Nur wenige Unternehmen schaffen es wirklich, sich aus Sicht ihrer Kunden von ihren Konkurrenten deutlich abzugrenzen. In vielen Branchen muss man das Gegenteil beobachten. Viele Unternehmen, die im Verdrängungswettbewerb um die Gunst der Kunden konkurrieren, werden sich ähnlicher, anstatt auf Abstand zu gehen – in vielen Dimensionen, die man zur Differenzierung nutzen könnte, zum Beispiel:
- im Angebotsspektrum, wo Unternehmen dazu tendieren, alle potenziellen Kategorien abzudecken, die auch von den Wettbewerbern erschlossen werden;
- bei den Leistungswerten der Produkte oder Services, die sich in extremen Fällen nur noch durch den darauf stehenden Namen unterscheiden lassen;
- in den Werbeaussagen, die oft mit austauschbaren Motiven zu emotionalisieren versuchen oder oberflächlich bleiben, wie zum Beispiel «Innovation aus Tradition» oder «Leistung aus Leidenschaft»;
- im Preis, bei dem sich viele auf vermeintliche Preisschwellen einschwingen – und die Austauschbarkeit mit der Konkurrenz auch im Wert zum Ausdruck bringen;
- im visuellen Auftritt, wo sich zum Teil ganze Branchen auf überraschend einheitliche Gestaltungsmuster, -elemente und Bildwelten eingeschwungen haben;
- im Verhalten und Auftreten der Mitarbeiter gegenüber den Kunden; ob in der Service-Hotline, in der Beratung oder im Vertrieb;
- an den Verkaufspunkten, an denen die Produkte einer Marke in vielen Fällen in Kategorien fragmentiert präsentiert werden, eng zusammen mit Wettbewerbern und Handelsmarken.
Eine übertriebene Marktorientierung und überzogene Effizienzsteigerung schwächen die Wettbewerbskraft
Warum ist es so schwierig, das theoretisch klare Ziel der Differenzierung in der Praxis umzusetzen? Aus unserer Sicht liegt es oft an einem Prozess, der unbeobachtet im Hintergrund abläuft. Ohne es zu bemerken, sind viele Unternehmen heute geprägt von zwei «Programmen», die dem Aufbau von Differenzierung zuwiderlaufen: die übertriebene Marktorientierung sowie die überzogene Effizienzsteigerung. Im Bemühen, das eigene Geschäft zu optimieren, pendelt man zwischen den Extremen hin und her. Dabei werden jegliche Differenzierungsmerkmale aufgerieben.Die Marktorientierung ist an sich eine gute Sache. Ihr Ziel ist es, dass sich ein Unternehmen möglichst nah an den Bedürfnissen seiner Kunden ausrichtet und so relevante Leistungen anbieten kann. Unsere Erfahrung ist jedoch, dass die Marktorientierung schnell vom Mittel der Zielerreichung zum Ziel selber wird und sich Unternehmen viel zu unkritisch vermeintlich marktorientiert aufstellen. Die Folge ist eine immer kurzfristigere Ausrichtung an den per Marktforschung erfassbaren Kundenwünschen, Wettbewerbsaktivitäten und Trends. Eine Bewertung, ob etwas davon im Sinne der eigenen Positionierung ist und ob Nachhaltigkeit gewährleistet ist, kommt zu kurz. Zu oft muss man beobachten: Marktinformationen werden ohne kritische Selbstbewertung zu direkten Entscheidungsparametern. Man beschränkt sich auf das Reagieren. Unter Umsatz- und Wachstumsdruck wird das Sortiment breiter. Neue Kategorien werden erschlossen, ohne noch Unterscheidungsmerkmale darzustellen. Das Unternehmen wird in seinem Handeln zunehmend fremdbestimmt. Da alle Wettbewerber auf ähnliche Weise ihre Entscheidungen auf Basis ähnlicher Informationen treffen, führt dies dazu, dass sie immer ähnlichere Angebote schaffen.
Auch die Effizienzsteigerung ist an sich grundsätzlich unerlässlich, will man seinen Kunden konkurrenzfähige Preise bieten und dabei noch etwas verdienen. In einigen Unternehmen ist das pure Kostensenken aber zu einem alles bestimmenden, nicht länger hinterfragten Programm geworden. Derart automatisiert führt es dazu, dass Qualitäten und differenzierende Leistungsspitzen abgebaut werden, die das Unternehmen aus Kundensicht zu etwas Besonderem gemacht haben. Die Konsequenz davon: Auf kurz oder lang sinkt die Zahlungsbereitschaft der Kunden; der Abverkauf der Produkte und Services gerät ins Stocken.