Marketing & Vertrieb

Mehrkanal-Vertrieb

Kritische Faktoren bei «Multi­channel Commerce»-Projekten

Mit «Multichannel Commerce», dem parallelen Einsatz von mehreren Offline- und Online- Vertriebskanälen, erreichen Unternehmen ihre Kunden losgelöst von Öffnungszeiten an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Bedürfnislagen. Allerdings drohen Unternehmen nicht selten, an der Komplexität ihrer Projekte zu scheitern.
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Die Digitalisierung unserer Gesellschaft schreitet unaufhaltsam voran und durch den rasanten technologischen Fortschritt hat sich unser Interaktions- und Kommunikationsverhalten über die vergangenen Jahre fundamental verändert. Durch neue technologische Möglichkeiten und immer anspruchsvollere Kunden sind Unternehmen heute gezwungen, sich dem Wandel anzunehmen und den neuen Herausforderungen zu begegnen.

Neue Herausforderungen

Unternehmen haben ihren Handlungsbedarf längst erkannt und begegnen dem Markt mit neuen Ideen und Lösungsansätzen. Unabhängig davon in welche Richtung sich diese Vorhaben bewegen, werden oftmals diese Ziele verfolgt:

  • Erschliessung von neuen digitalen Kanälen zur gezielteren Vermarktung
  • Einheitliche und zeitlich abgestimmte Kundenkommunikation in allen Medien und Customer Touch Points
  • Kundenorientierung für ein besseres Service-Angebot
  • Nutzung neuer Technologien zur Steigerung der Effizienz
  • Umsatzsteigerung durch neue und verbesserte elektronische Vertriebskanäle

Projekte, die solche Veränderungen anstreben und einen unternehmerischen, digitalen Transformationscharakter haben, werden in der Fachsprache als «Multichannel Commerce»-Projekte bezeichnet und bringen folgende Eigenschaften mit sich:

  • Vorhaben dieser Art sind unternehmenskritisch und werden durch die Unternehmensführung beauftragt und gesteuert
  • Die Komplexität ist aufgrund diverser Fachthemen und Unternehmensbereiche gross
  • Vieles ist «Neuland» und beruht nicht auf bestehenden Unternehmenskenntnissen
  • Die internen Organisationsstrukturen sind aufgefordert, übergreifend miteinander zusammenzuarbeiten und gemeinsame Lösungsansätze zu finden
  • Die notwendigen Budgets belegen oftmals die vordersten Plätze in der Finanzplanung
  • Die Anforderungen setzen sich aus technischen, marktgetriebenen, unternehmenskulturellen und besonders auch persönlichen Interessen zusammen.

Die grössten Stolpersteine

Unabhängig von der Branche und der Handelsbeziehung (B2B, B2C), begegnen wir in der Praxis in diesen Projekten immer wieder ähnlichen Stolpersteinen, wovon wir nun auf die wichtigsten eingehen werden.

Organisationsgrenzen

Da Multichannel-Projekte einen sehr gros­sen technologischen Hintergrund haben, wird die Projektverantwortung in einem Unternehmen oft an die IT übergegeben. In der Tat ist vieles sehr informationslastig und systemgetrieben, berücksichtigt man jedoch die zuvor genannten Zielsetzungen so wird deutlich, dass es sich nicht um ein klassisches IT- oder Softwareentwicklungsprojekt handelt.

Dieser Umstand trifft aber auch auf andere Bereiche wie beispielsweise das Marketing oder den Vertrieb zu. Die Eigenschaften solcher Projekte bringen viele Interessensgruppen über die unterschiedlichsten Organisationseinheiten zusammen, welche berechtigterweise alle gleich behandelt werden wollen, aber dennoch unterschiedliche Ziele verfolgen. Wie also soll ein derartiges Projekt organisiert werden? Viele Projekte starten, ohne dass diese Fragestellung eingehend geklärt wurde. Dies ist einer der vielen Stolpersteine, der oftmals bereits vor dem Projektstart übersehen wird. Ist man sich der Fragestellung bewusst, führt dies oft zu einer gänzlich anderen Projektorganisation, als ursprünglich angedacht.

1) Projekte dieser Art sind «Chefsache». Umso mehr, wenn eine Transformation herbeigeführt werden soll, von welcher viele Organisationseinheiten betroffen sind. Es gilt, ganzheitliche Entscheidungen zu treffen und diese im Unternehmen zu vertreten.

2) Der richtige Projektleiter denkt abteilungsübergreifend und bringt Kenntnisse über die komplette Wertschöpfungskette mit. Dies erlaubt, über die Organisationsgrenzen hinweg zu vermitteln und die bestmögliche Lösung zu definieren. Weiter kennt er die technologischen Möglichkeiten und kann diese zur Erfüllung der Ziele gezielt einsetzen. Leider sind solche Profile am Markt jedoch nur schwer zu finden.

Alles auf einmal

Der technologische Fortschritt entwickelt sich rasend schnell, wobei die letzte Finanzkrise diese Entwicklung nochmals beschleunigt hat. Viele Investoren haben nach den Ereignissen begonnen, verstärkt in den Technologiesektor zu investieren. So kommt es, dass immer mehr Firmen neue und innovative Produkte auf den Markt bringen. Diese enorme Produktvielfalt mit entsprechendem Potenzial zu überblicken, ist schwierig und für Unternehmen, die sich nicht täglich damit beschäftigen, beinahe unmöglich. Wie soll unter diesen Umständen die richtige Lösung für das aktuelle Projekt gefunden werden? Wie kann man von den Möglichkeiten profitieren und diese optimal nutzen?

Viele Projekte scheitern, weil die Ziele aus den Augen verloren gehen. Zu faszinierend und verlockend klingen die Möglichkeiten. Die vielen Anforderungen aus den unterschiedlichen Bereichen bestärken einen darin, die Lösung doch grösser anzusetzen, als ursprünglich geplant, was im Fachjargon als «Moving Targets» bezeichnet wird. Dieser Umstand bringt zwei Gefahren mit sich. Zum einen – und das ist das kleinere Übel – steigt das notwendige Projektbudget um ein Vielfaches an. Und zum anderen ist die Organisation anschliessend nicht in der Lage, die Projektergebnisse zeitlich zu bewältigen. Berücksichtigt man die Zielsetzungen, so wird schnell klar, dass sich diese nicht mit einem «Big Bang» erreichen lassen. Die Organisation braucht Zeit, sich anzupassen und bestehende Prozesse zu ändern. Transformation ist ein Prozess, der konsequente Weiterentwicklung verlangt. Daher empfiehlt es sich, in Schritten zu planen und das grosse Vorhaben in mehrere Etappen zu unterteilen. Wichtig ist dabei, dass man sich zuerst auf Projekte fokussiert, die für das Unternehmen zentral sind (USP).

Flexibilität

Was das Erschliessen von digitalen Kanälen bedeutet, haben viele Unternehmen in ersten Schritten – beispielsweise bei der Einführung einer Internet-Präsenz oder durch das Ausstatten der Aussendienstmitarbeiter mit mobilen Lösungen – bereits erfahren. Viele dieser Lösungen sind heute nicht ausreichend integriert, sei dies in der Organisation oder im Betrieb mit der notwendigen Infrastruktur. Diese Lösungen generieren Kosten, welche sich mit dem daraus erzielten Gewinn nur schwer rechtfertigen lassen. Viel kritischer aber: Die Kunden bemerken diesen Umstand aufgrund von ungenü­genden oder veralteten Informationen, fehlendem Kundenerlebnis und mangelndem Kundenverständnis. Einer der grössten Hindernisse ist die bisherige Organisation und dass die bestehende Informationsbasis nicht konsequent genug hinterfragt und somit zu Beginn des Projektes als gegeben vorausgesetzt wird.

Fazit

Wer Informationen über mehrere Kanäle gezielt verbreiten will, muss diese dementsprechend aufbereiten. Die Informationen müssen intern näher zusammengefasst, strukturiert und konsolidiert werden – abteilungsübergreifend.

Unternehmen, die grundlegend etwas verändern möchten, müssen bereit sein, allenfalls auch ganz von vorne zu beginnen. Heutige Multichannel-Lösungen erfordern aufgrund der sehr schnellen Entwicklung einen strukturierten, stabilen und ausbaufähigen Kern mit einer flexiblen, dynamischen und offenen Organisationsform. Nicht viele Unternehmen können heute von sich behaupten, diese Voraussetzungen effektiv geschaffen zu haben, deshalb müssen in einem Multichannel-Projekt auch immer Aufgaben zur Schaffung einer soliden Basis Platz finden.

Wer es schafft, organisatorisch flexibel zu agieren, seine Kräfte zu bündeln und die Informationsbasis zu seinem Vorteil zu nutzen, erzielt gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil, der nicht einfach kopiert werden kann.

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