Marketing & Vertrieb

Wachstumsfaktoren

Marketing als Triebfeder des Unternehmenswachstums

Marketingabteilungen geraten zunehmend unter Druck, messbare Resultate aufweisen zu müssen. Dies wird jedoch umso schwieriger, je unklarer die konzeptionelle Ausrichtung und die der Abteilung zugewiesenen Tätigkeitsfelder sind. Dieser Beitrag zeigt die Entwicklungsmöglichkeiten des Marketings zum Auslöser profi­tablen Wachstums auf.
PDF Kaufen

Marketingabteilungen sind am Ende der vermeintlichen Glückseligkeit angekommen. Scheinbar nichts ist mehr geblieben von der wohlwollenden Unverbindlichkeit der Vergangenheit, vom Hochglanz der zahlreichen Broschüren, vom Nimbus des Erfolgs durch Eingebung, von der ehemals heilen Welt. Marketingabteilungen finden sich heute in einem Umfeld wieder, in dem sie Resultate erbringen müssen; messbare Resultate zudem. Die Leistung des Marketings wird zunehmend kritischer unter die Lupe genommen – und das zu Recht. Marketing muss einen messbaren Beitrag für das profitable Wachstum eines Unternehmens leisten.

Unklarheiten

Allerdings, das muss zugunsten der meisten Marketingabteilungen konstatiert werden – besteht in vielen Unternehmen eine grosse Unklarheit darüber, was überhaupt in «der» Marketingabteilung angesiedelt werden soll. Diese Unklarheit wiederum ist häufig einer der wesentlichen Auslöser für eventuelle Unzufriedenheiten der Unternehmensführung mit der Marketingleistung. Zudem kommt ein vehementer Widerstand der meisten Marketing-profis gegen Leistungsmessgrössen hinzu. Diesem Widerstand muss zwingend Paroli geboten werden, will man nicht nur kreatives Chaos, sondern auch konzeptionelle Stärke abgebildet sehen.

Dazu ergeben sich im Wesentlichen drei Fragen, denen im Folgenden nachgegangen wird:

Frage 1

Wie kann gezielt für eine Messbarkeit des Marketings gesorgt werden?

Frage 2

Wie kann es gelingen, kreative Stärke, konzeptionelle Stärke und Umsetzungsstärke im Marketing zu etablieren?

Frage 3

Wie kann das Marketing effektiv in der täglichen Routine wirken?

1) Die Messbarkeit

Bevor überhaupt darüber nachgedacht werden kann, welche Messgrössen geeignet sein können, um die Leistung des Marketings zu beurteilen, muss organisatorische Klarheit geschaffen werden: Was genau ist «das» Marketing im Unternehmen? Welche Verantwortlichkeiten werden im Marketing wahrgenommen? Handelt es sich bei «dem» Marketing um eine Werbeabteilung, eine konzeptionelle Einheit, ist die Unternehmenskommunikation hier auch angesiedelt, werden Seminare veranstaltet?

Es gibt keine einzig richtige Antwort auf die Frage, wie eine Marketingabteilung gestaltet sein muss. Was aber sehr wohl gewährleistet sein muss, ist, dass sämtliche Verantwortlichkeiten in der Abteilung geklärt sind. Diese mangelnde Verantwortungsklarheit ist einer der Hauptgründe, die dafür verantwortlich sind, dass sich das Marketing immer wieder dem Vorwurf der mangelhaften Leistung ausgesetzt sieht. Es ist dabei originäre Aufgabe der Unternehmensführung, diese Klarheit zu schaffen. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um die Beschreibung einzelner Tätigkeiten, denn diese sind aktivitäts- und nicht resultatorientiert, sondern um die Vereinbarung von regelhaft zu erzielenden Resultaten. Wofür ist das Marketing also im Detail verantwortlich?

Ist diese Frage geklärt, kann über die Messgrössen nachgedacht werden, an Hand derer die Wahrnehmung dieser vereinbarten Verantwortlichkeiten beurteilt werden kann. Spätestens in dieser Phase wird der Widerstand marketingseitig erfahrungsgemäss zunehmen. Schliesslich sei man, so wird gern entgegnet, ja eine kreative Einheit, und Kreativität habe auch damit zu tun, dass sich manches der Messbarkeit entziehe. Dieser Schluss ist allerdings nicht zulässig. Hier folgen zwei Beispiele aus unserer Beratungspraxis für erfolgreich implementierte Messgrössen im Marketing:

Beispiel 1: Mode

Ein bekanntes Modeunternehmen verfügt über ein produktbezogenes Marketing, dessen wesentliche Aufgabe es ist, die Trends für die richtigen Produkte zu entdecken und mit dem Design zusammen Produkte zu entwickeln, die am Markt bestmöglichen Absatz finden. Das Unternehmen wirbt nicht am Markt. Gemessen wird die Leistung des Produkt­marketings, das auch die Verkaufspreise vorschlägt, letztlich an der Akzeptanz der Produkte durch den Kunden. Das gleiche Unternehmen verfügt auch über ein verkaufspunktbezogenes Marketing, das die durch externe Partner bewirtschafteten Verkaufs­flächen mit dem richtigen Ladenbau und verkaufsfördernden Massnahmen unterstützt. Gemessen wird die Leistung des verkaufspunktbezogenen Marketings u. a. an der steigenden Frequenz am POS, der Wirkung einzelner Warenträger, usw.

Sind diese Messgrössen eindeutig und schnittstellenfrei? Nein, das sind sie nicht, aber sie helfen massgeblich dabei, die Verantwortung zu definieren und die Wahrnehmung der Verantwortung zu messen. Die Leistung kann jährlich, monatlich und wenn es sein muss auch wöchentlich gemessen werden.

Beispiel 2: Grosshandel

Die Marketingabteilung eines Grosshandelsunternehmens war in der Vergangenheit vorwiegend damit befasst, Werbekostenzuschüsse von der Industrie einzuwerben – eine monetär messbare Aktivität – und Seminare für die belieferten Einzelhändler durchzuführen – ein ruhiges Leben. Innerhalb eines Vertriebsstrategie-Projektes wurde dem Marketing plötzlich eine neue Verantwortung zuteil, es musste nämlich dafür Sorge tragen, dass das Unternehmen am Markt treffender positioniert wurde. Eine neue Markenstärke sollte dazu führen, dass die Kundenwahrnehmung des Unternehmens treffender erfolgte, die Kundenbindung stieg und die ungewollte Kundenfluktuation sank.

Unterliegen diese Messgrössen allein der Verantwortung im Marketing? Nein, auch der Vertrieb hat hier seinen Anteil. Dennoch ist die Messung der Marketingleistung auf Basis dieser Grössen Kundenwahrnehmung, Kundenbindung, Kundenfluktuation ausgezeichnet möglich. Das Unternehmen hat es inzwischen mehrfach hintereinander im Rahmen eines durch ein unabhängiges Institut durchgeführten Wettbewerbs auf einen der ersten drei Ränge in der Kundenpräferenz geschafft.

Um Messgrössen für die Marketingleistung zu finden, muss man mitunter kreativ sein und vor allem auch Ambivalenz zulassen, denn selten werden Messgrössen gefunden, die schnittstellenfrei sind. Das ist aber meist sogar ein Vorteil, denn dann beginnt endlich einmal der schnittstellenübergreifende Dialog über erfolgversprechende Massnahmen.

2) Die Erfolgskombination

Eine Marketingabteilung, welcher der unbedingte Wille zur Realisierung von Konzepten und die Fähigkeit, Dinge nicht nur zu durchdenken, sondern auch geschehen zu lassen, fehlt, ist keine gute Säule eines künftigen Wachstums. Marketingleiter, die sich auf den Standpunkt stellen, mit einem Konzept sei ein bestimmtes Problem bereits gelöst, eine bestimmte Innovation schon geschaffen, springen wesentlich zu kurz, denn neue Lösungen scheitern nie in der Konzeptions-, sondern in der Realisierungsphase.

Die Unternehmensführung selbst tut sich und ihrem Unternehmen auch keinen Gefallen, wenn sie ein glamouröses Bild ihrer Marketingabteilung zeichnet, weil dies die falschen Mitarbeiter anzieht. «Marketing», das ist der Traum vieler Studenten, weil ein falsches Bild gezeichnet wird. Die Folge sind teure Personalirrtümer auf Unternehmensseite und falsche Karriereschritte auf Mitarbeiterseite.

Vier Aspekte sind die Voraussetzung für die Kombination von Kreativität, Konzeption und Umsetzung:

  • Was auf Ebene der Marketingabteilung begann, muss auf der Ebene der einzelnen Positionen im Marketing fortgesetzt werden: Der Zweck jeder Stelle – also die Antwort auf die Frage nach dem «Warum» einer Stelle – ist zu beschreiben und die Verantwortlichkeiten pro Stelle sind festzulegen, mitsamt den Messgrössen, anhand derer festgestellt werden kann, ob und inwieweit diese Verantwortlichkeiten wahrgenommen werden und wurden. Diese Stellen- und Aufgabenklarheit ist richtungsweisend, denn wenn die Aufmerksamkeit auf die Verantwortlichkeit und die Messgrössen gerichtet wird, werden auch die richtigen Dinge geschehen. Bei dieser Gelegenheit wird zudem auffallen, dass die gängigen Stellenbeschreibungen mit Platzhaltern belegt sind, statt auf Verantwortlichkeiten zu fokussieren.
  • Was in vielen Unternehmensbereichen gilt, ist für das Marketing besonders wichtig: Das richtige Team. Bereits bei der Stellenbesetzung ist zwingend darauf zu achten, dass eine ausgewogene Mischung aus Kreativen, Konzeptionsstarken und Umsetzungsprofis entsteht. Diese Heterogenität führt zwar erfahrungsgemäss zu einer höheren Reibung in der Abteilung, aber auch zu wesentlich besseren Resultaten, als wenn eine Facette überwiegt. Man mag annehmen, dass dies auf der Hand läge, aber man schaue sich Marketingabteilungen an und frage sich dann, warum sich diese vermeintliche Klarheit nur selten in der Realität umgesetzt findet.
  • Bei der Stellensuche für Mitarbeiter in Marketingabteilungen lohnt es sich, in anderen Wertschöpfungsstufen als in der eigenen zu schauen: Handelsunternehmen sollten sich bei ihren Lieferanten umsehen, Grosshandelsunternehmen im Einzelhandel, Zulieferer bei potenziellen Kunden, Industrieunternehmen im Handel. Die Kompetenz, die Mitarbeiter aus anderen Wertschöpfungsstufen mitbringen, zahlt sich – wiederum nach anfänglicher potenzieller Reibung – aus.
  • Vielfach ist die Realisierungsbremse die Marketingleitung selbst. Sehr häufig ist beobachtbar, dass auf der Ebene der Marketingleitung, Marketingdirektion, der Marketinggeschäftsführung oder des –Vorstands eine hohe Arbeits- und Terminlast herrscht. Diese Last ist häufig hausgemacht, weil Kompetenzen nicht hinreichend geklärt sind und zu viele Entscheidungen auf Leitungsebene getroffen werden müssen, obwohl dies objektiv nicht notwendig wäre. Dies führt zu mangelnder Termintreue, unnötiger Hektik und Verlangsamung der Organisation. Dieser Zustand ist häufig einer strengen Hierarchie mit mangelnder Zielabstimmung und der Sorge geschuldet, dass Dinge nicht so laufen würden, wie sie ursprünglich beabsichtigt waren. Hier wird deutlich, dass auch der Marketingleitung daran gelegen sein muss, eine Messbarkeit ihrer Abteilung bis auf die einzelne Stelle einzuführen, dann kann fundiert über Resultate geführt werden, nicht über Einzelschritte.

3) Effektiv in der Routine

Das Wort «Routine» gehört aus genannten Gründen nicht zwingend zu den meistgeliebten Worten im Marketing, herrscht doch hier der Reiz des Neuen vor. Für ein Unternehmen ist aber «Neues» nicht unbedingt auch mit Wachstum verknüpft, denn etwas, das neu ist, muss nicht notwendigerweise auch wirksam im Sinne der Strategie sein. Mehr noch: Unternehmen, denen es gelingt, Innovation nicht ausschliesslich als etwas radikal Neues zu definieren, sondern auch Bestehendes zu innovieren, sind meist wesentlich kontinuierlicher auf dem Wachstumsweg als diejenigen Unternehmen, die krampfhaft versuchen, radikale Umschwünge vorzunehmen.

Es gilt also, das Marketing nicht nur für das Neue zu begeistern, sondern auch für das als nüchtern empfundene Tagesgeschäft zu gewinnen. Dazu gehört zunächst, dass das Marketing gemeinsam mit anderen Fachbereichen an wachstumsrelevanten Themen arbeitet. Dabei kann das Marketing mitunter die Führung übernehmen oder sich auch verantwortlich in einem Teilprojekt wiederfinden – ganz, wie die Situation es erfordert.

Dazu drei Beispiele:

  • Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die Schnittstelle zwischen Marketing und Vertrieb. Zwar wird zwischen den beiden Abteilungen traditionell viel miteinander gesprochen, aber die Qualität dieser Gespräche im Hinblick auf die Förderung eines profitablen Wachstums ist oft fraglich. Geht es in einem Unternehmen beispielsweise um die Neuentwicklung einer Vertriebsstrategie – oder auch nur um die Justierung derselben –, muss das Marketing mit einem mandatierten Mitarbeiter unmittelbar an den Tisch. Es empfiehlt sich die Übernahme von Teilprojektverantwortung, zum Beispiel für «Positionierung und Marke», «Kundenwahrnehmung» oder «Zielgruppen». So wird gewährleistet, dass das Marketing in die vertriebliche Praxis eingebunden ist und nicht am Markt vorbeikonzipiert.
  • Bei der Erschliessung neuer Absatzwege oder bei der Optimierung derselben kann das Marketing wertvolle Dienste leisten, indem es unter seiner Führung die Bereiche Vertrieb und Logistik einbezieht. Auf diese Weise muss es sich argumentativ mit den Gedanken dieser operativen Einheiten auseinandersetzen, was unmittelbar die Konzeptionsqualität erhöht.
  • Der Lebenszyklus der Produkte und Leistungen muss zwingend auf den Monitor des Marketings gelangen. Hilfreich dazu sind regelhafte, strukturierte, moderierte Dialoge zwischen dem Marketing und der Entwicklungsabteilung, falls vorhanden auch der Forschungsabteilung. Ziel dieses Dialogs, in den auch fallweise der Vertrieb eingebunden werden sollte, ist es, Neuproduktbedarfe eher zu erkennen und in konkrete Angebote zu übersetzen und – mindestens ebenso wichtig – Produkte, deren Lebenszyklus sich dem Ende neigt, vom Markt zu nehmen und zwar so früh wie möglich, weil sie sonst zu Energieräubern auf dem Wachstumsweg werden.

Die Unternehmensführung hat die Wahl: Soll die Marketingabteilung ein nicht greifbares Konzeptionszentrum sein, dem vorgeworfen wird, an der Realität vorbeizuhandeln und des­sen Beitrag zum Wachstum unklar ist, oder soll die Marketingabteilung eine der führenden Triebfedern des profitablen Wachstums sein? Mitunter ist der Weg von A nach B wesentlich weniger steinig, als anfänglich gedacht.

Porträt