Marketing & Vertrieb

Verkehrsmittelwerbung

ÖV-Werbung mit hohen Erinnerungswerten

Neue Kommunikationsmöglichkeiten und verändertes Zielgruppenverhalten stellen neue Anforderungen an den Medienmix in der Markenführung. Welche Rolle dabei die Werbung in den Verkehrsmitteln spielen kann, zeigt ein Beispiel des Werbeträger-Vermarkters der Verkehrsbetriebe Zürich, Traffic Media.
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Die enorme Pluralisierung und Fraktalisierung von Zielgruppen und Kommunikationskanälen sowie die relativ neue mediale Macht der Konsumenten stellen die Markenführung vor neue Herausforderungen. Mit anderen Worten: Immer mehr Marken buhlen auf immer mehr Kanälen mit immer mehr Informationen um die Gunst von Individualisten, die sich zunehmend der Werbung verweigern. So haben gemäss einer Studie der American Association of Advertising 60 Prozent der Konsumenten heute eine weit negativere Meinung zu Werbung als das früher der Fall war. 65 Prozent der Befragten fühlen sich von Werbung bombardiert und 69 Prozent interessieren sich für Services, die ihnen helfen, Werbung zu unterdrücken.

Einige Wirtschaftszweige trifft diese Entwicklung besonders hart. So würden zum Beispiel 71 Prozent der Deutschen lieber zum Zahnarzt gehen, als mit ihrem Bankberater zu sprechen, dies belegt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Und das dürfte auch in der Schweiz nicht viel anders sein. Die Bedeutung der Web-2.0-Kommunikation nimmt zu und die Mund-zu-Mund-Kommunikation gewinnt an Einfluss. Es findet eine Trendwende von der Push- hin zur Pull-Kommunikation statt und gleichzeitig geht die Deutungshoheit traditioneller Markenkommunikation zurück. Dies alles stellt neue Anforderungen an den Medienmix in der Markenführung.

Ein neuer Forschungsansatz

Neben der Fraktalisierung der Kommunikationskanäle wachsen Online- und Offline-Welt mehr und mehr zusammen. Da stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit einzelner Medien. Forschungen zu Leserschaften, Zuschauern beziehungsweise zu Einschaltquoten liefern empirische Werte zum quantitativ erfassbaren Verhalten von Konsumenten.

Dessen ungeachtet geht die Werbewirkungsforschung meist von einem wohldosierten Mediamix aus. Der Vermarkter der Werbeträger der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ), Traffic Media, hat dagegen einen anderen Weg eingeschlagen: Er nahm die Kampagne für eine lokal völlig unbekannte, frische Marke, die nur auf VBZ-Fahrzeugen zu sehen war, zum Anlass, um die Wirkung von der Werbung in einem öffentlichen Verkehrsmittel – unbeeinflusst von anderen Werbeeindrücken – zu erforschen. ÖV-Werbung liegt – als eines der letzten Massenmedien – im Trend. Im Jahr 2014 erzielten die Verkehrsbetriebe der Städte Zürich, Basel und Genf 30 Prozent mehr Umsatz als 2010, was nur marginal auf Preiserhöhungen zurückzuführen ist.

Wirkung

Wirkt diese Form von Werbung tatsächlich? Und welches sind die geeigneten Mittel? Diesen Fragen wollte Traffic Media nachgehen – und zwar anhand der Yotoco-Kampagne auf den Trams und Bussen der VBZ. Yotoco – ein bis dahin völlig unbekanntes Kaltgetränk – wurde im Juni 2015 auf dem Markt eingeführt. Es war nur an einigen wenigen Verkaufspunkten in der Stadt Zürich erhältlich. Zeitgleich mit der Markteinführung startete Yotoco eine Werbekampagne, die ausschliesslich auf und in den Fahrzeugen der VBZ in Szene gesetzt wurde. Sie dauerte zwei Monate und das Mediabudget betrug bescheidene 74 000 Franken. Flankierend dazu fanden an den Verkaufsorten Degustationen statt. Nach der Kampagne führte das Marktforschungsunternehmen Demoscope bei über 500 Fahrgästen und Passanten auf öffentlichen Plätzen in der Stadt Zürich eine Befragung durch. Zusätzlich wertete Yotoco den Erfolg der Degustationen und die weiteren Auswirkungen der Kampagne aus. Die Resultate übertrafen die Erwartungen. Bei täglich über 890 000 Fahrgästen – wie im Fall der VBZ – mag es zwar wenig erstaunen, dass ÖV-Werbung gesehen wird. Allein 78 Prozent der Zürcherinnen und Zürcher fahren mindestens zweimal pro Woche mit einem Tram oder einem Bus der städtischen Verkehrsbetriebe. Doch sehen ist nicht gleich wahrnehmen. Erst die Erinnerung an ein Produkt macht eine Marke bekannt.

Hohe Erinnerungswerte

Im Fall der Yotoco-Kampagne konnten sich acht Prozent der Befragten erinnern, das Produkt schon einmal gesehen zu haben – obwohl es sich um ein völlig neues Getränk handelte und auf der Flasche, die ihnen gezeigt wurde, kein Markenname erkennbar war. Bei sichtbarem Logo erkannten 14 Prozent das Produkt wieder. Den befragten Personen wurden auch die Sujets der Kampagne gezeigt, wie sie auf Tramdachtafeln, Hängekartons, Leuchtplakaten und Bus-Hecks zu sehen waren. 17 Prozent gaben an, sich an eines davon zu erinnern. Angesichts der relativ kurzen Laufzeit von zwei Monaten dürfen diese Werte als hoch bezeichnet werden. Es gibt wahrscheinlich kein anderes Medium, das mit so eingeschränkten Mitteln so schnell so hohe Reichweiten und so viele Kontakte aufbauen kann. An die Tramdachwerbung für Yotoco, die auf fünf Fahrzeugen der VBZ zu sehen war, erinnerten sich zehn Prozent der Befragten. Der Schluss liegt nahe, dass sich dieser Wert mit längeren Kampagnen-Laufzeiten massiv steigern lässt. Bestes Beispiel dafür ist eine frühere Kampagne von Alpha Taxi, die während elf Monaten auf sechs Trams als Dachwerbung lief: Sie erzielte einen Erinnerungswert von 69 Prozent. Und die Innenwerbung? Yotoco bewarb ihr Produkt während eines Monats auf insgesamt 400 Hängekartons. Daran erinnerten sich acht Prozent der Befragten. Auch hier könnten längere Laufzeiten deutlich höhere Erinnerungswerte generieren (siehe Abbb. 2).

Junge Zielgruppen

Die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich zählen genauso wie die SBB oder andere ÖV-Unternehmen Menschen jeden Alters zu ihren Kunden. Doch wirkt ÖV-Werbung bei allen, insbesondere bei der jungen Generation? Schliesslich wurde Yotoco nicht dafür geschaffen, um von der Zürcher Hautevolee in den schicken Restaurants der Stadt kredenzt zu werden, sondern konzipiert als Lifestylegetränk, das junge, urbane und zahlungskräftige Menschen ansprechen soll. Menschen, die lieber teilen als besitzen wollen und eher streamen als downloaden. Kurzum, Menschen, die es mit ihrem Konsum- und Kommunikationsverhalten den Werbetreibenden nicht einfach machen, sie zu erreichen. Neben den herkömmlichen Social-Media-Kanälen wie Snapchat, Instagram, Youtube oder Facebook verbringen sie ihre Zeit weitgehend mit werbefreiem Konsum von Spotify und Netflix. Doch aufgepasst: All dies tun sie grösstenteils unterwegs. Also keine Augen für ÖV-Werbung? Weit gefehlt: 22 Prozent der 15- bis 24-Jährigen und 20 Prozent der 25- bis 34-Jährigen gaben an, sich zumindest an ein Sujet der Yotoco-Kampagne zu erinnern (siehe Abb. 3). Das sind Höchstwerte. Diese wie andere Kampa­gnen zeigen, dass ÖV-Werbung mit ihren mobilen Trägern – hier den Trams und Bussen –, aber auch mit den zahlreichen Haltestellen davon profitiert, so nahe am POS zu sein wie wohl kaum ein anderes klassisches Offline-Medium. Die Resultate der Yotoco-Kampagne bestätigen die Wirkung von ÖV-Werbung in jeder Form und für jede, insbesondere die junge Zielgruppe. Was wäre wohl geschehen, wenn Yotoco eine Kombination von Werbeträgern eingesetzt hätte – und dies auch noch offline und online? Eine Antwort ist von vornherein klar: Das Budget hätte bei keinem Medium ausgereicht, um eine wertmässige Nutzschwelle zu erreichen. Die Lokalisierung wäre – trotz immer ausgefeilteren Audience-Targeting-Möglichkeiten auf den Social-Media-Kanälen – ebenfalls nicht einfach gewesen. Wie hätten sich die Werte des Durchschnittskontakts (OTS-Werte) präsentiert? Mit der Belegung aller Werbemittel auf den Zürcher Trams und Bussen lassen sich bei mehrwöchigen Aushängen über eine Million Kontakte erzielen. Das schafft kaum ein anderes Medium. Und wie steht es mit dem Image? Marken, die sich im ÖV

zeigen, können sich den guten Ruf der Zürcher Verkehrsbetriebe zu eigen machen. Diese gelten bei 99 Prozent der städtischen Bevölkerung als sicher, zuverlässig, kompetent und sympathisch. Eine Studie der BLS aus dem Jahr 2014 kommt überdies zum Schluss, dass 87 Prozent der Fahrgäste Werbung im öffentlichen Verkehr generell sympathisch finden (siehe Abb. 4).

Die Zukunft macht auch vor der ÖV-Werbung nicht Halt. Die VBZ und andere Verkehrsunternehmen müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Fahrgast-TV wird wohl demnächst in irgendeiner Form Einzug halten. Promotionen und Ambient-Massnahmen werden immer wichtiger. Socializing wird zum Thema (in Zürich ist es mit gesehen@vbz.ch bereits in Betrieb). Zudem verschmelzen mit der Verknüpfung von virtueller und realer Welt die Grenzen zwischen Dienstleistung, Unterhaltung und Handel immer mehr.

Die Studie zur Wirkung der Yotoco-Kampagne kann bei VBZ Traffic Media per Mail bestellt werden: trafficmedia@vbz.ch

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