Marketing & Vertrieb

Vertriebseffizienz

Reserven erkennen und gezielt ausschöpfen

Für die Hersteller von Industrie- und Investitionsgütern werden die Verkaufsprozesse durch anspruchsvollere Kunden, komplexere Lösungen und eine immer wieder unsichere Konjunktur zähflüssiger und aufwendiger. Wie Unternehmen mit einer verbesserten Effizienz im Vertrieb dieser Situation begegnen können, zeigt dieser Beitrag?
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Wie entwickelt sich die Wirtschaft – regional, national und international? Die Antwort auf diese Frage steht für viele Unternehmen angesichts der immer wieder aufflammenden Krisen weltweit in den Sternen. Deshalb halten sich die Kunden vieler im B2B-Bereich tätigen Unternehmen aktuell mit Investitionen zurück. So erleben zum Beispiel die Hersteller von Industriegütern seit Monaten ein stetiges Auf und Ab ihrer Auftragseingänge. Also halten auch sie sich mit Anschaffungen zurück, was die Situation verschärft.

Rendite im Fokus

Für viele Unternehmen sind die Chancen auf ein signifikantes Wachstum aktuell eher klein. Deshalb stehen bei ihren Planungen Rendite-Betrachtungen im Vordergrund: Entweder wollen sie mit dem bisherigen finanziellen Aufwand zusätzlichen Ertrag erwirtschaften oder aufgrund wegbrechender Erträge den finanziellen Aufwand reduzieren. Effizienzsteigerung lautet aktuell ihre Maxime im Vertrieb. Das heisst, sie wollen mit den vorhandenen Ressourcen den bestmöglichen Umsatz und Ertrag erwirtschaften. Für die Hersteller und Anbieter von Investitionsgütern bedeutet dies zum Beispiel: Bei rückläufigen Neuinvestitionen im Markt rückt das Geschäft mit Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen, Modernisierungen und Umbauten, Ersatzteilen und Zubehör sowie Dienstleistungen rund um das Warten, Instandhalten und Reparieren der Maschinen und Anlagen stärker in ihren Fokus.

Drei Stellschrauben

Wenn es um das Steigern der Effizienz geht, lassen sich in der Regel drei Bereiche unterscheiden, bei denen Hersteller und Anbieter von Industrie- und Investitionsgütern den Hebel ansetzen können:

  • der Vertriebsinnendienst,
  • der Kundendienst und
  • der Vertriebsaussendienst.

Und wenn es darum geht, die Effizienz dieser Bereiche zu erhöhen, dann stehen ihnen ebenfalls drei Hebel, mit denen sie dieses Ziel erreichen können:

  • die Menschen im Vertrieb,
  • die Vertriebsprozesse und
  • die unterstützenden Verkaufstools wie moderne CRM-Systeme und Angebotsmanagement-Konzepte.

Innendienstler als Verkäufer

Die Vertriebsinnendienste vieler Hersteller von Investitionsgütern verstehen sich – im Gegensatz zu den Aussendienstmitarbeitern – kaum als Verkäufer. Ihre Mentalität entspricht häufig eher der von Verwaltern, die die eingehenden Aufträge und Kundenanfragen verbuchen und der Reihe nach abarbeiten. Entsprechend reaktiv ist ihr Verhalten bei Kundenanfragen – sei es per Telefon oder Mail. Sie erkunden nur selten: Welches weitere Potenzial hat der (potenzielle) Kunde und welche Chance haben wir, den Auftrag zu erlangen? Der Prozess «eingehende Anfragen» sollte mit den Innendienstmitarbeitern durchdacht und trainiert werden. Dadurch kann die Spreu vom Weizen getrennt und die Angebotshitrate erhöht werden, oder es können Potenziale für Zusatzverkäufe, Cross Selling und Folgegeschäfte systematisch genutzt werden.

Angenommen ein Unternehmen interessiert sich für eine Pumpe. Dann fragt ein fitter Verkäufer im Innendienst eines Komplettanbieters nach, welche Armaturen dazu benötigt werden und ob die Pumpe mit einer Drehzahlregelung zur Reduzierung der Energie- und Verschleisskosten und zum Erhöhen des Wirkungsgrads und der Verfügbarkeit ausgerüstet werden soll. Ausserdem fragt er, wie das innerbetriebliche Instandhaltungskonzept des Kunden aussieht und welche Art von Servicevertrag und welche Servicedienstleistungen von Interesse sind.

Nur ein geschulter und motivierter Vertriebsinnendienst nutzt Gesprächspartner-orientiert alle Möglichkeiten des Zusatzverkaufs und Cross Selling. Er erfragt für seine Partner im Aussendienst weitere Auftragspotenziale beim Kunden sowie die Auftragschancen und den Entscheidungsprozess samt Buying-Center. Damit verschafft er den Aussendienstkollegen wertvolle Zeit für eine offensive Neukundenakquisition. Da dies in der Praxis oft nicht geschieht, können die Innendienstmitarbeiter häufig weder einschätzen, welches Potenzial ein Interessent hat, noch welche Chance ihr Unternehmen hat, den Auftrag zu erlangen. Unklar ist ihnen auch, welche Faktoren für seine Kaufentscheidung ausschlaggebend sind. Folglich können sie ihre Angebote auch nicht so kundennutzenorientiert formulieren, dass der Kunde mit einer hohen Wahrscheinlichkeit kauft. In der Regel gleichen ihre Angebotsschreiben einer standardisierten bepreisten Materialauflistung. Das senkt die Angebotshitrate.

Ein professionelles Angebotsmanagement setzt voraus, dass die Anfragen qualifiziert wurden. Braucht der Kunde nur eine Preisinformation oder ein Richtpreis- beziehungsweise Budgetangebot oder ein Verkaufsangebot, weil er morgen etwas bestellen möchte? Das heisst, die Vertriebsmitarbeiter im Innen- und Aussendienst müssen wissen, bei welchen Anfragen sich ein Engagement lohnt – aufgrund des Potenzials des Kunden und der Auftragschance. Wissen sie dies nicht, investieren sie viel Zeit in Anfragen, bei denen keine realistische Auftragschance besteht. Die Folge: Für eine konsequente Angebotsnachverfolgung bei den Kunden, bei denen sich ein Engagement wirklich lohnen würde, haben sie kaum noch Zeit. Oft ist die Angebotshitrate auch schlecht, weil nicht durchdacht ist, ob, wann, wie und durch wen Angebote nachgefasst werden. Definierte Standards und ausgereifte Wiedervorlage- sowie Offer-Tracking-Systeme fehlen entweder oder werden nicht professionell genutzt. Einfache Verkaufstools wie Muster für Nachfassbriefe sowie Leitfäden und Checklisten für entsprechende Telefonate fehlen ebenfalls oder sind nicht auf dem neuesten Stand.

Kundendienst als Ohr am Markt

Viele Hersteller von Investitionsgütern nutzen oft zu wenig die verkaufsunterstützenden Möglichkeiten des Kundendienstes, wenn es um das Steigern der Vertriebseffizienz geht. Er kann den Aussen- und Innendienst unterstützen, entlasten und puschen – zum Beispiel durch Potenzial-, Wettbewerber-, Buying-Center- und Bedarfsanalysen sowie eine Bedarfsweckung bei den Kunden vor Ort. Die Kundendienstmitarbeiter haben drei Vorteile gegenüber den Mitarbeitenden des Vertriebsinnen- und -aussendiensts:

  • Sie werden von den Kunden primär als Techniker und nicht als Verkäufer gesehen. Deshalb begegnen sie deren Empfehlungen mit weniger Vorbehalten.
  • Sie gehen oft in Bereichen der Unternehmen, wie der Fertigung, ein und aus, zu denen die Vertriebsmitarbeiter selten Zutritt haben. Und:
  • Sie kommunizieren bei ihrer Arbeit mit den Mitarbeitern der Kunden auf der Shopfloor-Ebene. Deshalb erfahren sie unmittelbarer als die Vertriebsmitarbeiter, wo es im Betriebsalltag der Unternehmen klemmt und brennt.

Deshalb können sie Kunden zum Beispiel zu Ersatzinvestitionen animieren, bevor es der Wettbewerber tut: «Ich komme ja gerne zu Ihnen zum Reparieren. Aber wirtschaftlich sind die häufigen Reparaturen und damit verbundenen Produktionsausfälle nicht. Ich würde Ihnen empfehlen, ...» Dasselbe gilt für die Erweiterungsinvestitionen, wenn die Kundendienstmitarbeiter vor Ort sehen, dass ein Kunde am Limit arbeitet. Dann können sie ihm den Kauf einer weiteren oder leistungsstärkeren Maschine empfehlen und ein entsprechendes Signal an den Ver-kaufsinnen- und -aussendienst senden.

Ähnlich verhält es sich bei Neuinvestitionen. Oft bekommen es die Kundendienstmitarbeiter als Erste mit, wenn ein Kunde zum Beispiel mit neuen Werkstoffen oder Verfahren experimentiert oder eine neue Produktlinie plant. Auch dann können sie als Ohr am Markt nicht nur eruieren, was der Kunde konkret plant und wo es bei ihm noch hakt. Sie können an den Vertrieb auch ein Signal senden, welcher Bedarf bei dem Kunden vermutlich entsteht und wo somit eine Vertriebschance besteht.

Meistens sind aber die Kundendienstmitarbeiter für diese vertriebsunterstützende Funktion weder ausreichend sensibilisiert noch verkäuferisch geschult und motiviert. Ausserdem gibt es zu wenig Foren und Kanäle für die Kommunikation der Kundendienst- und Vertriebsmitarbeiter. Deshalb werden vertriebsrelevante Informationen nicht oder unzureichend an die Vertriebsmitarbeiter weitergegeben.

Beim Vertrieb von Wartungsverträgen spielt der Kundendienst eine ähnliche Schlüsselrolle. Denn empfiehlt der Vertrieb den Abschluss eines solchen Vertrags, dann sehen die Entscheider in den Betrieben meist nur die Fixkosten, die hierdurch entstehen. Anders ist es, wenn ein Kundendienstmitarbeiter schon zum dritten oder vierten Mal wegen eines Defekts beim Kunden ist. Sagt er «Meint ihr nicht auch, dass es besser wäre, einen Wartungsvertrag abzuschliessen, statt immer wieder panisch anzurufen, wenn eure Maschine stillsteht?», stösst er bei den Verantwortlichen auf mehr Resonanz, als wenn derselbe Impuls von einem Verkäufer ausgeht. Leider kennen die Kundendienstmitarbeiter die Service-Pakete, die ihr Arbeitgeber für seine Kunden geschnürt hat, oft nicht. Und schon gar nicht haben sie das entsprechende Infomaterial oder gar die unterschriftsreifen Verträge parat. Also können sie die Service-Pakete den Kunden auch nicht präsentieren (und verkaufen).

Auch beim Verkauf von Zubehör spielt der Kundendienst eine wichtige Rolle. Bietet der Vertrieb bei Anfragen noch optional Zubehör wie Zuführungen oder Drehzahlregler an, dann streicht der Kunde diese Optionen oft aus der Bestellliste, um die Kosten zu senken. Anders ist es, wenn ein Kundendienstmitarbeiter bei der Montage oder beim Warten der Maschine sagt: «Ich empfehle ihnen, noch eine Drehzahlregelung zur Energiekostenreduzierung einzubauen. Dann haben sie weniger Verschleiss und geringere Ersatzteilkosten.» Dann denken die Verantwortlichen meist ernsthaft über die Empfehlung nach – denn sie kam nicht von einem Verkäufer, sondern von einem Mann aus der Praxis.

Aussendienst gezielt einsetzen

Kundenbesuche sind teuer – auch wegen der damit verbundenen Reisezeiten und -kosten. Entsprechend professionell sollten Aussendienstmitarbeiter ihre Besuche planen. Das ist häufig nicht der Fall. So stellt man zum Beispiel immer wieder fest, dass Aussendienstmitarbeiter regelmässig Stammkunden besuchen, um Kleinaufträge abzuholen, statt darauf hinzuarbeiten, mit ausgewählten Kunden Abrufaufträge oder Rahmenvereinbarungen abzuschliessen, die ihnen viele Kundenbe-suche ersparen.

Ein weiterer Effizienzkiller ist, dass Aus-sendienstmitarbeiter beim Planen ihrer Aktivitäten zwar das Potenzial eines Noch-nicht-Kunden vor Augen haben, jedoch nicht die Chance, den Auftrag zu erlangen. Deshalb verschwenden sie oft Zeit mit jenen Kunden, bei denen sich ein Engagement in dem betriebenen Umfang nicht lohnt – zum Beispiel, weil sie langfristig vertraglich an andere Lieferanten gebunden sind. Und bei der Akquisition von Wettbewerberkunden? Hier gehen die Aussendienst-Mitarbeiter oft mit unrealistischen Zielen und einem psychologisch falschen Argumentationsansatz in die Gespräche – zum Beispiel mit dem fast aussichtslosen Ziel einer kurzfristigen Wettbewerberverdrängung.

Realistischer ist in der Regel der Versuch, zunächst mal Zweit- oder Drittlieferant statt sogleich First-Tier zu werden – dann hat das Unternehmen zumindest mal einen Fuss bei dem «Noch-nicht-Kunden» in der Tür. Bezogen auf das psychologisch richtige Vorgehen, beim Versuch Wettbewerber zu verdrängen, sollten die meist sehr technisch ausgerichteten Vertriebsteams der Investitions- und Industriegüterhersteller in regelmässigem Abstand geschult werden. Schliesslich wollen die Unternehmen mit ihrer Mannschaft in der Champions-League spielen.

Ein typisches Workshopthema ist auch die bessere Potenzialausschöpfung von Kunden – zum Beispiel durch eine Erhöhung des Lieferanteils oder ein Cross-Selling in andere Bereiche. Häufig stellen sich Unternehmen zwar die Frage: «Wie kommen wir an neue Kunden?». Weniger konsequent fragen sie sich jedoch: «Welche anderen Bereiche oder Werke unserer Kunden x oder welche Töchter des Konzerns y, die wir bereits als Kunden haben, könnten ebenfalls unsere Lösungen, Systeme, Produkte und Dienstleistungen gebrauchen?» Dabei wäre hier die Auftragschance oft höher als bei Unternehmen, mit denen die Anbieter noch keinerlei Geschäftsbeziehung haben – vorausgesetzt der Kunde ist mit ihrer Leistung zufrieden.

Dauerbrenner «Preise»

Ein Dauerbrenner, wenn es um das Steigern der Vertriebseffizienz geht, ist das Thema Preise. Viele Anbieter neigen dazu, in wirtschaftlich flauen Zeiten beim Durchsetzen ihrer Preise nachlässig zu werden. Und ihre Vertriebsmitarbeiter? Sie gewähren den Kunden oft vorschnell zu hohe Rabatte. Schliesslich hören sie in fast jedem Kundengespräch: «Sie wissen ja, die Konjunktur ist schlecht. Also müssen Sie uns mit dem Preis entgegenkommen, sonst ...». Entsprechend schnell sind sie zu Preiszugeständnissen bereit, ohne sich bewusst zu sein, wie stark oft schon kleine Preisnachlässe den Gewinn und Ertrag eines Unternehmens schmälern. Angenommen die Gewinnmarge eines Unternehmens beträgt zehn Prozent bei einem jährlichen Umsatz von 10 Millionen Franken. Dann sinkt bei einem Preisnachlass von zwei Prozent der Gewinn um 200 000 Franken – also um 20 Prozent. Um die verlorenen 200 000 Franken Gewinn wieder zu erwirtschaften, müsste bei einer Gewinnmarge von zehn Prozent ein zusätzlicher Umsatz von 2 Millionen Franken erzielt werden. Dies würde eine Umsatzsteigerung von 25 Prozent bedeuten.

Diese Steigerung zu erzielen, ist in wirtschaftlich flauen Zeiten deutlich schwieriger, als aufgrund einer professionellen und selbstbewussten Preisverhandlungstaktik, verbunden mit einer sauberen Kosten-Nutzen-Argumentation, die besagten Preisnachlässe nicht zu gewähren. Verkäufer sollten gerade deshalb in wirtschaftlich flauen Zeiten zum Thema Preisverhandlungen geschult werden. Sonst knicken sie bei Verhandlungen schnell ein. Und die Effizienzsteigerungen, die aufgrund eines verkaufsoffensiven Innendienstes, eines konsequenteren Angebotsmanagements und einer stärkeren Nutzung des Kundendiensts als Ohr am Markt erzielt wurden? Sie sind sozusagen «für die Katz’», weil sie in den Preisverhandlungen wieder verschenkt werden.

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