Marketing & Vertrieb

Internationalisierung

Wie das Internet die Exportperformance verbessert

Studien zeigen, dass die Nutzung des Internets für das Exportgeschäft grosse Potenziale bietet, die von den Schweizer KMU nicht vollumfänglich genutzt werden. Der stärkere Einbezug internetbasierter Dienste in den Exportprozess kann KMU helfen, ihre internationale Reichweite kosteneffizient zu erhöhen.
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Nicht zuletzt seit der Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses stehen exportorientierte Schweizer KMU vor der Herausforderung, neue internationale Absatzmärkte zu erschliessen und gleichzeitig Kosteneinsparungen zu realisieren. Dies ist keine leichte Aufgabe, da der Eintritt in neue Märkte in der Regel mit erheblichen Investitionen verbunden ist.

Das Internet eröffnet kleinen und mittleren Unternehmen kosteneffiziente Möglichkeiten, Auslandsmärkte zu erschliessen sowie zu bearbeiten. In den letzten Jahren hat sich die Verbreitung des Internets weltweit stark ausgeweitet. Dies erlaubt eine zunehmende Digitalisierung des internationalen Handels. Dabei bietet das Internet nicht nur Chancen für die Intensivierung von Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen und Endkunden («Business-to-Consumer» oder «B2C»), sondern auch zwischen Unternehmen («Business-to-Business» oder «B2B»).

Exportkanal Internet

Beim internetbasierten Export werden für die Erschliessung und Bearbeitung des Auslandsmarktes systematisch internetspezifische Dienste zur Informationsbeschaffung, Kommunikation und Transaktion eingesetzt. Internationale Studien belegen, dass die Nutzung des Internets positiv mit der Exportperformance korreliert. Eine Studie des Schweizerischen Instituts für Entrepreneurship der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur hat jedoch aufgezeigt, dass die Schweizer Exporteure das Potenzial des Internets vielfach unterschätzen und vor allem auf klassische Online-Marketing-Instrumente wie eigene Website, Suchmaschinenoptimierung und E-Mail-Marketing setzen. Webshops, Online-Marktplätze sowie Fulfillment-Partner werden bisher hingegen kaum genutzt.

Basierend auf dem anschliessend geschilderten Beispiel eines Schweizer Familienunternehmens zeigt der vorliegende Artikel, wie Auslandsmärkte mithilfe von Webshops, Online-Marktplätzen und Fulfillment-Partnern bearbeitet werden können und welche Herausforderungen und Chancen dabei bestehen.

Schweizer KMU können das Internet für ihre Exportaktivitäten auf verschiedene Weise nutzen. Zu den wesentlichen internetbasierten Vertriebskanälen zählen Webshops, Online-Marktplätze und Fulfillment-Partner.

Webshop

Mithilfe eines eigenen Webshops können Schweizer KMU ihre Produkte auch Kunden im Ausland zum Verkauf anbieten. Beim Betrieb eines international ausgerichteten Webshops sind zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen. Bei der Planung des Angebots gilt es zu beachten, dass sich die Produktanforderungen, die Preisgestaltung, die Versandkosten, die Steuersätze, die Grössen- und Gewichtangaben, die Verpackungs- sowie Kennzeichnungspflichten je nach Exportland unterscheiden können.

Ebenfalls sind die Zollbestimmungen für die Webshops zu berücksichtigen, da durch sie Kosten anfallen, die üblicherweise zu Lasten des Kunden gehen. Zudem ist der Umgang mit Kundendaten ein zentrales Thema: Einerseits müssen diese sicher geschützt sein, andererseits können mit Analysetools wichtige Erkenntnisse zum Kundenverhalten abgeleitet werden. Diese Erkenntnisse ermöglichen es, die Marketingstrategien für die jeweiligen Zielländer zu optimieren. Auch im B2B-Geschäft gewinnen Webshops zunehmend an Bedeutung.

Online-Marktplätze

Online-Marktplätze sind internetbasierte Plattformen, die Anbieter und Kunden virtuell zusammenbringen. Exportorientierte Schweizer KMU können von der hohen Bekanntheit, grossen Reichweite und internationalen Präsenz der Marktplätze profitieren. Beispiele für international breit abgestützte Marktplätze sind Alibaba, Amazon, Ebay oder Indiamart. Die Gebührenmodelle der Marktplätze unterscheiden sich je nach Betreiber. In der Regel beinhalten sie eine fixe Grundgebühr plus eine zusätzliche Verkaufsprovision. Die Gebühren sind je nach Marktplatz und Land (auch bei demselben Marktplatz) teilweise stark unterschiedlich und müssen bei der Kalkulation berücksichtigt werden. Neben B2C-Marktplätzen gewinnen auch B2B-Marktplätze immer stärker an Bedeutung, etwa in der Automobilbranche.

Fulfillment-Partner

Als Fulfillment-Partner wird ein Dienstleister bezeichnet, der Aufgaben rund um das Online-Geschäft übernimmt. Die angebotenen Leistungen umfassen Tätigkeiten wie Bestellungsannahme, Lagerung, Kommissionierung, Transport, Auslieferung, Zahlungsmanagement, Retourenbearbeitung sowie After-Sales-Service. Zu den grossen international tätigen Ful­fillment-Dienstleistern gehören DHL, Kühne und Nagel oder Amazon. Wesentlicher Vorteil von Fulfillment-Partnern ist ihre Spezialisierung. Für exportorientierte Schweizer KMU kann es aufgrund ihrer beschränkten Ressourcen sowie ihres beschränkten Know-hows von Vorteil sein, das onlinebasierte Auslandsgeschäft durch einen spezialisierten Fulfillment-Partner abwickeln zu lassen.

Der Anwendungsfall

Das vorliegende Fallbeispiel zeigt, wie ein mittelgrosses Schweizer Familienunternehmen Webshops, Online-Marktplätze und Fulfillment-Partner zum internationalen Vertrieb seiner Produkte nutzt. Nennen wir das Unternehmen Swiss Famex. Als Schweizer Traditionsunternehmen blickt Swiss Famex auf eine langjährige erfolgreiche Firmengeschichte zurück. Über die Jahre hat Swiss Famex sein Produktportfolio diversifiziert und bietet verschiedene hochwertige Produkte im Non-Food-Bereich an. Das Unternehmen ist sehr stark exportorientiert: Gut 90 Prozent des gesamten Umsatzes werden im Ausland erzielt.

Der internationale Vertrieb von Swiss Famex ist diversifiziert. In strategisch wichtigen Auslandsmärkten hat das Unternehmen eigene Ländergesellschaften gegründet. In einigen dieser Länder betreibt das Unternehmen eigene Verkaufslokalitäten in Form von Flagship-Stores. Die Ländergesellschaften sind in B2B- und B2C-Einheiten unterteilt. Die B2C-Abteilungen sind für die unternehmenseigenen Stores sowie das Online-Geschäft im jeweiligen Land verantwortlich. Die B2B-Abteilungen kümmern sich um die lokalen Händler. In anderen Auslandsmärkten erfolgt der Vertrieb ausschliesslich mithilfe von unabhängigen Dritten. Diese agieren als Hauptimporteure, Distributoren, Grossisten oder direkte Wiederverkäufer.

Im Rahmen einer Multichannel-Strategie hat Swiss Famex beschlossen, sein Online-Geschäft sukzessive auszubauen. Unternehmenseigene Webshops sollen dazu beitragen, weitere Marktanteile zu gewinnen. Die Kombination aus Webpräsenz und stationären Stores wird als besonderer Mehrwert gesehen: Ein Kunde kann ein Produkt im Webshop erwerben, für Beratung und Umtausch aber eine physische Verkaufslokalität aufsuchen. Derzeit betreibt Swiss Famex eigene Webshops in Deutschland und den USA. Weitere Webshops, unter anderem in Grossbritannien, sind geplant. Der Unterhalt der Webshops, das Online-Marketing sowie die Auftragsabwicklung werden von den unternehmenseigenen Ländergesellschaften übernommen.

Die Präsenz auf Online-Marktplätzen beruhte nicht auf einer strategischen Ini­tiative von Swiss Famex. Dennoch sind Swiss-Famex-Produkte mittlerweile über verschiedene Online-Marktplätze wie Amazon, Dangdang, Gome, JD, Tmall oder Yihaodian erhältlich. Dadurch werden Nordamerika, Europa und China abgedeckt. Zum einen erhielt Swiss Famex Anfragen von Markplätzen, die für das Unternehmen als Fulfillment-Partner tätig werden wollten. Die Geschäftsabwicklung mit diesen Partnern unterscheidet sich im Grunde nicht von derjenigen mit anderen Drittunternehmen. Swiss Famex hat nach Übergabe der Produkte an den Fulfillment-Partner keinen Einfluss mehr auf den Verkaufsprozess.

Zum anderen vertreiben Drittunternehmen Swiss-Famex-Produkte über diverse Online-Marktplätze. So wurde Swiss Fa-mex in China von lokalen Wiederverkäufern auf einen schnell wachsenden Online-Marktplatz aufmerksam gemacht und gebeten, hierfür offizielle, digitale Inhalte zur Verfügung zu stellen. Diese werden von den Wiederverkäufern verwendet, die den Unterhalt des Auftritts und den Auftragsabwicklungsprozess ohne weitere Unterstützung durch Swiss Famex abwickeln. Derzeit erwägt Swiss Famex jedoch, einen eigenen, virtuellen Flagship-Store auf dem Online-Marktplatz einzurichten.

Dadurch, dass ganz verschiedene Anbieter Swiss-Famex-Produkte zum Teil über den gleichen Online-Marktplatz vertreiben, vergrössert sich das Angebot, was zu einem erhöhten Wettbewerb und einem Preiskampf führt. Dies schlägt sich wiederum in den Preisverhandlungen mit den Fulfillment-Partnern und anderen Drittanbietern nieder. Ausserdem torpediert diese Entwicklung die Multichannel-Strategie von Swiss Famex, da Produkte auf Online-Marktplätzen häufig deutlich günstiger angeboten werden als im unternehmenseigenen Webshop.

Insgesamt beurteilt das Unternehmen den internetbasierten Export jedoch positiv. Mittlerweile liegt der Online-Anteil am Auslandsumsatz bei rund 20 Prozent, bei klar steigender Tendenz.

Praxistipps

Das Beispiel von Swiss Famex zeigt, dass Online-Kanäle eine vielversprechende Alternative beziehungsweise Ergänzung zu den traditionellen Kanälen darstellen, um ausländische Märkte zu erschliessen und zu bearbeiten. Vor Beginn der internetbasierten Exportaktivitäten müssen jedoch strategische Überlegungen stehen, und es gilt, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Online-Kanäle abzuwägen. Ob der internetbasierte Export mittels eines unternehmenseigenen Webshops, via Online-Marktplätze oder mithilfe von Fulfillment-Partner vorangetrieben werden sollte, hängt unter anderem von den Produkteigenschaften, der Zielgruppe, dem Auslandsmarkt sowie den Ressourcen und dem Know-how des Unternehmens ab.

Bei Produkten im Hochpreissegment mit hoher Wertigkeit bieten unternehmenseigene Webshops die Möglichkeit einer engen Markensteuerung, sind aber von ihrer Reichweite limitiert. Für KMU mit geringer Bekanntheit und beschränkten IT-Ressourcen bietet sich eine internationale Marktbearbeitung mithilfe von Online-Marktplätzen an. Diese verfügen in der Regel über eine grosse Reichweite, bergen aber die Gefahr, die Exklusivität zu verwässern und einen Preiskampf zu entfachen. In beiden Fällen muss das Unternehmen sicherstellen, dass die nötigen Strukturen vorhanden sind, die eine effiziente Abwicklung des Auslandsgeschäftes gewährleisten.

Sollte ein KMU über diese Ressourcen nicht verfügen und diese auch nicht aufbauen wollen, besteht die Möglichkeit, dies an einen Fulfillment-Partner auszulagern. Neben den finanziellen Aspekten eines solchen Outsourcings gilt es zu bedenken, dass man weite Teile der Gestaltung, Pflege und Kontrolle der Kundenbeziehung aus den Händen gibt.

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