Marketing & Vertrieb

Nachhaltigkeitskommunikation

Geschichten erzählen statt Bericht erstatten

Nachhaltigkeitsberichte sind oft sperrige Dokumente, die ihr Publikum zu wenig erreichen. Sechs Thesen zu einem Paradigmenwechsel: Weg von der trockenen Nachhaltigkeitsberichterstattung – hin zum lesernahen Nachhaltigkeitsgeschichtenerzählen.
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These 1: Viele der aktuellen Nach­hal­tigkeitsberichte profilieren weder das Unternehmen noch erreichen sie das Publikum.

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Es werden immer mehr Berichte veröffentlicht, die Berichte werden qualitativ immer hochwertiger, und die Anforderungen relevanter Richtlinien wie zum Beispiel der Global Reporting Initiative (GRI) werden immer besser erfüllt. Auch zeigt der Umfang der bearbeiteten Themen die Fortschritte im Nachhaltigkeitsmanagement.

Gleichzeitig kann man feststellen, dass sich viele Berichte ähneln und inhaltlich häufig kaum voneinander unterscheidbar sind. Ähnliche Themen werden von verschiedenen Unternehmen in sehr ähnlichen Formulierungen abgearbeitet. Zu beobachten ist zudem eine Nivellierung der Nachhaltigkeitskommunikation hinsichtlich der GRI-Kriterien. Eine eigene Linie, eine eigene Geschichte fehlt oft in den Berichten. Dies zum Leidwesen der Leserinnen und Leser, die sich zwar für die Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen interessieren würden, aber von den Berichten nur ungenügend angesprochen werden.

So bietet etwa die häufig gewählte Gliederung der Berichte in statische Kapitel-Überschriften wie Ökologie, Ökonomie und Soziales wenig kognitive Anknüpfungspunkte für die Leserinnen und Leser. Sie sind weder attraktiv noch informativ. Die generische Struktur ist vollkommen austauschbar – und sagt entsprechend wenig aus über die Herausforderungen, mit denen sich das konkrete Unternehmen bezüglich Nachhaltig auseinandersetzt. Auch Leerformeln wie «Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA» oder «Nachhaltigkeit hat bei uns Tradition» sind oft zu lesen, werden aber selten mit konkreten Beispielen veranschaulicht – und tragen so zum Einheitsbrei vieler Nachhaltigkeitsberichte bei. Aufmerksamkeit und Interesse für das Thema Nachhaltigkeit wird so kaum geweckt. Das ist schade – weil so potenzielle Leserinnen und Leser nicht erreicht werden und beträchtliche Ressourcen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verpuffen, ohne dass eine Profilierung oder Reputationsgewinne erzielt würden.

These 2: Die neuen Rahmenwerke zum Reporting begünstigen einen Paradigmenwechsel hin zu lesernahen Berichten.

Der Zeitpunkt für eine besser auf die Zielgruppen ausgerichtete Herangehensweise ist günstig, da die neuen massgebenden Richtlinien zum Nachhaltigkeitsreporting eine gute Ausgangslage dafür bieten. So verlangt die 2013 überar­beitete Version G4 der Global Reporting Initiative, der global am weitesten verbreiteten Richtlinien für das Nachhaltigkeitsreporting, eine stärkere Orientierung an den Anspruchsgruppen sowie eine Kontextualisierung der Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens.

Dadurch sollen die Leserinnen und Leser besser beurteilen können, ob das, was ein Unternehmen als Nachhaltigkeitsmanagement hervorhebt, auch gut genug ist, und wie die Aktivitäten von den Anspruchsgruppen eingeschätzt werden. GRI misst der Beschreibung des Mana­gementansatzes in der überarbeiteten Richtlinie erheblich mehr Gewicht bei. So fordert GRI dazu auf, klar zu begründen, warum ein bestimmtes Thema wie zum Beispiel Papierverbrauch oder Menschenrechte für ein Unternehmen relevant ist, und zu beschreiben, wie das Thema im Unternehmen angegangen wird. Auch andere Rahmenwerke wie etwa die Richtlinien zur integrierten Berichterstattung des International Integrated Reporting Council (IIRC) fordern eine stärkere Kontextualisierung und Fokussierung auf die relevantesten Themen.

These 3: Um das heutige Publikum überhaupt zum Lesen zu verführen, braucht es ein attraktives Story-Design.

Die neuen Rahmenwerke in der Berichterstattungslandschaft bieten die Chance für einen Paradigmenwechsel: weg von der trockenen Nachhaltigkeitsberichterstattung hin zum lesernahen Nachhaltigkeitsgeschichtenerzählen. Storydesign und Storytelling, aus der Rezeptionsforschung abgeleitet und bereits in der Antike bewährt, stellen vielversprechende Dramatisierungstechniken zur Verfügung.

Ein attraktives Leseangebot setzt unabdingbar bei einem attraktiven Storydesign an: im kongruenten und auf eine Geschichte fokussierten Zusammenspiel von Bild, Überschrift und Vorspann. Denn die Aufmerksamkeit von Leserinnen und Lesern für sich zu gewinnen, wird angesichts der stets wachsenden Informationsflut immer schwieriger. Ohne journalistische Verführungstechniken mutet dieses Unterfangen aussichtslos an. Bereits ganz zu Beginn eines Textes muss dem Publikum aufgezeigt werden, warum ein Nachhaltigkeitsthema relevant ist und was damit auf dem Spiel steht. Und dies in einer Sprache, die nicht die oft noch verbesserungsfähige Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens übertrieben zu lobpreisen versucht, sondern das Problem auf den Punkt bringt, an dem sich das Unternehmen, oder besser noch eine Hauptperson aus diesem Unternehmen, abarbeitet – auch über das Berichts- oder eben Erzähljahr hinaus.

These 4: Ohne Perspektivenwechsel hin zu den Empfängern bleibt die Nachhaltigkeitskommunikation selbstbezogen und für die Lesenden befremdlich.

Grundlegend für ein wirkungsvolles Story­design ist die richtige Erzählperspektive. Jeder Text sollte durch Bild, Überschrift und Vorspann nicht etwa aus der Perspektive des Unternehmens «verkauft» werden – sprich des Kommuni­kationssenders – sondern aus der Per­spektive der Kommunikationsempfänger; sonst kann eine gute Kommunikation nicht gelingen.

Für die Nachhaltigkeitsbeauftragten im Unternehmen ist dieser Perspektivenwechsel schwierig, will man doch in erster Linie das Unternehmen und seine Nachhaltigkeitsleistung präsentieren und die umfangreichen erarbeiteten Materialien zur Geltung bringen.

Eine auf sich selbst bezogene Nachhaltigkeitskommunikation wirkt fürs Gegenüber aber so befremdlich und anmassend wie ein selbstbezogenes Gegenüber im persönlichen Gespräch. Auch in der Nachhaltigkeitskommunikation geht es nicht in erster Linie um die Frage, was ich über mich erzählen will, sondern um die Frage, wie ich im Kopf der Leserinnen und Leser einen kognitiven Anknüpfungspunkt finden kann, um davon ausgehend einen narrativen Faden zu spinnen, eine Geschichte zu erzählen und auf attraktive Weise verpackt meine Botschaften zu transportieren.

These 5: Es braucht eine selbstkritische Erzählhaltung, damit das gewonnene Publikum nicht gleich wieder aus den Texten aussteigt.

Ist der Ausgangspunkt im Kopf der Lesenden einmal geschafft, ist vieles gewonnen, aber noch lange nicht garantiert, dass die Lesenden das Interesse am Text nicht schon bald wieder verlieren. Um sie bei der Stange zu halten, braucht es eine glaubwürdige Erzählinstanz: statt eines oberflächlichen und mit PR-Botschaften gespickten «Greenwashing» eine adäquate Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld Nachhaltigkeit im Unternehmen.

Das bedingt eine selbstkritische Erzählhaltung. Nachhaltigkeitsprobleme sind deutlich zu benennen und auch Rückschläge im Nachhaltigkeitsbemühen zu bekennen. Eine pointierte Problematisierung der Texte ist unentbehrlich, um die meist abstrakten Nachhaltigkeitsthemen so auf den Punkt zu bringen, dass sie überhaupt relevant erscheinen und ihre Leserinnen und Leser erreichen. Und um die Probleme zu konkretisieren, gehören nicht zuletzt Fakten, welche das Nachhaltigkeitsbemühen, seine Erfolge oder auch allfälligen Misserfolge auf nachvollziehbare Weise belegen.

These 6: Lesernahes Storytelling ist in den meisten Unternehmen auch ein strategiegeleitetes Storytelling.

Eine lesernahe Erzählhaltung ist nicht nur Voraussetzung für eine gute Story, sondern nicht selten auch eine wirksame Umsetzung der Zielvorgaben aus der Unternehmenskommunikation. Die meisten Unternehmen setzen sich Kommunika­tionsziele wie «Transparenz schaffen», «vertrauensvolle Beziehungen zu den Bezugsgruppen aufbauen» oder «Mit­­ar­beitenden Wertschätzung gegenüber erbringen» – beispielsweise durch personalisierte Erzählformen.

Bei einer solchen Ausrichtung der Kommunikation stehen lesernahes und strategiegeleitetes Geschichtenerzählen gerade nicht in Widerspruch zueinander, sondern sie gehen Hand in Hand. Wertschätzung erzeugt man durch personalisierte Erzählformen, Glaubwürdigkeit und Vertrauen durch eine transparente Problematisierung. So wäre im Rahmen der Zielvorgabe «Glaubwürdigkeit» einzugestehen, dass der Held (sei es nun die abstrakte Firma oder besser eine konkrete Hauptperson) im Nachhaltigkeitsbemühen auch Rückschläge erfährt: in der Dramentheorie spräche man von einem retardierenden Moment.

Umso grösser dann die Leistung, wenn der Held sich gegen das Scheitern auflehnt und seinem schwierigen Unterfangen den «Irrungen und Wirrungen» zum Trotz doch noch einen Erfolg abringt, sei dieser auch kleiner als anfangs erhofft. Leserinnen und Leser mögen keine Teflonfirmen und -figuren, an denen alle Probleme wie «Peanuts» abprallen, sondern solche aus Fleisch und Blut, so fehlbar wie du und ich. Und bereit dazu, aus Fehlern zu lernen, auch in der Nachhaltigkeitskommunikation.

Porträt