Marketing & Vertrieb

Mitarbeiterführung

Wie positive Psychologie die innere Motivation weckt

Eine Motivation von Vertriebsmitarbeitern durch äussere Anreize wie Incentives, Prämien und Boni gleicht meist einem Strohfeuer. Nachhaltig mehr Leistung verspricht es hingegen, die innere Motivation der Mitarbeiter zu wecken – nicht nur im Vertrieb.
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«Man muss die Mitarbeiter im Vertrieb ständig neu motivieren. Sonst sackt ihre Leistung ab.» Kennen Sie solche Aussagen? Gewiss, denn viele Führungskräfte nicht nur im Vertrieb sind hiervon überzeugt. Also sind sie ständig auf der Suche nach Methoden und Instrumenten, um ihre Mitarbeiter zu motivieren. Und mal setzen sie beim Motivieren stärker auf solche Instrumente wie ein Lob, und mal auf solche «Tools» wie Boni oder Incentives wie Sachpreise und Reisen. Doch erzielen diese Motivationsinstrumente die gewünschte Wirkung? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Und von den Compliance-Abteilungen in den Unternehmen werden zumindest die Incentives zunehmend kritisch gesehen.

Falle Dauermotivation

Ein weiterer Aspekt, der die Motivationsfähigkeit von Führung fordert, resultiert aus dem demografischen Wandel. Für viele Unternehmen wird es zunehmend schwieriger, gute Vertriebsmitarbeiter zu gewinnen. Das erhöht den Druck auf die Führungskräfte, die Leistungsbereitschaft der vorhandenen Mitarbeiter noch mehr zu steigern – so dass in nicht wenigen Unternehmen eine Vertriebsmitarbeiter-Motivationsaktion die andere jagt. Doch diese Dauermotivation bewirkt bei den Mitarbeitenden häufig ein Abstumpfen. Denn hierdurch setzt mit der Zeit ein Teufelskreis ein. Bei den Mitarbeitern verstärkt sich aufgrund der zahllosen Motivationsaktionen zunehmend das Gefühl: Es ist die Aufgabe (des Unternehmens bzw.) meiner Führungskraft, mich zu motivieren, damit ich mehr Leistung bringe. Mit dieser Erwartungshaltung konfron­tieren sie auch ihre Führungskräfte. Was dazu führt, dass diese noch mehr Zeit und Energie in die Mitarbeitermotivation investieren. Was wiederum dazu führt, dass sich die Erwartungshaltung verstärkt. Die Folge: Die Mitarbeiter werden inaktiver bzw. re-aktiver und erwarten von ihrer Führungskraft zunehmend: «motiviere, begeistere und ‹bespasse› mich».

Warum machen so viele Führungskräfte dieses Spiel mit? Woher rührt ihre innere Überzeugung «Ich muss motivieren?». Häufig daraus, dass sie eine Abhängigkeit von ihren Mitarbeitern verspüren. Denn letztlich wird ihre Leistung als Führungskraft von ihren Vorgesetzten an der Leistung ihrer Mitarbeiter gemessen. Deshalb tappen sie in die Motivationsfalle und versuchen ohne Unterlass, ihre Mitarbeiter zu motivieren – aus Angst, ansonsten könne ihre Leistung abfallen und die Vertriebsziele könnten nicht erreicht werden. Hinter einem solchen Verhalten steckt ein zu hinterfragendes Führungsverständnis. Und Arbeit? Sie wird primär negativ gesehen und wie im Mittelalter weitgehend mit Not, Pein und Pflichterfüllung gleichgesetzt. Und Motivation? Sie wird als die Abwesenheit von Nichtmotivation definiert. Doch Motivation ist mehr als nur die Abwesenheit von Nichtmotivation – ebenso wie seelische Gesundheit mehr als die Abwesenheit von psychischen Störungen ist. Das zeigt die neue Forschungsrichtung der positiven Psychologie, die von dem US-amerikanischen Forscher Martin Seligman Ende des letzten Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde.

Wohlbefinden steigern

Bis zu diesem Zeitpunkt beschäftigte sich die Psychologie überwiegend mit dem Abbau von Leidensdruck und negativer psychischer Symptomatik. Erst Seligman begann zu forschen,

  • was das Leben lebenswert macht,
  • warum manche Menschen glücklich, andere unglücklich sind,
  • wie man Glück messen kann und
  • wie man das subjektive Wohlbefinden steigern kann.

Die Forschergruppe rund um Seligman definierte als Ziel der positiven Psychologie, Menschen glücklicher zu machen, indem sie diese dabei unterstützt, positive Emotionen aufzubauen sowie Erfüllung und Sinn im Leben zu finden. Das ist weit mehr als das «positive Denken», das in vielen Motivationsveranstaltungen Vertriebsmitarbeitern nahe gebracht wird. Und es gibt inzwischen viele wissenschaftliche Studien, die belegen, dass die Methoden der positiven Psychologie wirken. Es geht also darum, die Überzeugung abzustreifen «Ich muss meine Mitarbeiter motivieren, sonst bringen sie weniger Leistung». Denn diese ist defizit-orientiert – das heisst, sie geht von einem grundsätzlichen Mangel bei den Mitarbeitern aus. Warum wurden sie dann eingestellt? Viel zielführender ist die Frage: Wie kann ich als Führungskraft meine Mitarbeiter so begleiten, dass Motivation und Zufriedenheit innerlich entstehen beziehungsweise gewahrt bleiben? Hierfür bietet die positive Psychologie einige Ansätze.

Innere Motivation stimulieren

Ein Modell haben die beiden US-amerikanischen Wissenschaftler Edward L. Deci und Richard M. Ryan entwickelt. Sie beschreiben in ihrer «self determination theory of motivation» aus dem Jahr 2000 drei zentrale menschliche Wachstumsbedürfnisse. Sie sind der Motor für persönliche Entwicklung und das Wohlbefinden von Menschen. Und der Drang, diese Bedürfnisse zu befriedigen, ist tief in uns verankert. Als Führungskraft ist es hilfreich, diesen Mitarbeiterbedürfnissen Beachtung zu schenken, denn sie sind die Grundlage für das Entstehen von intrinsischer Mo­tivation und die Grundlage für ein nach­haltiges Lernen.

Jeder Mensch besitzt drei Wachstumsbedürfnisse: Autonomie, Kompetenz und Beziehung. Es ist der innere Motor zu einer ständigen Weiterentwicklung und Zufriedenheit. Allerdings können sie nicht endgültig befriedigt werden. Sie sind vielmehr im Verlauf des Lebens und im Kontext der verschiedenen Anforderungen, die das Leben stellt, immer wieder relevant. In der Abbildung sind sie als «Bedürfnis-Behälter» dargestellt, die wir bemüht sind, zu füllen. Stehen die Behälter auf unsicherem Boden, dann verlieren sie leicht an Inhalt, oder es ist schwierig, sie zu füllen. Deshalb ist Sicherheit die Basis, die den drei Behältern einen festen Stand gibt. Sicherheit geben uns zum Beispiel wichtige Bezugspersonen, die uns unterstützen. Auch eine Führungskraft ist eine solche Bezugsperson, die Mitarbeiter beim Wachsen und Lernen begleitet. Wie können Führungskräfte ihre Mitarbeiter so begleiten, dass sie diese drei Wachstumsbedürfnisse bedienen können?

Autonomie stärken

Das Wachstumsbedürfnis Autonomie stärken Führungskräfte, indem sie ihre Mitarbeiter aktiv an der Gestaltung der relevanten Vertriebsziele beteiligen oder sie diese sogar selbst bestimmen lassen. Untersuchungen zeigen: Es geht nicht allein um den realen Grad der Selbstbestimmung bei Entscheidungen, sondern auch um die gefühlte Entscheidungsfreiheit. Vertrauen Sie deshalb als Führungskraft stärker auf die Kompetenz Ihrer Mitarbeiter. Aber was, wenn Ihnen Pläne oder Konzepte gezeigt werden, in denen Sie Unstimmig­keiten entdecken? Dann agieren Sie als Coach. Zeigen Sie andere Sichtweisen auf, doch lassen Sie die Lösungskompetenz bei ihnen. Fragen Sie Ihren Mitarbeiter zum Beispiel, wie er den Stolperstein beseitigen will. Viele Führungskräfte agieren bevorzugt als Kritiker oder gar als Tipp-Geber, ganz nach dem Motto «Ich weiss genau, was Sie machen müssen, damit Sie erfolgreich werden.» Und was ist, wenn das nicht funktioniert?

Selbstwirksamkeit stärken

Ein weiteres Wachstumsbedürfnis von uns Menschen ist, dass wir uns, in dem, was wir tun, gerne als selbstwirksam erleben möchten – also das Gefühl haben möchten «Wir können etwas bewirken» und dies auch so erleben. Das Gefäss der Selbstwirksamkeit füllen Führungskräfte, indem sie den Mitarbeitern Vertrauen in deren Können signalisieren. Geben Sie als Führungskraft zeitnahes Feedback, wenn Sie Positives an deren Umsetzung erleben. Ein routinemässiges «Lob vom Chef» kann zwar die persönliche Bindung stärken, doch die Selbstwirksamkeit Ihrer Mitarbeiter stärken Sie eher durch ein qualifiziertes, wertschätzendes und tatsachen-fundiertes Feedback.

Beschreiben Sie Ihre positiven Beobachtungen. Je konkreter Sie Feedback geben, desto besser fühlen sich Ihre Mitarbeiter betreut. Sie erleben sich selbstwirksam und kompetent. Fragen Sie Ihre Mitarbeiter auch, welche ihrer Stärken – wie Ausdauer, Enthusiasmus oder Kreativität – sie für einen Erfolg eingesetzt haben. Dadurch wird Ihrem Mitarbeiter bewusst, wie er den Erfolg aus sich heraus bewirkt hat. Das ist ein Schritt, das Gefäss zu füllen und die innere Motivation zu wecken. Denn wer erlebt sich nicht gerne als Gestalter und wächst am Erfolg?

Bindung stärken

Aber was ist, wenn sich ein Erfolg nicht sofort einstellt? Wenn Sie sich die Stärken der Mitarbeiter merken, könnten Sie bei Schwierigkeiten danach fragen: «Könnten Sie das Problem auch mit einer anderen, unkonventionelleren Methode angehen, bei der Sie Ihre Stärken ‹….› und ‹….› ausspielen?» Mit der Haltung «Sie haben die Lösung in sich» stärken Führungskräfte auch das Wachstumsmotiv Bindung bei ihren Mitarbeitern. Es entsteht eine menschliche Nähe durch das Gefühl «Ich werde als Individuum wahr- und ernstgenommen». Wenn sich ein Mitarbeiter als Mittel zum Erreichen der persönlichen Ziele seiner Führungskraft erlebt, entsteht selten eine echte Bindung.

Eine Begegnung voller Wertschätzung, die geprägt ist von der Haltung «Ich schenke Ihnen meine volle Aufmerksamkeit», fördert hingegen den Zusammenhalt. Wenn Sie als Führungskraft darüber hinaus den Rahmen so gestalten, dass ein tragfähiges Vertriebsteam entstehen kann, trägt dies alles zu einem immer mehr gefüllten Gefäss Bindung bei.

Decy und Ryan brachten auch die Begriffe «intrinsische» und «extrinsische Motivation» in die positive Psychologie ein. Wer intrinsisch motiviert ist, engagiert sich aus vollem Herzen und mit voller Leidenschaft. Eine intrinsische Motivation erhöht also die Leistungsfähigkeit, die Ausdauer und die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Zugleich entsteht hierdurch ein Bündel positiver Gefühle. Denn wer seine Arbeit intrinsisch motiviert, also gerne tut, agiert kraftvoller und ist kreativer, leistungs- sowie widerstandsfähiger. Das belegen mehrere Studien der US-amerikanischen Forscherin Barbara Frederickson, Direktorin des Labors für Positive Psychophysiologie der Universität Michigan. Frederickson hat eine Theorie entwickelt, die unter anderem besagt, dass, wenn wir positive Gefühle haben, unser Gedanken- und Handlungsrepertoire erweitert wird; ausserdem verfügen wir dann nachhaltig über mehr Energie, Ausdauer und Überzeugungskraft. Positive Gefühle wirken also in die Zukunft hinein. Das kennt sozusagen jeder: Wenn wir auf einer Welle positiver Emotionen reiten, erscheint uns (fast) kein Problem so gross, dass wir es nicht bewältigen könnten?

Ebenso verhält es sich bei Ihren Mitarbeitern. Wenn sie ihrer Arbeit mit positiven Gefühlen und einer inneren Motivation begegnen, dann meistern sie auch leichter solche Schwierigkeiten wie ein hoher Termindruck oder Kunden, die mit ihrer Kaufentscheidung zögern. Denn sie gehen diese Herausforderungen mit einer anderen Haltung an, was auch die Kunden spüren. Also müssen auch Sie als Führungskraft seltener intervenieren bzw.unterstützend aktiv werden – was auch Sie als Führungskraft entlastet. Auch deshalb lohnt sich eine Beschäftigung mit der pos­itiven Psychologie.

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