Mensch & Arbeit

Profile

Der Mensch im Zentrum der Unternehmensnachfolge

Ein Unternehmen zu führen, ist keine rein rationale Angelegenheit, schon gar kein rein technischer Prozess. Denn hinter jeder Führungspersönlichkeit steht ein Mensch mit Gefühlen. Ein Individuum, dessen Entscheidungen auch von Emotionalität beeinflusst werden. Nachfolgender Beitrag setzt sich mit diesem Unternehmerprofil auseinander.
PDF Kaufen

Es stimmt schon, dass eine Unternehmensnachfolge auch ein technischer Ablauf ist. Viel wird und wurde darüber gesagt und geschrieben. Jedoch stehen hinter jeder Übergabe eines Unternehmens Menschen. Und wir Menschen handeln – wie wir alle wissen – nicht immer rational. Wir lassen uns vom Bauchgefühl leiten, wir lassen uns beraten, erkundigen uns bei anderen, hören auf die Familie usw. Wir tun das, um grösstmögliche Sicherheit zu bekommen, dass der Entscheid, sich selbstständig zu machen oder eine Firma zu kaufen, der richtige ist. Denn viel steht auf dem Spiel. Es geht um Geld, eventuell gar um den Einsatz aller Ersparnisse, Gewinnaussichten, Verlustrisiken. Aber es geht auch darum, in seiner Arbeit Zufriedenheit zu finden, um den Wunsch, sein eigener Chef zu sein, Entscheide zu treffen, unabhängig zu sein, über sich selbst zu bestimmen und anderes mehr.

Jeder hegt wohl insgeheim solche Wünsche, spätestens dann, wenn der Chef wieder einmal schlecht gelaunt nicht nachvollziehbare Entscheide trifft oder wenn der Untergebene die ganze Arbeit macht und sein Chef die Lorbeeren erntet, wenns gut gelaufen ist, bei einem Misserfolg die Kritik aber weit von sich weist und «nach unten» weitergibt. Diese sind dann die Momente, wo jeder Angestellte innerlich kündigt und sich Alter-nativen wie eben die Gründung der eigenen Firma oder die Übernahme einer Unternehmung überlegt. Selbstverständlich gibt es noch viele andere Gründe, sich selbstständig zu machen, wie beispielsweise die Verwirklichung einer Geschäfts­idee, die Nutzung einer guten Gelegenheit und so weiter.

Die Gründung einer eigenen Firma auf der grünen Wiese ist nicht immer erfolgreich. Die Gründe dafür sind wohl so vielfältig wie das Leben selbst. Man entwickelt zum Beispiel ein Produkt, für das der Markt nicht bereit ist, die Konkurrenz ist zu stark, das Kapital reicht nur für die Produkteentwicklung, aber nicht mehr für die Vermarktung. Rechtliche und administrative Hürden können einen Jungunternehmer viel Geld kosten und erheblich zurückwerfen.

Risikobereitschaft

Es gibt also auf dem Weg in die Selbstständigkeit eine Vielzahl von Unbekannten und Risiken. Nicht jeder Mensch ist bereit, diese auf sich zu nehmen. Nicht alle Menschen sind in gleich hohem Masse risikobereit, denn ein Risiko eingehen, bedeutet immer auch eine hohe emotionale Belastung, Stichwort Existenzängste. Damit sind wir bei den ersten Eigenschaften, die ein Mensch als Unternehmer oder Unternehmerin mitbringen sollte: Selbst­vertrauen und Selbstsicherheit (nicht zu verwechseln mit Überheblichkeit). Der Unternehmende muss trotz Bankschulden, Kreditoren gut schlafen können, das heisst, er muss von seiner Idee überzeugt sein und bereit sein, hart und beharrlich dafür zu arbeiten. Das bedeutet nicht, dass sie dafür 16 Stunden im Betrieb sein müssen, aber sie müssen sich gedanklich zu 100 Prozent mit dem Betrieb befassen, dazu gehört auch, dass sie sich einmal abends oder am Wochenende mit den nächsten notwendigen Schritten des Betriebes befassen – also am Freitagabend um fünf Uhr den Schlüssel drehen und bis am Montagmorgen nicht mehr daran denken, wird wohl kaum gehen.

In diesem Zusammenhang ist auch der Auf- und Ausbau eines Netzwerkes zu erwähnen. Diese, für einen Unternehmer sehr wichtige Arbeit fällt meistens in die Zeit, was Arbeitnehmer als Freizeit bezeichnen. Thema Netzwerk: In der Regel unterschätzen Jungunternehmer die Relevanz eines starken Netzwerkes. Es ist auch heute noch so, dass gute persönliche Kontakte für die Unternehmenden und ihre KMU-Betriebe überlebenswichtig sind. Diese Kontakte sind zu knüpfen und zu pflegen, denn diese Verbindungen öffnen die Tore für Absatzmärkte, neue Kunden, neue Lieferanten usw. Gerade auf diesem Gebiet sind die Menschen sehr unterschiedlich. Wir kennen alle die geselligen, extrovertierten, offenen Typen, die man von Anfang an gut mag und zu denen man interessanterweise auch oft gleich Vertrauen fasst.

Nicht jeder Unternehmende kann und soll so sein, aber Unternehmende müssen in der Lage sein, durch ihr Auftreten und ihre persönliche Art die Menschen, die für den Geschäftsbereich wichtig sind, anzusprechen und für sich zu gewinnen. Das braucht Energie und auch hier wieder Beharrlichkeit. Wem es also zu viel ist, Fachmessen zu besuchen oder nach einem langen Arbeitstag am Abend noch an diese Versammlung oder an jenes Nachtessen zu gehen, wird sich schwerer tun, sich ein dauerhaftes für die Unternehmung relevantes Beziehungsnetz aufzubauen, was sich letztlich sehr direkt auf Auftragslage und Ertrag des Unternehmens auswirken kann. Man begegnet denn auch eher selten introvertierten oder extravaganten Unternehmerpersönlichkeiten (ausser natürlich beispielsweise in der Mode- und Filmwelt, wo Extravaganz zur Vermarktung der Produkte geradezu ein Muss ist).

Weitere Charaktereigenschaften, die dem Mensch als Unternehmer oder Unternehmerin sicher zum Vorteil gereichen, sind persönliche Ausgeglichenheit, Sozialkompetenz, das Ausstrahlen einer inneren Ruhe und vielleicht aber auch einer gewissen Autorität. Beginnen wir mit der Autorität. Damit ist keinesfalls ein distanziertes, eventuell sogar befehlsgeberisches Auftreten von oben herab gemeint – das kommt weder bei Kunden, Lieferanten noch Mitarbeitenden gut an. Vielmehr ist damit ein kompetentes und selbstsicheres Auftreten gemeint. Das Gegenüber nimmt einen wahr, hört sofort aufmerksam zu und merkt, dass er besser bei den Fakten und der Wahrheit bleibt. Diese Art von Autorität ist eine Charaktereigenschaft, die ein Mensch hat oder weniger hat. Sie ist kaum lernbar, verändert sich aber mit zunehmender Lebenserfahrung.

In diesem Zusammenhang ist dann oft auch die Rede von «Alpha-Tieren», Leadertypen etc. Es ist sicher von Vorteil, wenn Unternehmende zumindest ein wenig von dieser Charaktereigenschaft mitbringen, müssen sie sich doch bei Verhandlungen durchsetzen, Entscheidungen treffen, Personal führen etc. Mit der Führung und Motivation von angestelltem Personal ist nebst fachlicher Kompetenz auch Selbstsicherheit, natürliche Autorität und Kommunikationsfähigkeit im Sinne von «er weiss, was er will und tut – ich (Arbeitnehmer) weiss, was er erwartet und woran ich bin» gefragt. Menschen, die zaudern oder sich in Widersprüche verwickeln oder gar cholerische Charaktere werden einen schweren Stand haben, eine Unternehmung erfolgreich zu führen. Die entsprechend hohe Personalfluktuation wird sich im Betriebsergebnis niederschlagen.

KMU-Unternehmende bewegen sich also auf dem schmalen Grad zwischen kollegialer Zusammenarbeit und autoritärem Führungsstil. Dies kann sich mit zunehmender Lebens- und Berufserfahrung verbessern. Unternehmende müssen sich dies aber immer wieder vor Augen führen, sonst tanzen ihnen früher oder später alle Mitarbeitenden auf der Nase herum oder im anderen Fall laufen ihnen alle davon. Zusammengefasst: Unternehmende brauchen eine hohe Sozialkompetenz, gute Kommunikationsfähigkeit, Selbstsicherheit und Durchsetzungsvermögen, ohne als autoritär wahrgenommen zu werden. Dazu kommt selbstverständlich eine hohe fachliche Kompetenz.

Unternehmende müssen also Supermenschen sein! – Nein, keinesfalls, sie sind Menschen, die mit anderen Menschen sprechen und handeln und: Nobody is perfect. Es ist gut, wenn Unternehmende ihre Schwächen kennen und gegenüber sich selbst ehrlich sind. Dies wird ihnen helfen, sich nicht auf Dinge einzulassen, die ihnen unbehaglich sind oder in denen sie nicht wirklich bestehen können. Gehören solche Tätigkeiten oder Situationen dennoch zur unternehmerisch notwendigen Tätigkeit, so sollen sie sich besonders gut darauf einstellen oder vorbereiten. Unternehmende interagieren mit vielen Menschen, sei es direkt im Zusammenhang mit der Tätigkeit, sei es indirekt im Netzwerk oder auch privat. Sie können immer davon ausgehen, dass auch das Gegenüber Stärken und Schwächen hat. Diese zu erkennen hilft beispielsweise beim erfolgreichen Verhandeln usw. Dabei muss keine Psychoanalyse des Gegenübers gemacht werden. Es hilft schon, wenn man versucht, sich ganz bewusst auf sein Gegenüber einzustellen, genau zu­zuhören und auch auf die Körper- und Zeichensprache zu achten.

Vor jeder Besprechung, vor jedem Telefonat, vor jeder Verhandlung oder jedem Kauf lohnt es sich auch, sich auf das Kommende geistig vorzubereiten und sich zu überlegen, welche Strategien das Gegenüber wohl fahren wird und welche Optionen es hat. Dies muss nicht lange dauern und kann sogar auf der Fahrt zur Besprechung erfolgen, vorausgesetzt, man hat auf dieser Fahrt die nötige Ruhe, um sich solche Gedanken zu machen und wird nicht durch Ärger über den Verkehrsstau absorbiert. Gelingt es, geistig so vorbereitet in eine Besprechung zu gehen, wird es viel leichter fallen, erfolgreiche Verhandlungen und Gespräche zu führen.

Unternehmende sind also auf sehr vielen Ebenen gefordert. Erfolgreiche Unternehmer und Unternehmerinnen beherrschen nicht nur ihr Fachgebiet, sondern sie kennen sich auf Märkten, bei Preisen und Produkten aus. Und sie sind in der Lage, mit anderen Menschen erfolgreich zu kommunizieren. Dazu gehört immer auch eine gewisse Gelassenheit und ein wenig Humor.«

Porträt