Marketing & Vertrieb

Kommunikation

Warum «Purpose» der stärkste Verkäufer ist

Erfolgreiche Unternehmen verkaufen meist nicht nur ein Produkt, sondern eine grosse Idee. Sie zeigen auf, wie sie die Welt ein Stück verbessern wollen. Eine solche Kommunikation mit dem Purpose im Mittelpunkt können gerade auch KMU glaubwürdig umsetzen.
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«Start with Why», empfiehlt der Unternehmensberater Simon Sinek in seinem gleichnamigen Bestseller. Darin zeigt er auf, dass bei vielen legendären Unternehmerpersönlichkeiten am Anfang ihres Wirkens immer die Frage nach dem Warum stand. So gelang es ihnen, ihr Team zu Höchstleistungen zu motivieren und Kunden zu begeistern. Sineks zentrale These: Menschen kaufen nicht, was ein Unternehmen macht; sie kaufen, warum das Unternehmen es macht. Damit hat er bei der Veröffentlichung des Buches im Jahr 2009 eine Diskussion ausgelöst, die bis heute anhält. 

Trend zu bewusstem Konsum

Inzwischen wird das Warum oft mit dem englischen Begriff «Purpose» überschrieben. Er bedeutet so viel wie «Sinnhaftigkeit». Der Purpose definiert den Daseinszweck eines Unternehmens, den Sinn seines Handelns, seine Aufgabe für die Gesellschaft. 

Die Frage nach dem Sinn hat mit dem ­Erwachsenwerden der Generation Y an Fahrt gewonnen, die zuweilen auch als «Generation why» bezeichnet wird. Sie rückt die Verantwortung von Unternehmen für die Gesellschaft ins Zentrum. 
Die sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen des persönlichen Konsums sind in den Mittelpunkt gerückt und damit auch jene der Firmen, die mit der Konsumation unterstützt werden.

Darum ist eine klare Haltung der Unternehmen gefragt. Die Menschen wollen von ihnen wissen, wie sie mit ihren Kunden und Mitarbeitenden umgehen, welche Positionen sie vertreten und wie sie sich etwa für Gesellschaft, Umwelt, Menschenrechte, Diversität und Gender Equality engagieren.

Gesteigerte Performance

Um die wirtschaftlichen Vorteile eines glaubwürdigen Purpose zu ermitteln, befragte das Beratungsunternehmen Accenture für eine Studie weltweit 30 000 Personen. 62 Prozent der Befragten erwarten von einem Unternehmen ein aktives Engagement für die ihnen wichtigen Themen. Weiter wurden die Teilnehmenden gefragt, welche Faktoren abgesehen von Qualität und Preis beeinflussen, ob sie eine Marke kaufen oder nicht. 52 Prozent nannten einen übergeordneten Sinn – etwas Grösseres, das mit den eigenen Werten übereinstimmt. 

Die Studie «Purpose. Die grosse Unbekannte» der beiden Unternehmen Kienbaum und Human Unlimited wiederum untersuchte die Meinung von 1300 Führungskräften und Mitarbeitenden aus dem deutschsprachigen Raum. Zwei Drittel der Befragten in Unternehmen mit einem bewusst eingeführten Purpose beobachten positive Effekte auf die Gesamtperformance. Drei Viertel berichten von einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Zudem fällt es Unternehmen mit einem ausgeprägten Purpose gemäss der Studie leichter, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen.

Mythen zum Purpose

Trotz solcher Resultate halten sich hartnäckig verschiedene Mythen rund um eine Purpose-getriebene Unternehmensführung. Erstens befürchten Führungskräfte, die starke Betonung des Purpose könnte zumindest kurzfristig den Gewinn schmälern, weil dessen Optimierung in den Hintergrund rückt. Doch wie die erwähnten Studien belegen, lohnt sich der Fokus auf den Purpose durchaus, weil er die Zahlungsbereitschaft von vielen Konsumierenden erhöht. Ein zweites Missverständnis lautet, Unternehmen müssten ein Engagement für die ganze Gesellschaft erbringen. Doch gerade bei KMU sieht das oft anders aus. Ihre «Licence to operate» besteht meist darin, entweder für eine beschränkte Zielgruppe oder für die Menschen in einem kleinen geografischen Gebiet ei­nen Mehrwert zu erbringen. Damit lautet der Purpose eines Gewerbebetriebs logischerweise anders als jener eines weltweit agierenden Konzerns.

Viele Unternehmen haben zudem den Eindruck, der Purpose müsse heute zwingend auf Ökologie oder soziale Gerechtigkeit eingehen. Zwar sind das besonders wichtige Faktoren. Aber längst nicht immer hat die grosse Idee damit zu tun. 

Dies zeigt das Beispiel des Motorradherstellers Harley-Davidson. Sein Purpose lautet, den Kunden ein Freiheitsgefühl zu schenken. Wer ein Motorrad dieser Marke kauft, tut es meist auch wegen des damit verbundenen Lifestyles, der für Abenteuer, einen Schuss Rebellion und unerwartete Begegnungen mit anderen Motorradfans steht. Der klare Purpose des Unternehmens macht das Produkt besonders begehrenswert.

Marketing als Hüter 

Glaubwürdig ist ein solches Purpose-getriebenes Marketing allerdings nur, wenn Reden und Handeln übereinstimmen. 

Bevor der Purpose kommuniziert wird, sollten zumindest erste Nachweise für die konsequente Ausrichtung darauf erbracht sein. Das bedeutet, dass sich das gesamte Unternehmen damit beschäftigt und die Definition des Purpose zunächst schärft. Dabei helfen Fragen wie:

  • Warum braucht es uns und unsere Produkte – heute und in Zukunft?
  • Welches Problem unserer Kunden lösen wir?
  • Was treibt uns als Team an?
  • Wie wollen wir die Welt verändern?
  • Für welche Folgen unseres Handelns wollen wir besondere Verantwortung übernehmen?

Den Verantwortlichen für Marketing und Kommunikation kommt dabei die Rolle zu, die Entwicklung zu einer Purpose-getriebenen Unternehmenskultur anzustossen und zu orchestrieren. Dadurch erhalten sie innerhalb der Organisation eine neue strategische Aufgabe und verteidigen den Purpose. Planen zum Beispiel andere Teams aus wirtschaftlichen Gründen Aktivitäten, die dem Purpose zuwiderlaufen, macht das Marketing darauf aufmerksam oder hat sogar ein Vetorecht.

Wert des Marketings aufzeigen

Mit dieser neuen Rolle erhält das Marketing die Gelegenheit, den eigenen Wert sichtbar zu machen – bisher eine Schwäche vieler Marketingabteilungen. Einerseits fehlt oft eine systematische Erfolgskontrolle der Kommunikationsaktivitäten und damit der Beweis, wie das Marketing zum Erreichen der Unternehmensziele beiträgt. Andererseits verzetteln sich die Marketingprofis häufig mit kleinteiligen operativen Arbeiten. Als Folge wird das Marketing als Kostenblock statt als Investition wahrgenommen. Eine Purpose-getriebene Tätigkeit von Unternehmen mit den Kunden im Zentrum bietet nun die Chance für eine neue Sinn­haftigkeit auch im Marketing. Der Chief Marketing Officer kann sich als oberster Kundenversteher positionieren und zusammen mit seinem Team die Kundenerlebnisse rund um den sinnhaften Konsum gestalten. Geschieht dieser Prozess anhand von Daten und transparenten Kennzahlen, gehen Purpose und Performance Hand in Hand.

Der goldene Kreis 

Nach aussen richtet das Marketing dazu die gesamte Kommunikation auf den Purpose aus. Das beginnt damit, den Unternehmenszweck in eine kundengerechte Sprache zu übersetzen. Bestehende und potenzielle Kunden sollen erfahren, weshalb es gerade dieses KMU und seine Leistung braucht, welche positiven Effekte ein Kauf bei ihm hat. So lässt das Unternehmen die Konsumierenden am Purpose teilhaben.

Beim Formulieren der zentralen Botschaften für die Kommunikation hilft der «Golden Circle», den Simon Sinek im eingangs erwähnten Buch vorstellte. Im innersten Kreis steht das Warum, im zweitinnersten das Wie. Erst ganz aussen folgt das Was. Unternehmen mit mässigem Erfolg machen laut Sinek oft den Fehler, von aussen nach innen zu kommunizieren und das Warum zu vernachlässigen. Weiter empfiehlt es sich, Positionen zu jenen gesellschaftlichen Themen vorzubereiten, welche die eigene unternehmerische Tätig­keit betreffen. Denn eine glaubwürdige Purpose-Kommunikation erfordert, aktiv Stellung zu beziehen. Sind die Botschaften definiert, legt das Unternehmen fest, über welche Kanäle es sie kommuniziert. Denn das ist nötig. Zu glauben, die Zielgruppen würden den Purpose und das Handeln danach mit der Zeit selbst erkennen, erweist sich meist als Trugschluss. Die Kommunikation auf den Purpose auszurichten, ist sogar dann schon legitim, wenn er noch nicht in der gesamten unternehmerischen Tätigkeit verankert ist.

Den roten Faden durchziehen

Eine authentische Purpose-Kommuni­ka­tion bedeutet, über Schwächen und Rückschläge auf dem Weg Richtung Purpose genauso zu sprechen wie über die erreichten Zwischenziele. Dieser transparente Dialog mit den Zielgruppen bietet viele Chancen, schafft Interesse bei potenziellen Kunden und stärkt die Bindung bei bestehenden. Im besten Fall fliesst der Purpose in den ganzen Auftritt des Unternehmens ein. Das beginnt schon bei der Sprache. Zum Beispiel bestimmt die grosse Idee darüber, ob die Zielgruppen per Sie oder per Du angesprochen werden. Siezen gilt als höflich und seriös, wirkt aber zugleich distanzierter. Es eignet sich etwa für KMU, deren Purpose mit einem Sicherheitsaspekt verbunden ist. Duzen schafft Nähe und signalisiert eine Verschiebung vom geschäftlichen in den privaten Bereich. Deshalb empfiehlt sich die Du-Ansprache zum Beispiel für ­Firmen mit einem Purpose im Bereich Lebensfreude und Spass.

Bei der Bildsprache wiederum setzen Purpose-getriebene Unternehmen auf authentische, eigenständige Bilder statt auf generische. Die Kosmetikmarke Dove ist hier buchstäblich ein Vorbild. Passend zum Purpose zeigt sie auf ihren Bildern Frauen genauso, wie sie im wirklichen ­Leben aussehen, und verzichtet auf di­gitale Bildbearbeitung.

Purpose sichtbar machen

Weitere Elemente des kommunikativen Auftritts von KMU sind unter anderem Farben, Schriften und Materialien. Alle davon bieten die Gelegenheit, den Purpose implizit mitzuführen. 

Besonders wirkungsvoll gelingt das etwa mit den Instrumenten des Dialogmar­ketings. Bei adressierten Mailings beispielsweise lassen sich Bestandteile, Formate, Materialien und Veredelungen so wählen, dass sie den Purpose unterstreichen und mit mehreren Sinnen erlebbar machen.

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