Marketing & Vertrieb

Online-Marktplätze

Wie «Gegengeschäfte 2.0» funktionieren können

Vom Gegengeschäft zum B2B-Online-Marktplatz: Fünf junge Zürcher griffen ein altes System auf und entwickelten es zu einem Online-Marktplatz weiter, auf dem Unternehmen ihre freien Kapazitäten und Restposten für Zusatzgeschäfte mit Neukunden einsetzen können.
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Branchenübergreifend gilt: Selbst die erfolgreichsten Unternehmen erreichen nur zu Spitzenzeiten eine volle Auslastung und bleiben deshalb auf einem Teil ihrer Produkte oder Dienstleistungen sitzen. Da nicht verkaufte Produkte oder Dienstleistungen bekanntlich keinen Beitrag zur Deckung der Fixkosten leisten, braucht es Absatzstrategien, um freie Kapazitäten und Restposten noch gewinnbringend einsetzen zu können.

Die Basis-Bedingung ist dabei stets dieselbe: Der Ertrag aus den zusätzlichen Verkäufen muss höher sein als die bei Produktion und Absatz entstehenden variablen Kosten. Die gängigsten Strategien, solche Zusatzverkäufe zu ermöglichen, setzen beim Preis der zu verkaufenden Leistungen an. Doch nicht alle Unternehmen können oder wollen im grossen Stil Preisnachlässe gewähren. So geben sich etwa Luxus-Hotels lieber mit einer Auslastung von unter 50 Prozent zufrieden, statt mit Rabattaktionen zusätzliche Kunden anzulocken.

Als alternative Absatzstrategie, die nicht in die Preispolitik eingreift, soll nachfolgend das Gegengeschäft diskutiert werden. Doch zwischen einem bilateralen Gegengeschäft und einer praktikablen, gegengeschäftsbasierten Absatzstrategie liegen mehrere Entwicklungsschritte.

Bilaterale Gegengeschäfte

Das Gegengeschäft ist ein Austausch von Leistungen zwischen zwei Unternehmen: Nicht verkaufte Produkte oder Dienstleistungen werden gegen benötigte eingetauscht. Auch wenn kein Geld fliesst, resultiert aus einer solchen Transaktion ein monetärer Mehrwert für beide Tauschpartner: Produkte oder Dienstleistungen, für die bis anhin Geld ausgegeben wurde, werden mit eigenen, nicht verkauften Leistungen bezahlt. Das bedeutet: Obschon die Unternehmen zu Listenpreisen tauschen, profitieren die Tauschpartner von einem nichtnominellen Preisvorteil, der den eigenen Grenzkosten entspricht. Zudem: Mit einem Neukunden getätigt, bringt das Gegengeschäft, neben einem zusätzlichen Verkauf und einer günstigen Beschaffung, einen Lead für das primäre Verkaufsgeschäft.

Ein bilaterales Gegengeschäft kommt nur zustande, wenn sich zwei Unternehmen finden, die im gleichen Zeitpunkt und zum gleichen Wert die Leistung des jeweils anderen benötigen (sog. «doppelte Koinzidenz»). Die Suche ist entsprechend aufwendig – insbesondere, wenn ein Neukunde als Gegengeschäftspartner gefunden werden soll. Trotz der angeführten Vorteile eignet sich ein bilaterales Gegengeschäft deshalb nur punktuell als alternative Absatzstrategie.

Multilaterale Gegengeschäfte

Mit der Weiterentwicklung zum multilateralen Gegengeschäft wird die Problematik der doppelten Koinzidenz überwunden: Die Unternehmen verkaufen ihre freien Kapazitäten oder Restposten gezielt an Neukunden und werden mit Credits in der Höhe ihrer Listenpreise bezahlt. Diese Credits setzen sie für die Beschaffung benötigter Produkte oder Dienstleistungen bei Lieferanten ihrer Wahl ein. Solche multilaterale Gegen­geschäftssysteme, sogenannte «Barterclubs», gibt es bereits heute. Es handelt sich dabei um eigentliche Selbsthilfe-Organisationen für Klein- und Kleinst-Unternehmen. Aufgrund der schwachen Kaufkraft der teilnehmenden Unternehmen sind die Parallel-Währungen nur bedingt attraktiv. Dazu kommt, dass freie Kapazitäten und Restposten nicht gezielt verkauft werden können, vielmehr verpflichtet man sich gegenüber den anderen Teilnehmern des Barterclubs, die Parallel-Währung als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Aus Reputat­ionsgründen sind solche Barterclubs für viele Unternehmen keine valable, alternative Absatzstrategie für ihre freien Kapazitäten und Restposten.

Online-Bartering

Die Onlineplattform «Sweach» setzt das Konzept des multilateralen Gegengeschäftssystems auf verschiedenen Ebenen neu um – das Ziel ist es, einen zeitgemäs­sen Online-Marktplatz zu schaffen, auf dem Top-Unternehmen schnell, flexibel und gezielt Zusatzgeschäfte mit Neukunden tätigen können. Mit dieser Grundidee im Kopf starteten wir vor sechs Monaten unser Projekt und entwickelten eine Lösung, in welche wir die Inputs interessierter Unternehmen laufend integrierten. So bestimmt das verkaufende Unternehmen bei der Angebotserstellung, welche anderen Teilnehmer das Angebot nicht sehen und entsprechend nicht kaufen können.

«Sweach» richtet sich an Anbieter hochstehender Produkte und Dienstleistungen, welche eine gewisse Bekanntheit und Anerkennung geniessen. Der Fokus auf starke Brands ist nicht Selbstzweck, sondern soll den Wert der auf «Sweach» beziehbaren Leistungen garantieren – schliesslich sind eben diese Produkte und Dienstleistungen die Währung des Marktplatzes. Nach vier Monaten Aufbauarbeit, rund 600 Telefongesprächen und 198 Meetings haben sich die ersten 150 Unternehmen bereit erklärt, vor dem Launch im August ein Angebot zu formulieren und «Sweach» kostenlos zu testen (Stand: 26. März 2014).

Die Bartering-Onlineplattform

Das Unternehmen «Sweach» ist ein Zürcher Start-up, das sich das ehrgeizige Ziel gesetzt hat, Gegengeschäfte ins Zeitalter des Web 2.0 zu überführen. Mit dem B2B-Online-Marktplatz soll ein neues Tool geschaffen werden, auf dem ausgewählte Unternehmen freie Kapazitäten und Restposten gewinnbringend bewirtschaften und ihr B2B-Netzwerk erweitern können. Die Bewirtschaftung freier Kapazitäten auf der Plattform erfolgt stets durch Zusatz­geschäfte ausserhalb der angestammten Kanäle und Kundenbeziehungen. Die Unternehmen entscheiden immer selbstständig, wann, an wen und was sie verkaufen.

«Sweach» basiert auf der Idee des multilateralen Gegengeschäfts: Bei den heute üblichen, bilateralen Gegengeschäften sind Unternehmen gezwungen, bei jenem Unternehmen einzukaufen, an das sie verkaufen. Auf Sweach entfällt dieser Zwang: Die Unternehmen verkaufen zu ihren normalen Listenpreisen und erhalten Credits in entsprechender Höhe. Diese können sie für die Beschaffung benötigter Produkte oder Dienstleistungen bei Lieferanten ihrer Wahl einsetzen.

Die Bewirtschaftung freier Kapazitäten und Restposten auf dem Online-Marktplatz soll drei Vorteile bieten:

1. Zusatzverkäufe ohne Eingriff in die Preisstrategie

Obschon die Unternehmen bei Sweach zu Listenpreisen verkaufen, profitieren die Käufer von einem nichtnominellen Preisvorteil, der sich aus der Bezahlung mit eigenen Leistungen ergibt.

2. Gezielte Ansprache von Neukunden im B2B-Bereich

Ein Zusatzverkauf ist der Anfang einer neuen Kundenbeziehung und damit auch ein Lead für das primäre Verkaufsgeschäft.

3. Einkäufe mit eigenen Leistungen bezahlen

Auf der Plattform beschaffen Unternehmen liquiditätsschonend und zu Selbstkosten Produkte und Dienstleistungen. Dies ist insbesondere interessant, weil die für den Einkauf verwendeten Cre-dits durch Zusatzverkäufe, das heisst zu den variablen Kosten, erworben werden können.

Der Launch von «Sweach» wird im August 2014 erfolgen.