Marketing & Vertrieb

Arbeitspsychologie

Wie Culture Hacking das E-Commerce optimiert

Unternehmen, deren digitale Customer Journeys die menschlichen Entscheidungsmuster berücksichtigen, erhöhen nicht nur die Benutzerfreundlichkeit ihrer Seiten und Shops, sondern auch die Conversion Rate und damit die Verkäufe. Der Beitrag zeigt, wie menschliche Verhaltensweisen und Unternehmenserfolg zusammenhängen.

Rund 20 000 Entscheidungen trifft der Mensch pro Tag, 95 Prozent davon intuitiv, nach unbewussten Entscheidungsmustern (Behaviour Patterns). Wie kann man diese Muster nutzen, um ein Unternehmen auf Erfolgskurs zu bringen? Nachfolgend vier Beispiele dazu.

Gesetz der Trivialität

Das aus dem Jahr 1957 stammende «Gesetz der Trivialität» von C. Northcote Parkinson zeigt auf, dass Menschen häufig trivialen Themen überproportional Gewicht beimessen, anstatt sich mit den wichtigeren, aber komplexeren Themen zu befassen. Menschen konzentrieren sich gern auf einfache Probleme und schieben die komplizierten beiseite. Durch einen «Sammeln und Sortieren»-Prozess kann diesem häufig vorkommenden Phänomen entgegengetreten werden. Unser Tipp:

  • Sammeln Sie im Rahmen eines Brainstormings alle Probleme und Herausforderungen, die Ihnen einfallen, auf Post-its.
  • Bilden Sie drei Stapel und sortieren Sie nach Ursachen, Symptomen und Auswirkungen.
  • Richten Sie für die Entwicklung eines Aktionsplans Ihre Aufmerksamkeit auf die Ursachen.

So entsteht höhere Transparenz und die Kernthemen können leichter identifiziert und gelöst werden.

Der Glaube an Autorität

Menschen tendieren dazu, Autoritäten mehr zu vertrauen. In Unternehmen kann dies genutzt werden, um etwa in Projekten Vertrauen und Unterstützung von Teams zu erhalten, indem zunächst die Unterstützung einer Autoritätsperson gewonnen wird. In manchen Fällen ist dieses Verhaltensmuster allerdings hinderlich. Etwa, wenn der CEO bei Innovationsprozessen Vorschläge einbringt und sich plötzlich alles nur noch um dessen Ideen dreht. Unser Tipp:

  • Geben Sie als Vorgesetzter in Workshops die Rolle des Moderators an einen Mitarbeiter ab.
  • Geben Sie den Mitarbeitern die Möglichkeit, Ihre Ideen einzubringen, bevor Sie sich selbst äussern.

Der Ikea-Effekt

Menschen schätzen Gegenstände oder Leistungen höher ein, wenn sie an ihrer Entstehung beteiligt waren. Im Wissen um diesen Effekt können Projekte vorankommen, wenn etwa Kritiker rasch mit ins Boot geholt werden. Unser Tipp:

  • Beziehen Sie zu Beginn eines Projekts gezielt Personen mit ein, die der Initiative kritisch gegenüberstehen könnten. Dadurch sparen Sie später viel Zeit.

Naiver Realismus

Menschen gehen davon aus, dass ihre eigenen Beobachtungen die Realität sind, während andere Menschen als irrational, uninformiert oder voreingenommen wahrgenommen werden. In wirtschaftlichen Zusammenhängen kann diese Eigenart gravierende Auswirkungen haben. Unternehmen etwa, die sich selbst auf dem richtigen Weg sehen, dabei aber relevante Marktentwicklungen ignorieren und letztlich scheitern. Unser Tipp:

  • Erfolgsorientierte Unternehmen sollten die unterschiedlichen Persönlichkeiten und Präferenzen ihrer Mitarbeiter nutzen. Die Zusammenarbeit funktioniert dann gut, wenn möglichst viele Perspektiven berücksichtigt werden.

Behavior Patterns im E-Commerce

Auch Entscheidungen in der digitalen Welt, etwa beim Online-Einkauf oder bei der Auswahl von Informationen, fallen hauptsächlich intuitiv. Dementsprechend sollten Unternehmen ihre digitalen Journeys genau darauf ausrichten. Tatsächlich zielen aber die meisten Online-Angebote auf den rationalen Teil des menschlichen Gehirns ab. Speziell im E-Commerce, wo oftmals nur wenige Sekunden bis zur Entscheidung vergehen, kann die Berücksichtigung von unbewussten Verhaltensmustern oder typischen mentalen Abkürzungen den Usern dabei helfen, Entscheidungen zu treffen. Wie genau? Indem die Kundenperspektive (wie einfach ist es, die Entscheidung zu treffen?) mit der Businessperspektive (wie erhöhen wir die Conversion Rate?) vereint wird. Sechs Beispiele:

Endowed Progress Effect

Der Effekt beschreibt das Phänomen, dass der wahrgenommene Fortschritt auf dem Weg zu einem Ziel die Mühen, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, beeinflusst. Menschen beenden gerne Angefangenes. Dementsprechend helfen etwa Fortschrittsbalken, die bereits einen gewissen Teil als geschafft darstellen, bei der Finalisierung von Prozessen.

Self Efficacy – Selbstwirksamkeit

Wie der Mensch seine eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten einschätzt, das beeinflusst nicht nur sein Denken, sondern auch sein Handeln. Systeme, die den User auf seinem Weg durch die Customer Journey immer wieder bestärken und motivieren, helfen ihm damit, sie auch zu Ende zu bringen. Dies kann im E-Commerce zum Beisiel durch gezieltes Framing und darauf optimierte Formulierungen erreicht werden. Besonders relevant ist dies in Prozessen mit mehreren Schritten, wie zum Beispiel Checkout.

Barnum Effect

Menschen neigen dazu, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Person so zu interpretieren, dass sie als zutreffende Beschreibung empfunden werden. Den Effekt kennt man beispielsweise von Horoskopen. Im E-Commerce kann dies analog mit positiven und motivierenden Aussagen genutzt werden.

Having versus Using Effect

Menschen möchten gerne mehr haben, auch wenn sie es in der Praxis nicht nutzen. Ein typisches Beispiel dafür sind Mobilfunkpakete mit 1 000 SMS monatlich, die von den wenigsten Nutzern tatsächlich verbraucht werden. Daher kann es sich empfehlen, die Produkteigenschaften möglichst umfangreich darzustellen.

Gaze Cueing Effect – Blicklenkung

Mit diesem Begriff wird beschrieben, wie der Blick des Gegenübers den eigenen Blick lenken kann. Das lässt sich im E-Commerce durch Blicke von Personenbildern einsetzen oder auch mit visuellen Cues, etwa Pfeilen. Diese sollten den Nutzer somit in Richtung Conversion-Ziel, also in der Regel Call-to-Actions lenken.

Grosse Wirkung

Unbewusste Verhaltensmuster treffen bei praktisch allen Menschen auf allen Kontinenten zu. Sie sind ein mächtiges Werkzeug. Die Erfahrung beweist ihre Wirkung: Die mittlere Conversion Rate im E-Commerce liegt bei rund zwei Prozent. Mit klassischer Conversion Optimierung ist ein Uplift von 20 Prozent auf 2,4 Prozent möglich. Mit einer behavioral Optimierung dagegen ist eine Verbesserung der Conversion Rate um 52 Prozent auf drei Prozent möglich.

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