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Eventmanagement

Wie Nachhaltigkeit die Kreativität fördern kann

Kann ein auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Grossanlass einem KMU Inspiration bieten? Welche Parallelen können gezogen werden? Und welche Unterschiede bestehen? Am Fallbeispiel Eidgenössisches Turnfest (ETF) in Biel geben die Veranstalter mögliche Antworten.
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Ein Eidgenössisches Turnfest (ETF) in Biel gilt als Megaevent, ist der grösste und älteste, regelmässig stattfindende Breitensportanlass der Schweiz und kann durchaus mit Olympischen Spielen verglichen werden. Natürlich nicht was Budget und Kommerz anbelangt, sondern weil in über 120 Disziplinen Medaillen vergeben werden, 60 000 Turnende anreisen, die Wettkampfplanung von 170 ehrenamtlichen Mitarbeitenden über gut drei Jahre hinweg vorbereitet wird, eine Fläche von 100 Hektar mit Dutzenden von Grosszelten, einem Zeltplatz für 25 000 Gäste, Dutzenden von Verkaufsständen sowie mehr als 100 Sportanlagen vorbereitet wird und weil 350 000 Besuchende an sechs Wettkampftagen verwöhnt werden wollen. Eine wahre Herkulesarbeit an Vorbereitung. Dass während der zehn Festtage mehr als 10 000 Helfende im Einsatz sind, die Einsätze von Armee, Zivilschutz, Volunteers, Polizei, Sanität, Securitas und vielen weiteren zu koordinieren, diese zu verpflegen, auszurüsten und zu führen sind, sei hier zur Einordnung der Dimensionen ebenfalls erwähnt.

Nachhaltigkeit ist Chefsache

Diese Grössenordnung an einem Multisport-Anlass werden wohl nur an wenigen Sport-Events übertroffen. Die Zahlen lassen auf den ersten Blick keinen Gedanken an die Nachhaltigkeit hochkommen. Vielmehr denkt man an die lärmigen Fest­teilnehmer, die zerstörten Festtische, an die Abfallberge und den Alkoholkonsum. Themen eben, die medial aufbereitet zu einem einseitigen und verengten Blick beitragen. Ist das Event-Management auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, so hat es unter anderem auch zum Ziel, die negativen Auswirkungen eines Megaevents von vornherein zu minimieren oder gar zu eliminieren, um ebensolche Medienberichte zu vermeiden. Gehen wir aber der Reihe nach.

«Nachhaltigkeit ist Chefsache.» Diese Über­zeugung hat mich als Direktor vom ETF 2013 motiviert, das Thema bei mir persönlich anzusiedeln. Organisatorisch erwies sich dies als ideale Ausgangslage, um nachhaltige Entwicklung wirklich und jederzeit auf allen Ebenen zu leben. Stabsstellen oder Nachhaltigkeitsbeauftragte irgendwo unten rechts im Organigramm kann man vergessen. Als Führungskraft stehe ich persönlich in der Verantwortung, alles daran zu setzen, die Tätigkeiten meines Unternehmens (meines Events) zukunftsfähig zu gestalten. Und nur mit diesem Grundverständnis erhält nachhaltige Entwicklung den Platz, der ihr zusteht. Dabei spielt die finanzielle Zukunftsfähigkeit selbstverständlich eine sehr wichtige Rolle, jedoch nur eine von mehreren Hauptrollen.

Ich konnte sicherstellen, dass sich im Organisationskomitee (OK) ein integratives Verständnis für Nachhaltigkeit etablierte. Unser Credo wurde lebendig. All unseren täglichen Arbeitsschritten lagen jeweils die Fragen zugrunde: «Wie können wir den Energie- und Ressourceneinsatz reduzieren? Wie wird es ökonomischer? Wie schaffen wir gesellschaftlichen Mehr­wert? Wie schaffen wir bleibende Werte?»

Auch in Unternehmen sollte ein Prozess geschaffen werden, um diese Fragestellungen regelmässig und breit abgestützt zu diskutieren. Führungskräfte werden überrascht sein, wie viel Kreativpotenzial in den Mitarbeitenden steckt. Und sie werden durch dieses Potenzial schon sehr bald Geld und Ressourcen einsparen, sowie Produkte und Prozesse optimieren.

Hohe Ziele

Als Direktor hatte ich mir hohe Ziele gesteckt, was Teilnehmerzahlen, Qualität des Anlasses und das finanzielle Ergebnis anbelangt. Das erwartetet man allgemein auch von aussen.

Dass wir – Direktor und Organisationskomitee – uns aber auch in Bezug auf Nachhaltigkeit hohe Ziele gesteckt hatten, sorgte in einer ersten Phase für Verwunderung. Von hohen Kosten, Abweichung vom Kerngeschäft und fehlendem Auftrag für Nachhaltigkeit war überall dort die Rede, wo wir nachhaltige Entwicklung implementieren wollten. «Wir setzen neue Standards für Grossanlässe» oder «90 Prozent der Teilnehmenden kommen mit dem ö.V. nach Biel» und viele weitere Ziele hatten wir fest­geschrieben. Einige der Zielsetzungen schienen zu Beginn unerreichbar zu sein, so hoch hatten wir die Latte gelegt. Und genau hier nun liegt der Schlüssel zu enormen Innovationsleistungen; denn hohe Nachhaltigkeitsziele können nicht mit 08 / 15-Vorgehen erreicht werden.

Innovation, Erfolg und Spass sind eine Trilogie, die allen innovativen Menschen bekannt ist. Kreiere ich wirklich innovative Ergebnisse, dann lösen die eintretenden Erfolgserlebnisse Glücksgefühle und letztlich puren Spass aus. Für Mitarbeitende gibt es keinen grösseren ROE (Return of Engagement). Gelingt es, gemeinsam mit dem Team permanent an den Optimierungen zu arbeiten, dann wird der ROE für die Mitarbeitenden dauerhaft hoch sein.

Bestmarken dank Nachhaltigkeit

Im Verpflegungszelt wurden während acht Tagen insgesamt 40 000 Menüs für die Turnenden zubereitet. Das Organi­sa­tionskomitee hatte sich zum Ziel gesetzt, an einem Tag 100 Prozent Schweizer Bio-Menüs anzubieten. Dazu hatten wir natürlich den am meisten frequentierten Tag gewählt (hohe Ziele stecken), was gleichbedeutend war mit der Vorgabe, am selbigen Tag 20 000 Bio-Menüs zu produzieren.

Vor dem ETF 2013 gab es keinen Catering- Anbieter, der ein Bio-Menü in dieser Menge hätte anbieten können. Dank unserem hochgesteckten Ziel und der Hartnäckigkeit, dieses auch nach Widerständen nicht aus den Augen zu verlieren, kam das Angebot schlussendlich von unserem Catering-Partner. Somit konnten wir einen neuen Standard setzen, und unser Partner wiederum ein neues, attraktives Produkt in seine Palette aufnehmen.

Das Vorgängerfest, das ETF 2007, hatte die Messlatte für nachhaltige Mobilität hoch gelegt. Wir liessen uns inspirieren und wollten unbedingt noch weiter gehen. So konnten dank einem umfassenden Mobilitätskonzept und dem Mitwirken sämtlicher Mobilitätspartner (alleine an diesem Thema waren über ein Dutzend Partner massgeblich beteiligt) Werte erreicht werden, die kaum mehr zu toppen sind. 96 Prozent der 60 000 Turnenden sind mit Öffentlichem Verkehr angereist, nur drei Prozent mit dem Auto. Insgesamt wurden während zehn Tagen Festivitäten und 350 000 Besuchenden gerade mal 3000 Autos parkiert.

Das Umfeld berücksichtigen

«Das ETF 2013 ist eine kurzzeitige Erscheinung, die Anwohnenden leben und bleiben hier». Dieses Grundverständnis hatte uns von Beginn weg begleitet und klargemacht, dass wir der Bevölkerung etwas zurückgeben wollen. So wurde im Organisationskomitee eine Arbeitsstelle geschaffen, die sich ausschliesslich um Anwohner-Bedürfnisse gekümmert hat. Das umfasste einen Anwohner-Bereich auf der Webseite, offene und proaktive Informationen rund um Lärm, Verkehrsbehinderungen, Abfallmanagement, sowie einen kostenlosen Einwohner-Apéro (an dem ca. 1500 Personen teilgenommen haben). Gab es unzufriedene Bürgerinnen oder Bürger, so wurden diese vom Fest-Direktor persönlich empfangen, was geschätzt wurde und ebenfalls zu einer sehr wohlwollenden Gesamtstimmung beigetragen hat. Das innovative Kernstück in diesem Themenbereich aber war der «Schulsporttag». Das ETF 2013 organisierte und offerierte kostenlos einen Sporttag für sämtliche Schulen der sechs Standortgemeinden mit fast 7000 Schülern. Mehr als 3500 Kinder konnten letztlich am einmaligen Erlebnis teilhaben und auf den Sportanlagen des ETF Sport, Spiel und Tanz erleben und im riesigen Festzelt miteinander essen.

Kernbotschaften

Und wo sind die Parallelen zu einem KMU? Es sind weniger die konkreten Lösungen des ETF, sondern vielmehr die Grundsätze, die jederzeit auch in einem KMU verankert werden können. Dazu nochmals die Kernbotschaften kurz zusammengefasst:

  • Nachhaltigkeit ist Chefsache.
  • Nachhaltigkeit ist ganzheitlich und umfasst gleichwertig gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Aspekte.
  • Hohe Nachhaltigkeitsziele führen zu innovativen Lösungen und entsprechenden Erfolgserlebnissen.
  • Ein Team mit neuen Herausforderungen ist kreativ, innovativ und sehr bald vom Nachhaltigkeits-Virus infiziert.
  • Nachhaltige Entwicklung sorgt für einen grossen ROE (Return of Engagement) bei Mitarbeitenden und beeinflusst den ROI positiv.
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