Marketing & Vertrieb

Studie: B2B-Branding

Kreatives Markenmanagement im B2B-Bereich

Gutes Branding ist nicht Budget-, sondern strategieabhängig. Eine neue Studie zum Thema B2B-Branding in der Schweiz zeigt, wie KMU von einer klaren Markenstrategie profitieren können. Im Fokus stehen drei für KMU relevante Strategien.
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Die Schweiz strotzt vor kleinen und mittleren Business-to-Business-(B2B)Unternehmen. Von Maschinenherstellern über Software-Entwickler bis hin zu Her­stellern von medi­zinischen Geräten bilden diese Unternehmen das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Infolge von Globalisierung, Digitalisierung und Branchen­konsoli­dierung sind sie jedoch ständigem Druck ausgesetzt. Die meisten Schweizer B2B-Unternehmen konkurrieren heute über die Landesgrenzen hinaus und streben ständige Innovation an, um an der Spitze zu bleiben. Produktinnovation, Prozessoptimierung und Industrie 4.0 finden bei B2B-Führungskräften grosse Beachtung. 

Doch wie sieht es mit dem Branding aus? Sehen sie Branding als lohnende In­vestition oder eher als übertriebenen Aufwand? Wie kann Branding B2B-Un­ternehmen helfen, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen? Was gehört zum Prozess des Aufbaus einer erfolg­reichen B2B-Marke? Diese Fragen stan­-den am Anfang von «Perspectives on B2B Branding», dem ersten Bericht über das Schweizer B2B-Branding und Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Creative Supply, einer Zürcher Branding-Beratung, und dem EMBA-Programm der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL).Mit den Erkenntnissen von Führungs­kräften aus kleinen, mittleren und gros­sen Unternehmen wie Holcim, Büchi, Ad­novum, SIG, Credit Suisse und GF unterstreicht der Bericht die wichtigsten Trends, die Schweizer B2B-Unternehmen beeinflussen. Zudem bietet er einen fünfstufigen Ansatz zum Aufbau erfolgreicher B2B-Marken. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass kleine und mittlere Unternehmen viele Möglichkeiten haben, ihre Marken zu stärken, ohne ihre Finanzen zu belasten. Narrative, Ingredient Branding und kreative Botschaften sind drei Strategien, die für mittelständische Unternehmen besonders relevant sind und daher im Folgenden näher erläutert   werden sollen.

Narrative: Geschichten erzählen

Bei der Planung von Einkäufen haben B2B-Käufer in der Regel klar definierte Kriterien wie Produktspezifikation, Preis und Lieferbedingungen. In der Praxis werden all diese «geprüften» Elemente jedoch nie isoliert, sondern immer im Zusammenhang betrachtet. 

So wird beispielsweise ein teures Angebot eines «konservativen und diskreten» Anbieters anders wahrgenommen als das iden­tische Angebot eines «innovativen und internationalen» Wettbewerbers. Aus diesem Grund ist Storytelling unerlässlich. Es verankert eine Marke in einem Kontext und hilft dabei, Assoziations­ketten aufzubauen. 

Eine gute Markenstory verbindet das Wertversprechen, die Vision sowie den Nutzen einer Organisation auf eine einprägsame und emotionale Weise. Sie hilft dabei, die Rolle einer Marke im Wett­bewerb, auf dem Markt und in der ganzen Welt zu etablieren. Einer der wertvollen Vorteile einer Markenstory ist, dass sie nicht kopiert werden kann. Vor dem Hintergrund der Kommodifi­zierung von Produkten und der immer kürzer werdenden Produktentwicklungs­zyklen bietet eine Brand Story B2B-­Unternehmen eine verlässliche Mög­lich­keit, um ihre Individualität zu behaup­ten. Eine gute Brand Story fungiert als Brücke zwischen einer Marke und ihrem Publikum. 

Ein Beispiel ist die IEM-Gruppe, ein Unternehmen mit Sitz in Genf, das inno­vative Lösungen im Bereich Parkraum anbietet. Sie spricht nicht nur über ihre Produkteigenschaften, sondern von der Idee, «Innovative Parking So­lutions for Smart Cities» anzubieten. Jedes Wort dieses Satzes wurde sorgfältig durchdacht: «Innovative Parking Solutions« weist auf etwas Komplexeres und Tiefgründigeres hin als eine einfache Parkuhr und bedeutet auch, dass IEM ihren Kunden aus der «Smart City» helfen kann, eine «Lösung» für ihr Problem zu finden. «Smart Cities» ist in diesem Zusammenhang gleichzeitig ein Kompliment an den Kunden und ein Anspruch für die Zukunft, «die Städte intelligenter zu machen». 

Die Argumentation hinter der Markenstrategie des Unternehmens ist einfach, wie Direktor Philippe Menoud erklärt: «Wenn wir den Städten helfen, zu ver­stehen, wie unsere Parkraummanagement-Plattform dazu beitragen kann, ihre Mobilitätsprobleme zu lösen, können wir ihnen unsere Produkte mit grösserer Wahrscheinlichkeit verkaufen.»

Ingredient Branding

Viele B2B-Unternehmen befinden sich in einem intensiven Wettbewerb mit vergleichbaren beziehungsweise austauschbaren Produkten und Dienstleistungen und sind in einer Abwärtsspirale des Preiswettbewerbs gefangen. Bei der Erstellung des B2B-Reports haben die meisten der befragten Führungskräfte die Kommodifizierung ihrer Angebote als eine echte Herausforderung genannt. Glücklicherweise kann ein gutes Branding dazu beitragen, dass sich Produkte und Dienstleistungen von der Konkurrenz abheben. Insbesondere das «Ingredient Branding» kann zu beeindruckenden Ergebnissen führen. Hierbei handelt es sich um eine spezifische Taktik der Markenformierung, welche die Marke als Inhaltsstoff oder Komponente eines Produkts darstellt, um einzigartige Produkteigenschaften (wie Patente, Seltenheit, einzigartige Herkunft und so weiter) hervor­zuheben. Nehmen wir Holcim, einen Zementhersteller, der sich zur Differenzierung seiner Produkte für die Einführung von Markennamen entschieden hat. Namen wie Robusto, Fortico oder Optimo wurden anstelle von technischen Namen aus Akronymen oder Zahlen verwendet. 

Christian Wengi, Marketingleiter von Holcim für die Schweiz und Italien, erinnert sich: «Als wir in der Schweiz die Markennamen für unsere Zementprodukte eingeführt haben, haben uns alle ausgelacht, weil wir die Ersten waren, die das gemacht haben. Aber nach einigen Monaten haben auch die Kunden unserer Wettbewerber begonnen, unsere Markennamen zu verwenden, wenn es um Zementsorten geht.» Dank ihrer Ingredient-Branding-Strategie war Holcim fähig, den Diskurs über Zement, die endgültige Ware, effektiv zu leiten. Die Kommodifizierung ist zweifellos eine Herausforderung. Sie ist jedoch nicht unüberwindbar und B2B-Unter­nehmen sind oft besser gegen sie gewappnet, als sie denken.

Kreativer Vorsprung

B2B-Kommunikation ist nicht dafür bekannt, besonders originell oder spannend zu sein. Sie neigt dazu, übermässig technisch und sachlich zu sein, und konzen­triert sich stark auf die Produktmerkmale. Dies steht im krassen Gegensatz zu B2C-Unternehmen, die mehr Wert auf Krea­tivität und emotionale Botschaften legen. Die Gründe dafür sind von Branche zu Branche unterschiedlich, aber drei lassen sich herausarbeiten: das Fehlen eines dedizierten Kommunikationsbudgets, mangelnde Medienerfahrung und die Vorstellung, dass ein «ernsthaftes» Unternehmen keine «leichtfertigen» Kommunikationsmassnahmen ergreifen sollte. 

Dagegen können konventionelle Weisheiten, kreative und witzige Botschaften für eine B2B-Marke Wunder bewirken. Ein Beispiel ist der Schweizer Labortechnologie-Experte Büchi, der mit mutigen und unerwarteten Bildkombinationen auf Social Media auffällt. Christof Bircher, Business Development & Communication Director bei Büchi, sagt: «Die Aufmerksamkeit unserer Kunden zu bekommen, ist eine grosse Herausforderung. Sie werden mit Inhalten überschwemmt, da muss man unbedingt auffallen.» 

Büchi hat kürzlich ein Geparden/Chamäleon-Combo-Visual verwendet, um die Idee der Schnelligkeit und Flexibilität zu vermitteln und die «wilde» Palette ihrer «extraction tests» zu bewerben. Ob mit Humor oder skurrilen Bildeffekten, diese Beispiele zeigen, wie ein starkes Bild oder Symbol den Betrachter fesseln und unterhalten kann, ohne den wahrgenommenen Wert eines Produktes oder einer Marke zu schmälern. 

Digitalisierung, Kommodifizierung und Globalisierung führen unter anderem dazu, dass Unternehmen ihr Branding anpassen – und das ist gut so. Ins­besondere für KMU ist Branding eine kostengünstige Möglichkeit, mit grös­seren und etablierten Unternehmen zu konkurrieren. Eine gut durchdachte Marke erhöht die Sichtbarkeit, den wahrgenommenen Wert und die Kundenbindung. Umgekehrt wirkt Ihre Marke in Zeiten des Wandels als «stabiler Agent», der Kunden, Partnern und Mitarbeitern vermittelt, wofür Sie stehen und wohin Sie als Nächstes gehen.

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