Mensch & Arbeit

Unternehmensführung

Das Leadership-Rollenverständnis in Managementzirkeln gestalten

CEO und Verwaltungsräte von Unternehmen sind sehr oft anspruchsvollen und fordernden Aufgaben und Rollenkonflikten ausgesetzt. Für sie ist es von zentraler Bedeutung, dass belastende Situationen nicht in einer Sackgasse enden, sondern konstruktive Lösungen gefunden werden. Ein möglicher Ansatz dazu bieten die sogenannten Managementzirkel.
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Manager und Verwaltungsräte sind mit komplexen und oft auch personell heiklen sowie politisch sensiblen Fragen konfrontiert. Sie müssen sich immer wieder mit Situationen auseinandersetzen, in denen sie weder auf angelerntes Rüstzeug noch auf bisherige Erfahrungen zurückgreifen können. Angesichts der Vielschichtigkeit der Aufgaben, der Tragweite der Entscheidungen und des individuellen Verhaltens ist deshalb eine kritische Reflexion der eigenen Tätigkeit besonders empfehlenswert. Es stellt sich nur die Frage mit wem. Als Sparring-Partner kommt nicht jeder infrage. Sei es, weil jemand eigene Interessen verfolgt, Teil der akuten Problemstellung ist oder aus anderen Gründen.

Zwei Beispiele, bei denen die Suche nach einem internen Sparring-Partner zum Austausch schwierig werden dürfte: Der VR-Präsident hat den CEO selber in der Auswahl präferiert aufgrund seiner hohen Branchenerfahrung. Nur leider erweist sich der CEO in seinem Verhalten in der Geschäftsleitung als sehr autoritär: Er läuft somit Gefahr, einige sehr gute Mitglieder zu verlieren. Kann der VR-Präsident ihn begleiten? Wo sind die Möglichkeiten und Grenzen aus der VR-Präsi­­­denten-Rolle? Und das zweite Beispiel: Der COO hat ein zentrales Informatikprojekt «in den Sand gesetzt». Da er aber zuvor sehr erfolgreich war, will der CEO an ihm festhalten und gerät diesbezüglich mit dem zuständigen Verwaltungsrat in einen Konflikt. Diese Differenzen müssen baldmöglichst geklärt werden, denn es stehen nächste, zentrale Entscheidungen an – bezüglich neuen Investitionen in die IT.

Der Managementzirkel

Einen Lösungsansatz bietet der sogenannte Managementzirkel. Hierzu versammeln sich Verwaltungsräte und CEO aus verschiedenen Unternehmen und unter Begleitung eines Beraters. Sie besprechen regelmässig aktuelle Fragestellungen miteinander und erarbeiten mögliche Handlungsoptionen dafür. Solche Zirkel unterscheiden sich in verschiedenen Punkten von anderen Formen der Managemententwicklung:

Erstens finden sie in kleinen, stabilen Gruppen von ausgesuchten Schlüsselpersonen statt. Diese stammen aus verschiedenen, idealerweise nicht in direkter Konkurrenz stehender Unternehmen oder Organisationen. Zweitens beschäftigen sich die Teilnehmenden mit konkreten Fragen des beruflichen Alltags, es geht also um eine «Just-in-time»-Bearbeitung von aktuellen Fragestellungen. Dadurch soll ein praxisorientiertes Lernen für das laufende Geschäft erreicht werden. Drittens ermöglicht das Arbeiten in einer konstanten Gruppe auch das Verfolgen komplexerer (Change-)Projekte über einen gewissen Zeitraum hinweg und fördert damit ein optimales Lernen voneinander.

Dazu kommt, dass solche Gruppen kaum organisatorischen Aufwand verursachen. Es reichen ein ideal gelegener Besprechungsraum und das Committment der Mitglieder, an den vereinbarten Daten verpflichtend teilzunehmen. Idealerweise finden die Treffen monatlich für einen Tag oder fünf- bis sechsmal pro Jahr anderthalb bis zwei Tage statt.

Idealtypischer Ablauf

Zu Beginn berichten die Teilnehmenden, wie es mit den letztmalig eingebrachten Beispielen weitergegangen ist. Anschlies­send werden erneut aktuelle Fragen aus dem Alltag zur Diskussion gestellt. Es wird ausgemacht, welche und wessen Themen beim aktuellen Treffen angegangen werden sollen. Meistens handelt es sich um kritische Führungsthemen, strategisch schwierige oder politisch heikle Entscheidungen sowie komplexe und konfliktträchtige Projekte, anspruchsvolle Personalia oder gar Krisensituationen. Für jedes zu behandelnde Thema wird genügend Zeit eingeräumt. Als Erstes schildert der Betroffene seine aktuelle Situation und formuliert sein Anliegen. Je klarer er dies tut, desto fokussierter kann die Gruppe arbeiten.

Es geht zuerst um eine Situationsanalyse mit der Formulierung von Hypothesen. Daraus werden Lösungsansätze und Vorgehensvarianten abgeleitet. Ein entscheidender Aspekt eines Managementzirkels besteht darin, dass die zur Dis­kussion gestellten Anliegen nicht nur nach rationalen Gesichtspunkten behandelt werden. Genauso wichtig ist es, die emotionalen und häufig «unsichtbaren» Teile des «Eisberges» aufzudecken. Dadurch werden die Teilnehmenden in ihrer Selbstwahrnehmung sensibilisiert. Sie lernen zudem, Stimmungslagen und Gefühle ihres Gegenübers besser wahrzunehmen und in ihren Lösungsansätzen zu berücksichtigen.

Da Verwaltungsräte und CEOs dazu neigen, rationalen Aspekten (Zahlen, Statistiken usw.) mehr Aufmerksamkeit zu schenken, ist die Ergänzung der emotionalen Ebenen zentral. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass gerade das limbische System (Funktionseinheit des Gehirns, die der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Triebverhalten dient) bei Entscheidungen eine zentrale Rolle spielt.

Vereinbarungen treffen

In einem Managementzirkel entsteht mit der Zeit ein sehr vertrautes, persönliches Beziehungsnetz. Dadurch werden kritische Rückmeldungen ebenso wie unterstützende Beiträge besser angenommen und führen zu qualitativ hochstehenden Lösungsansätzen. Die gemischte Zusammensetzung erleichtert zudem die heute immer wichtiger werdende interkulturelle Zusammenarbeit.

Erfahrungen zeigen deutlich, dass Teilnehmende von Managementzirkeln den Einblick in und die Erfahrungen aus ganz anderen Führungsbereichen besonders schätzen, da sie davon persönlich stark profitieren. Damit ein Managementzir­kel optimal funktioniert, braucht es folgende Vereinbarungen:

  • Vertraulichkeit
  • Verbindlichkeit und Termintreue
  • Sorgfältige Vorbereitung, idealerweise wird das Anliegen schon im Voraus formuliert
  • Aktive Beteiligung aller, so dass es keine «Zaungäste» gibt
  • Bereitschaft zur Offenheit, zu konstruktiv-kritischem Feedback
  • Selbstverantwortung: jedes Mitglied entscheidet autonom, was es mit den Lösungsideen macht.

Auf der organisatorischen Ebene gilt es folgende Punkte zu beachten:

  • ideale Gruppengrösse zwischen 5 – 8 Personen
  • keine direkten Arbeitsbeziehungen oder Abhängigkeiten im Alltag
  • aus verschiedenen Feldern und Branchen
  • mit vergleichbarer Führungsverantwortung
  • qualifizierte Leitung bzw. Moderation

Der Nutzen

Managementzirkel sind wohl eine der wirkungsvollsten Formen praxisbegleitender Qualifizierung für höhere Verantwortungsträger aus Wirtschaft, Politik und öffentlicher Verwaltung. Wie im Sport ist auch im Management die permanente Auseinandersetzung mit sich und dem relevanten Umfeld ein wichtiges Element, um Spitzenleistungen erbringen zu können. Es geht also nicht in erster Linie um problematische Fragestellungen. Vielmehr ist eine kontinuierliche Reflexion der eigenen Managementtätigkeit die ideale Grundlage, um Misserfolgen in der Führung (wenn möglich) vorzubeugen.

Der Aufwand für einen Managementzirkel kann als sehr gering eingestuft werden im Verhältnis zu allfälligen Kosten und Folgen, die eine Krisensituation auslöst. Allein, wenn man bedenkt, welche Konsequenzen beispielsweise eine Personalmutation auf höchster Führungsebene hat oder welche Kosten bei einem falsch aufgesetzten IT-Projekt anfallen.

Der unmittelbare Nutzen für den Einzelnen liegt auf der Hand:

  • Ganzheitliche Betrachtungsweise bei der Vorbereitung und Ausführung wichtiger Entscheidungen;
  • Sensibilisierung für politische Dimensionen des Führungshandelns auf verschiedenen Ebenen;
  • Optimierung der Methodik für die Lösung komplexer Fragestellungen und für die Steuerung von Change-Prozessen;
  • Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie die generelle Reflexion des eigenen Führungs- und Kommunikationsverhaltens;
  • Psychohygienische Aspekte, indem man sich mit Gleichgesinnten austauschen und dabei mögliche «blinde Flecken» entdecken kann oder eigene Ängste, Zweifel oder Unsicherheiten ansprechen darf;
  • Kritisches Hinterfragen von persönlichen Einstellungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen im Hinblick auf die Funktionalität des zur Frage stehenden Sachverhaltes.

Weitere Beratungsformen

Neben dem Managementzirkel gibt es auch noch weitere Möglichkeiten, um dem Mythos der Einsamkeit im Topmanagement wirksam zu begegnen. In der Regel handelt es sich dabei aber um verwandte Beratungsformen:

Einzelcoaching

Auch im Einzelcoaching kann eine Top-Führungskraft die genannten Nutzenaspekte erhalten. Der Vorteil eines solchen Coachings liegt in der grösseren Intimität und damit Diskretion, speziell bei sehr persönlichen Fragestellungen. Auf der anderen Seite kann ein einzelner Coach nie in gleichem Mass andere Sichtweisen und Ideen einbringen, wie dies in einem Managementzirkel unter Führungsexperten möglich ist. Dies ist auch der Grund, wieso ein Einzelcoaching zwar eine wertvolle Ergänzung, aber keinen adäquaten Ersatz für einen solchen Zirkel darstellt.

Teamcoaching

Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung von Führungskräften auf oberster Ebene ist das Teamcoaching auf Management- bzw. Verwaltungsratsebene: Dabei geht es in erster Linie um die Optimierung der Zusammenarbeit voneinander abhängiger Personen. Auch dies kann punktuell eine sinnvolle Massnahme im Hinblick auf Spitzenleistungen sein. Aus den ausgeführten Überlegungen heraus kann ein solches Teamcoaching einen Managementzirkel mit Personen aus anderen Organisationen jedoch nicht ersetzen.

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