Mensch & Arbeit

Mitarbeiterführung

Die neue Generation Mitarbeitergespräche

Mitarbeitergespräche sind ein wichtiges Führungsinstrument. Damit sie nicht zu blosser Pflicht verkommen, ist es hilfreich, Gesprächsformulare oder Beurteilungsbögen anzupassen. Entsprechen sie noch der Einführungszeit in den 1990er-Jahren? Dann ist es Zeit, auf die neue Generation von Mitarbeitergesprächen zu wechseln. Der Unterschied ist markant.
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Die Mitarbeitergespräche (MAG) in den 1990er-Jahren basierten auf der Grundhaltung von Kontrollieren und Korrigieren. Zwar veränderten sich in der Zwischenzeit vielerorts die Form der Formulare und der Gesprächsablauf – selten jedoch die Grundhaltung. Und so herrscht die alte Grundhaltung in KMU häufig auch heute noch vor. Das Instrument ist zur Pflicht verkommen. Viel Aufwand, viele Emotionen, zu wenig nachhaltiger Nutzen für das Unternehmen, den Vorgesetzten sowie den Mitarbeitenden. Oft sind Begriffe wie Kundenorientierung, Teamverhalten, Führungskompetenz zu abstrakt, zu offen, zu wenig auf die tatsächlichen aktuellen Aufgaben und Ziele abgestimmt.

Das Mitarbeitergespräch wird oft als lästiges Muss betrachtet und als unangenehm empfunden – von Mitarbeitenden wie auch von Vorgesetzten. Dies hat einen negativen Einfluss auf die Qualität der Gespräche und der Kommentare auf den Formularen. Zu knapp formulierte oder gar nicht vorhandene Bemerkungen auf den Unterlagen sind wenig hilfreich als History. Kritisch wird dies, wenn jemand aufgrund mangelnder Arbeitsleistung oder ungenügenden Verhaltens entlassen werden soll, in den MAG-Unterlagen jedoch keine entsprechenden Vermerke oder Beurteilungen zu finden sind. Auch beim Erstellen von Arbeitszeugnissen sollte eigentlich auf die Bewertungen der MAG zurückgegriffen werden können, was jedoch meist nicht funktioniert, weil dort selten aussagekräftige Bemerkungen zu finden sind.

Wer erinnert sich nicht an die Beurteilungen und Benotungen der Schulzeit? Bei guten Noten war das Gespräch eine wahre Freude. Aber wer hatte schon durchwegs gute Noten? Bei vielen hinterliessen diese Gespräche eher Narben denn Hochgefühle! Erinnerungen daran werden im Zusammenhang mit dem Mitarbeitergespräch schnell wach. Wieder findet man sich in der Rolle des Beurteilten, wieder bestimmt jemand darüber, was gut oder schlecht gelaufen sei. Dies erzeugt Angst, löst Widerstände aus, selbst wenn das Gespräch gut aufgebaut ist. Der Bauch reagiert schneller und heftiger als der Kopf. Kein Wunder werden Mitarbeitergespräche häufig als unan­genehm, lästig, nicht notwendig, nicht wirksam empfunden.

Was wäre, wenn sich Ihre Mitarbeitenden auf das Mitarbeitergespräch freuen würden? Wenn sie zum Beispiel denken würden: «Super, endlich wieder ein Mitarbeitergespräch! Ich bin froh um das Feedback, so erhalte ich Impulse für meine Entwicklung. Das interessiert mich, darauf freue ich mich!» Undenkbar? Wieso? Was müsste anders sein?

Damit der Zeitgeist verstanden werden kann, ist es wichtig, zu erkennen, wie stark und wie schnell sich dieser allein in den letzten paar Jahren verändert hat. Jahrzehntelange, traditionelle, selten hinterfragte Werte kippten und wurden unerwartet schnell ersetzt. Einige wenige Stichworte verdeutlichen, was sich verändert hat:

Gesellschaftliche Veränderungen

Weissgeldstrategie, Abstimmungen zu Abzocker-Initiative, Zweitwohnungen, Raumplanung, Energiepolitik etc.

Globale Geschwindigkeit

Neue Smartphone-Technologien und Plattformen wie Facebook, Twitter etc. veränderten die Informationsgeschwindigkeit respektive das Kommunikationsverhalten. Sie vernetzten Menschen innerhalb einzelner Regionen und über die Landesgrenzen hinaus. Informationen werden blitzschnell verbreitet.

Demografische Situation

Die Verschiebungen innerhalb der Alterspyramide verschärfen den Fachkräftemangel (Handwerker, Ingenieure, Pflegebereich etc.) in ganz Europa. In Asien werden in wenigen Jahren die Auswirkungen des «Frauenmangels» erkennbar werden / zu erkennen sein.

Generationenwechsel

Die verschiedenen Generationen in Europa leben nach sehr unterschiedlichen Werten. Die Digital Natives (Generation ab ca. 1981, welche mit den neuen Technologien aufgewachsen ist) haben neue Bedürfnisse: interessante Arbeitsinhalte anstelle von Karriere, Arbeitsziele anstelle von Arbeitszeiten, Freiräume anstelle von Regeln. Sie bringen neue technologische Kompetenzen (Fähigkeiten) mit, die zentral und wichtig sind. Sozialisiert durch Social Media erwarten sie laufend Feedback. Auf Facebook wird für jeden Kommentar ein Feedback erwartet, Seiten werden «geliked» oder eben nicht.

All das weist auf einschneidende Umbrüche und Veränderungen für Unternehmen hin, insbesondere für das Human Resource Management (HRM). Wer auch in Zukunft markt- und wettbewerbsfähig sein will, muss nicht nur Kosten und Produktequalität im Griff haben, sondern vor allem genügend Mitarbeitende mit den entsprechenden Kompetenzen (fachlich, unternehmerisch sowie menschlich) finden und halten können. Umso bedeutungsvoller sind Weiterbildung, Förderung und Bindung der Mitarbeitenden auf allen Hierarchiestufen – generationengerecht.

Unsere Zeit ist geprägt davon, dass wir rund um die Uhr, rund um den Globus mit anderen Menschen vernetzt sein können, dass wir Wissen jederzeit abrufen können und jederzeit informiert sind.

Dies bewirkt, dass

› schnell agierende Unternehmen noch schneller auf verändernde Märkte eingehen können;

› Krisen unerwartet, überraschend und schnell entstehen;

› ethisch-moralische Werte wichtiger werden;

› wirtschaftlicher Aufschwung unstet und unvorhersehbar geschieht;

› «Changes» permanent / fortwährend /unaufhörlich / konstant / beständig zum Arbeitsalltag gehören.

Es wird wichtiger,

› partnerschaftlich miteinander umgehen zu können, unabhängig von den verschiedenen Generationen, Kulturen, Religionen, Haltungen etc.

› agil handeln zu können. Das bedingt, dass Mitarbeitende vorbereitet sind, sich auf verändernde Anforderungen einzulassen und sich schnell in neuen Situationen zurechtzufinden.

Die neue Generation der Mitarbeitergespräche nimmt derartige Verschiebungen inhaltlich auf. Unternehmen brauchen mitdenkende, mündige, selbstbewusste Mitarbeitende, die den Mut haben, sich einzubringen, um gemeinsam und schneller passende Lösungen zu finden.

Es gilt – trotz oder gerade wegen der wirtschaftlichen Situation – die Führungsinstrumente jetzt anzupassen. Es geht darum, Mitarbeitende zu fördern, ihre Potenziale zu erkennen, einen auf Vertrauen basierten Umgang aufzubauen. Mitarbeitende müssen auf die verändernden Aufgaben vorbereitet werden, müssen schneller handeln können, schneller auf Kundenwünsche eingehen, unproduktive Stunden vermeiden, Fehler verhindern. Das unternehmerische Denken und Handeln soll gefördert werden, Freude an der Arbeit soll entstehen können. Man darf, bzw. soll stolz darauf sein, in dieser Firma zu arbeiten. Das zieht gute und engagierte Mitarbeitende an.

Zeitgemässe Mitarbeitergespräche zeichnen sich aus durch folgende Punkte:

1. Eine entwicklungsorientierte, partnerschaftliche und vertrauensorientierte Haltung löst die Kontrollhaltung ab.

2. Der Inhalt ist abgestimmt auf die unternehmerischen Anforderungen.

3. Die Kompetenzen sind abgestimmt auf die firmenspezifischen Werte, Führungsgrundsätze etc.

4. Die definierten Kompetenzen sind ergänzt durch beobachtbare Kriterien (Indikatoren).

5. Neben Fach- und Jahreszielen werden auch Entwicklungsziele und Fördermassnahmen partnerschaftlich diskutiert und festgehalten.

6. Zusätzlich zu vertikalen Karriereplänen werden auch horizontale (erweiternde oder ergänzende Jobfunktionen) als Laufbahnmöglichkeiten besprochen.

7. Die Gesprächskultur entwickelt sich von der Erwartungshaltung hin zu offenen, transparenten, interessanten Dialogen.

8. Der Mitarbeitergesprächsprozess ist integriert in den Geschäftsprozess sowie in das jährliche HRM-Reporting als positive, zu fördernde Ressource.

Dieser grundlegende Wechsel der persönlichen, inneren Haltung ermöglicht der Führungskraft, individueller auf die unterschiedlichen Generationen von Mitarbeitenden einzugehen. Das Rollenverständnis zwischen Führungsperson und Mitarbeitenden wird sich verändern.

Was sich vor Jahren bereits abzeichnete, kommt nun tatsächlich: die Matrixorganisation. Die klassischen Hierarchien lösen sich immer mehr auf. Experten, Projektleiter, Support-Bereiche wie Finanzen, IT, HRM, neue Formen der Teamzusammenstellung verändern hierarchische «Machtverhältnisse». Der unternehmerische Bedarf fordert interdisziplinäres und kooperatives Verhalten, verstärkte kommunikative Fähigkeiten, laterale Führungsfähigkeiten, Anerkennung verschiedener Ansprechpersonen. Dies führt zu direkten hierarchieübergreifenden Feedbacks über Leistung und Verhalten. Der direkte Vorgesetzte wird zunehmend mehr Sparring-Partner, Coach, Problemlöser, Mentor. Das verändert nicht nur das Rollenverständnis, sondern auch die Führungsanforderungen. Jüngere Mitarbeitende (Generation X: ab 1964 geboren; Generation Z: ab 1984 geboren), vor allem die Generation der Digital Natives (Generation von Menschen, die mit digitalen Technologien wie Computern, dem Internet, Mobiltelefonen und MP3-Playern aufgewachsen sind) fordern neue Rollen mit einem natürlichen Selbstverständnis ein.

Die Verantwortung der Führungskräfte gegenüber den Mitarbeitenden nimmt zu. Es geht darum, Mitarbeitende …

› über die strategischen Ausrichtungen, neue Technologien, zusätzliche Kundenwünsche, Prozessoptimierung zu informieren;

› anhand der neuen Generation Mitarbeitergespräche auf die neuen Anforderungen aufmerksam zu machen, sie vorzubereiten und notwendige Entwicklungsschritte gemeinsam zu besprechen;

› in ihrer (persönlichen und beruflichen) Entwicklung zu unterstützen;

› bei der Entfaltung ihres individuellen Potenzials zu fördern.

›Die Entwicklung aller Mitarbeitenden sowie die Bindung von Schlüsselpersonen stehen im Vordergrund. Mitarbeitergespräche sind dafür ein steuerndes Führungsinstrument.

Eine wertschätzende, offene und entwicklungsorientierte Haltung eines Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitenden ist ausschlaggebend für eine geringe Fluktuation, gute Arbeitsleistung sowie die Bereitschaft, sich auf Veränderungen offen und neugierig einzulassen. Gleichzeitig ist eine derartige Haltung Voraussetzung für unternehmerisches Wachstum. Die neue Generation von Mitarbeitergesprächen kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Wer Führungskräfte und Mitarbeitende rechtzeitig auf neue Anforderungen vorbereitet, ihr Potenzial nutzt und fördert, eine klare, kritische und wertschätzende Feedback-Kultur einführt und lebt, erntet engagierte und mitdenkende Mitarbeitende. «

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