieren weniger. Die Ineffizienz schlägt aufs Gemüt. Am Abend gehen wir erschöpft nach Hause – unzufrieden und mit dem Gefühl, nichts erreicht zu haben: «Ich war den ganzen Tag im Stress und habe nichts zustande gebracht.» Dennoch halten wir am Mythos Multitasking fest. Wir sind überzeugt: Ohne die Fähigkeit, zwischen unterschiedlichsten Anforderungen scheinbar problemlos hin- und herzuspringen, sind die wachsenden Anforderungen nicht zu bewältigen.

Das Gehirn macht nicht mit

Der Begriff Multitasking stammt aus der Informatik und bezeichnet die Fähigkeit eines Prozessors, mehrere Prozesse gleichzeitig ablaufen zu lassen. Dieses «Gleichzeitig-alles-und-jedes-Bewältigen» gibt es beim menschlichen Gehirn nicht. Es ist so konstruiert, dass es sich immer nur auf eine Sache richtig fokussieren kann. Beim vermeintlichen Multitasking wechselt der Mensch in extrem kurzen Zeitabständen zwischen verschiedenen Tätigkeiten hin und her. Die Arbeitsphasen werden in kleine Bruchstücke zerteilt. Auf diese Weise leidet die Konzentration. Das ständige Wechseln zwischen unterschiedlichen
Arbeiten bedeutet für unser Gehirn eine zusätzliche Anstrengung, die Zeit kostet. Je komplexer die Aufgabe, desto höher der Zeitaufwand.

Das Journal of Experimental Psychology publizierte eine Studie, in der Studenten beim Lösen von Mathematikaufgaben um bis zu 40 Prozent langsamer waren, wenn sie zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herwechselten. Zahlreiche weitere Untersuchungen belegen, dass Menschen, die Multitasking betreiben, bis zu 50 Prozent weniger effizient sind als Personen, die sich jeweils auf nur eine Aufgabe konzentrieren. Das wirkt sich selbstredend auf die Kosten im Unternehmen aus. Die New Yorker Beratungsfirma Basex berechnete, dass in den USA pro Jahr etwa 28 Milliarden Arbeitsstunden durch Unterbrechungen und Multitasking verloren gehen. Gemäss Dr. Glenn Wilson vom King’s College in London richtet die mangelnde Selbstdisziplin im Umgang mit E-Mails am meisten Schaden an.

Das zwanghafte Bedürfnis, E-Mails unmittelbar zu lesen und zu beantworten, führt zu einem dauernden Wechsel unseres Fokus. Leistungsfähigkeit und Produktivität sinken. Die Einbussen sind vergleichbar mit einer ganzen Nacht ohne Schlaf. Die Arbeitsqualität leidet ebenfalls, denn die Unaufmerksamkeit führt zu einer höheren Fehlerquote. Auch unsere Gesundheit ist betroffen: Eine grössere Anspannung und erhöhter Herzschlag sind deutliche Indikatoren für das gesteigerte Stressniveau während des Multitaskings. Der Versuch, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, führt zu unnötigem Stress, Unzufriedenheit und Frustration.

Mono- statt Multitasking

Einbussen müssen also gleichermassen bei der Leistungsfähigkeit und der Gesundheit hingenommen werden. Dessen sollten sich Unternehmen und Mitarbeitende bewusst sein. Sobald der Handlungsbedarf erkannt ist, können Verantwortliche Massnahmen zur Gestaltung einer geeigneten Unternehmens- und Führungskultur ergreifen. Strukturen und Prozesse, die konzentriertes Arbeiten ermöglichen, gilt es zu begünstigen. Die Bereitstellung einer idealen Infrastruktur zählt ebenso dazu wie die aktive Förderung der Nutzung bestehender Möglichkeiten. Denn das persönliche Arbeitsverhalten von Mitarbeitenden ist der Schlüssel zum Erfolg. Die folgenden Tipps helfen, Ablenkungen und Arbeitsunterbrechungen zu reduzieren.

Arbeitstag planen

Die persönliche Arbeitsdisziplin ist der grösste Hebel auf dem Weg zum Monotasking. Wir müssen – trotz unserer Neugierde – lernen, der Versuchung zahlreicher Ablenkungen zu widerstehen. Die richtige Einstellung, eine realistische Arbeitsplanung und die Nutzung technischer Möglichkeiten helfen uns dabei.

Ein erster Schritt ist das Führen einer To-do-Liste: Der Arbeitstag ist zu planen und eine Pendenzliste zu erstellen. Sind die Prioritäten gesetzt, arbeiten wir die Aufgaben ab – eine nach der andern. Fokus, Konzentration und eine Aufgabe auf einmal sind die Eckpfeiler funktionierender To-do-Listen.

Komplexe Aufgaben sollten ohne Ablenkungen erledigt werden. Dafür sind störungsfreie Zeiten einzuplanen und im Team zu kommunizieren. Denn: Ist eine Aufgabe schwierig und mit einer gewissen Überwindung verbunden, lassen wir uns noch viel leichter ablenken. Zeit für einen Schwatz mit Kollegen hat man beispielsweise während Routineaufgaben. Diese plant man übrigens am besten nach dem Mittag ein.

Sinnvoll ist das Einplanen von Pufferzeiten. Man hält sich Zeit frei für unvorhergesehene Arbeiten. Schliesslich können nie sämtliche Unterbrechungen verhindert werden. Wird das gewünschte Arbeitsergebnis entsprechend realistisch angesetzt, können Stress und Frustration vermieden werden.

Insbesondere für Führungskräfte kann es sich lohnen, Sprechstunden einzurichten. Mitarbeitende werden so angehalten, ihre Fragen und Anliegen zu bündeln. Unterbrechungen werden auf ein Minimum beschränkt und im Rahmen der dafür vorgesehenen Zeit zur eigentlichen Aufgabe. Positiver Nebeneffekt: Bis zur Sprechstunde haben sich einige offene Punkte bereits von alleine geklärt.

Erreichbarkeit begrenzen

Die letzten Updates auf sozialen Netzwerken, E-Mails oder tagesaktuelle Themen in Medien – unsere Neugierde scheint unstillbar. Tatsächlich zählt das Internet und Handy zu den grössten Ablenkungsherden. Jedes «Ich-schau-noch-kurz-wer-mir-geschrieben-hat» reisst uns aus der aktuellen Tätigkeit – durchschnittlich alle elf Minuten.

Dem entgegen tritt die Einführung von E-Mail-Zeiten. Die Nachrichten sollten während definierten Zeitfenstern, zum Beispiel drei Mal pro Tag, gelesen und beantwortet werden. Während der übrigen Arbeitszeit bleibt das E-Mail-Programm geschlossen.

Für wirksame Massnahmen gegen das Multitasking braucht es Selbstdisziplin. Diese Fähigkeit kann bewusst geübt und verbessert werden. Es gibt einfache Tricks, um Versuchungen besser widerstehen zu können. Etwa das Handy in der Tasche unter dem Pult verstauen, anstatt es griffbereit auf der Arbeitsfläche zu lagern. Oder am Computer alle Programmfenster schliessen, die nicht gerade gebraucht werden. So erhöht sich der Aufwand, zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herzuwechseln. Wer sich regelmässig vergegenwärtigt, wie befriedigend es ist, eine erledigte Aufgabe von der Pendenzliste zu streichen, erhöht seine Motivation zur Selbstdisziplin.

Fazit

Damit wir den Anforderungen des Arbeitsalltags gewachsen sind, können wir getrost auf Multitasking verzichten. Monotasking erhöht unsere Leistungsfähigkeit, verbessert unsere Effizienz, senkt unsere Feh­lerquote und erspart uns unnötigen emotionalen Druck. Erfolgsfaktor dazu ist der bewusste Umgang mit Ablenkungen und Unterbrechungen – sowohl für Unternehmen wie auch für jeden Einzelnen. Wir müssen lernen, im Arbeitsalltag wieder produktiv statt beschäftigt zu sein.