Marketing & Vertrieb

Mitarbeiterentwicklung

Vom Fachspezialisten zum Verkäufer

Anspruchsvolle Produkte benötigen im Verkauf auch eine anspruchsvolle Beratung. Häufig verfügen die Hersteller zwar über Personal mit hoher Fachkompetenz, die aber gleichzeitig wenig oder keine Vertriebserfahrung haben. So bleibt in den Unternehmen das eigentliche Absatzpotenzial ungenutzt.
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Ein Hersteller von Wasseranalyseverfahren ist auf das Fachwissen seiner Vertriebsmitarbeiter angewiesen. Alle Verkäufer haben einen Background im Naturwissenschafts- oder Laborbereich. Ein Produzent von Gelenkimplantaten arbeitet im Verkauf ausschliesslich mit medizinisch ausgebildetem Personal. Ein Spezialist für Industrie-Estrich setzt im Vertriebsteam auf Ingenieure und Architekten.

Wenig Verkaufskompetenz

Das sind nur einige Beispiele, die für viele Unternehmen im B2B-Bereich stehen. Firmen, die technisch oder wissenschaftlich anspruchsvolle Produkte verkaufen, sind auf hohe Fachkompetenz bei ihren Vertriebsmitarbeitern angewiesen. Die Kehrseite: Häufig sind diese Fachleute keine guten Verkäufer oder noch schlimmer: Sie weigern sich bisweilen sogar, sich überhaupt als Verkäufer zu bezeichnen und entsprechend zu agieren. Die Folge: Die Firmen machen weniger Geschäft und Umsatz, als sie könnten.

Die Ursachen für dieses Phänomen sind vielfältig:

1. In vielen Fällen spielt schon bei der Rekrutierung und Einstellung von Mitarbeitern die Fachkenntnis eine so grosse Rolle, dass die verkäuferischen Fähigkeiten nicht oder zu wenig geprüft werden. Die Annahme: Wer sich fachlich auskennt, kann das mit dem Verkaufen auch noch lernen. Die Fachspezialisten sehen sich dann häufig von Anfang an eher in der Rolle eines Beraters als eines Vertrieblers.

2. Über den Beruf des Verkäufers existieren viele Vorurteile und Missverständnisse. Verkäufer gelten bei vielen als unehrlich. Sie überrumpeln arme Kunden, manipulieren und machen sich hinterher aus dem Staub. Jeder der Fachspezialisten hat schon schlechte Verkäufer erlebt oder von ihnen gehört und interpretiert: So muss ich dann auch sein. Dass die Vertriebswelt im B2B-Bereich sachlicher, professioneller und partnerschaftlicher ist, wird oft nicht erkannt.

3. Ingenieure, Wissenschaftler oder Techniker wählen diese Berufe selten, um später in den Vertrieb zu gehen. Vom Menschentyp her sind sie häufig eher analytisch, genau und sachlich. Im Gegenzug fehlt es allerdings an Offenheit, Extrovertiertheit und kommunikativen Fähigkeiten. Die Kontaktfreude, die einen guten Verkäufer ausmacht, ist aber nicht so ohne Weiteres zu erlernen.

4. Führungskräfte im Vertrieb mahnen zwar oft fehlenden Umsatz an, geben aber wenig Hilfestellung, wie dieser besser erreicht werden kann. Noch problematischer wird die Situation, wenn Verkaufsleiter zwar selbst gute Verkäufer sind, aber ihre Führungsqualitäten nie geprüft wurden. Gezielte Förderung und Ausbildung von Vertriebsmitarbeitern ist unter solchen Voraussetzungen nur schwer möglich.

5. Viele Firmen, die technisch hochstehende und innovative Produkte ver­treiben, können oft lange von ihren
Produktvorteilen leben. Die Vertriebsmitarbeiter werden sich selbst überlassen und erfahren wenig Umsatzdruck. Die Produkte verkaufen sich quasi von selbst. Wenn sich das Blatt mit der Zeit wendet, weil schlagkräftige Wettbewerber den Markt erobern, wird der Vertrieb plötzlich gefordert. Doch sinnvolle Verkaufsfähigkeiten, -abläufe und -strategien sind bis dahin oft nicht entwickelt worden, weil es «ja auch so ging». Viel zu spät wird erst in Krisensituationen in die Verkäuferausbildung investiert.

Vertriebsorientiert rekrutieren

Schon im Einstellungsprozess sollten Firmen über alternative Wege nachdenken, wenn sie einen zukunftsfähigen und krisenfesten Vertrieb aufbauen wollen. Die Praxis zeigt, dass ein geübter Vertriebler sich eher in ein Fachgebiet einarbeiten kann, als dass ein Fachmann zum Super-verkäufer wird.

Gute und erfahrene Vertriebsmitarbeiter haben zwar oftmals höhere Gehaltsvorstellungen, bringen diesen finanziellen Mehraufwand aber in der Regel schnell wieder ein, wenn sie gute Umsätze erwirtschaften.

In manchen Firmen bewährt sich eine zweigeteilte Struktur aus Vertriebs- und Fachspezialisten. Der Vertriebsmitarbeiter stellt den Kontakt zu Interessenten und potenziellen Kunden her und führt die ersten Gespräche. Für die detaillierte, fachliche Beratung kommt dann später ein Fachexperte mit zum Kundenbesuch.

Wenn das nicht möglich ist, weil die Materie zu kompliziert ist, sollte aber wenigstens die Stellenanzeige schon eindeutig auf die Aufgabe als «Umsatzbringer» hinweisen.

Und auch im Einstellungsgespräch muss diese Anforderung klar und eindeutig kommuniziert werden. Fachleute, die sich darauf nicht einlassen wollen und ihre Bewerbung zurückziehen, würden wahrscheinlich später auch keine guten Verkäufer werden, weil ihnen die Bereitschaft fehlt.

Ausbildung unumgänglich

Dass Verkaufen ohne konkrete Anleitungen oder Seminare zu erlernen sei, ist eine Illusion, die immer noch in vielen Firmen gern gepflegt wird. Vor allem wenn der Firmenchef ein talentierter Autodidakt im Verkauf ist, werden die Mitarbeiter oft mit ihrer verkäuferischen Unkenntnis allein gelassen. Die Folgen sind unstrukturiertes Vorgehen, schlechte Gesprächsführung und fehlende Abschlussstärke. Die unausgebildeten Vertriebsmitarbeiter haben häufig Scheu, Neukunden anzusprechen und pflegen daher stattdessen lieber die immer gleichen Kontakte.

Die gezielte verkäuferische Ausbildung der Fachleute durch interne oder externe Verkaufsspezialisten ist also unumgänglich, um ein schlagkräftiges Vertriebs­team zu entwickeln. Und neben der grundsätzlichen Notwendigkeit von Verkaufsausbildungen spielt hier noch ein anderer Effekt eine Rolle: Denn sehr intellektuell strukturierte Menschen brauchen oft klare Regeln, um zu wissen, wie sie vorgehen können. Erprobte Strategien, Methoden und Modelle helfen deshalb, um sich im Verkaufsprozess mehr zuzutrauen.

Strategie klar formulieren

Klare Ziele sind eine wichtige Orientierungshilfe für Mitarbeiter. Im Verkauf sind diese allerdings oft unklar oder zu ungenau. Rein finanzielle Ziele, wie sie immer noch in vielen Firmen gang und gäbe sind, helfen vertriebsunerfahrenen Mitarbeitern meist nicht weiter. Denn sie geben keine Orientierung, wie der gewünschte Umsatz und Ertrag zu erreichen sind. Je nach Mitarbeitertypus müssen Verkaufsleiter deshalb mehr Input geben.

Hilfreich ist zum Beispiel ein Verkaufsprozess, an dem sich alle orientieren können. Auch Benchmarkzahlen helfen, um die eigene Vorgehensweise zu planen: Wie viele Interessenten muss ein Verkäufer im Schnitt ansprechen, um einen Termin zu bekommen, ein Angebot zu platzieren und am Ende einen Abschluss zu machen? Weichen die eigenen Zahlen von diesen Erfahrungswerten ab, kann schnell und gezielt gegengesteuert werden.

Aber auch klare Vorstellungen darüber, wie Verkäufer des Unternehmens Kunden gegenüber wirken sollen, sind hilfreich, um sich selbst als Verkäufer zu entwickeln. Welche Werte des Unternehmens sollen nach aussen transportiert werden? Welche Vorgehensweise im Verkaufs­ablauf sollen die Vertriebsmitarbeiter verfolgen? Wie ist die Strategie in Preisverhandlungen? Worauf legt das Unternehmen in der Aussenwirkung beson­deren Wert? In vielen Unternehmen herrscht in diesem Punkt Unklarheit. Und selbst die verschiedenen Hierarchie­ebenen im Vertrieb sprechen oft nicht die gleiche Sprache. Die Verkaufsleitung setzt dann zum Beispiel auf langfristige und ganzheitliche Kundenbetreuung, während die Regionalleiter kurzfristi­gen Umsatz fordern. In der Konsequenz macht an der Verkaufsfront jeder Mitarbeiter, was er will und denkt.

Wenn dagegen die Vertriebsstrategie eindeutig definiert ist, können Verkaufsführungskräfte ihre Mitarbeiter konsistent führen und gezielt weiterbilden. Alle ziehen an einem Strang und das Unternehmen kann sich systematisch entwickeln.

Fazit

Technische oder wissenschaftliche Fachleute zu finden, die auch gute Verkäufer sind, ist und bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe. Doch mit der richtigen Herangehensweise lässt sich der Spagat bewältigen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Vertriebsführungskräfte die Problematik wahrnehmen und von Anfang an gezielte Strategien dafür entwickeln.

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