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Generation Y: Neue Herausforderungen für KMU

Der sogenannten Generation Y, also den heutigen Schul- und Hochschulabsolventen, sind das soziale Miteinander und ein gutes Arbeitsklima wichtiger als die schnelle Karriere um jeden Preis. Die Rekrutierung der selbstbewussten Generation Y mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel ist eine grosse Herausforderung.
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Die Young Professionals, die nach 1980 geboren wurden, sind mit dem Internet gross geworden, technikaffin und grösstenteils materiell abgesichert aufgewachsen. Ihre Wertewelt unterscheidet sich deutlich von denen der Nachkriegsgenerationen (Babyboomer und Generation X), besonders was den Beruf und die Karriere betrifft. Das zeigt auch eine Absolventenstudie von «Ernst & Young» (2013): Aus der Sicht der nach 1980 Geborenen zählt hier beispielsweise der Dalai Lama zu den Top-Führungskräften der Politik. Er rangiert vor vielen berühmten Staatsmännern und Politikerfrauen, weil er für Toleranz, Offenheit, Nächstenliebe – und somit für die Werte steht, denen auch die Berufseinsteiger der Generation Y viel
abgewinnen können.

Imageproblem im Handwerk

Was in früheren Generationen undenkbar war, ist heute an vielen Gymnasien gang und gäbe: Nur noch wenige Monate bis zur Matura – und dann? Freiwilligendienst? Arbeiten auf einer australischen Feigenplantage? Den Jakobsweg gehen? Fremde Länder entdecken? Eine Artistenausbildung machen? Diese Luxusfragen stellen sich heutzutage viele Schulabgänger mit höherer Reifeprüfung – und davon gibt es immer mehr.

Die Tendenz, ins Gymnasium zu gehen, statt eine Lehre zu machen, ist in der Schweiz nach wie vor hoch. Tatsächlich hat zum Beispiel der Kanton Basel-Stadt mit durchschnittlich fast 40 Prozent die höchste Gymnasialquote in der Deutschschweiz. Deshalb mussten sich Ausbildungsbetriebe aus allen Branchen noch nie so um Lehrlinge bemühen wie heute. Einst waren Handwerker in der Schweiz hoch angesehene Leute, einflussreich und gut situiert. Heute haben viele handwerkliche Branchen ein enormes Imageproblem. Maurer, Maler, Metzger und andere Traditionsberufe gelten als «unsexy», obwohl klar ist, dass auch in Zukunft Stras­sen und Häuser gebaut, Lebensmittel hergestellt, Maschinen produziert und Dienstleistungen erbracht werden.

Hier sei die Frage erlaubt, wie die Kopfmenschen unserer Zeit ohne die Handwerker überleben würden? Wir alle sollten uns besinnen und diese Arbeiten nicht wie bisher als gegeben ansehen, sondern ihr die entsprechende monetäre und gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringen. Auf der anderen Seite ist es höchste Zeit, dass Ausbildungsbetriebe ihre Kultur und die Arbeitsbedingungen so ändern, dass sie wieder attraktiv für junge Berufsanfänger werden. Hier sind besonders die klein- und mittelständischen Unternehmen gefragt, die in der Schweizer Unternehmenslandschaft dominieren. 99,8 Prozent aller Schweizer Unternehmen beschäftigen weniger als 250 Mitarbeiter und gelten somit gemäss den neusten provisorischen Zahlen des Bundesamtes für Statistik als KMU (www.obt.ch).

Worauf es ankommt

Familie und Gesundheit stehen heute für viele junge Arbeitnehmer deutlich über dem beruflichen Erfolg. Daher sind in Zeiten des Fachkräftemangels flexible Arbeitszeitmodelle, eine offene Gesprächskultur, Weiterbildungsangebote und ein betriebliches Gesundheitsmanagement erste Schritte, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Die grossen Konzerne in der Schweiz bieten inzwischen flexible Personalkonzepte für alle Lebensphasen ihrer Mitarbeitenden, egal ob es um den Familienzuwachs geht, den Hausbau, die Pflege von Angehörigen oder ein Sabbaticaljahr.

Arbeitsbedingungen

Die gute Nachricht für alle Unternehmer: Faul sind sie nicht, die jungen Leute. Macht ihnen der Job Spass und Sinn, sind sie zu Höchstleistungen bereit, und das am liebsten bei freier Zeiteinteilung. In kaufmännischen Berufen ist die Acht-Stunden-Präsenzkultur inzwischen so gut wie obsolet. Warum nicht um 15 Uhr kurz ein paar Längen schwimmen gehen, um dann anschliessend von zu Hause aus noch einmal für zwei, drei Stunden weiterzuarbeiten?

Im Handwerk sind flexible Arbeitszeitmodelle schwieriger umzusetzen. Hier machen Firmen gute Erfahrungen, wenn sie in einen modernen Maschinenpark investieren, um einseitige körperliche Belastungen so zu minimieren, dass die Gesundheit von Rücken und Bewegungsapparat der Mitarbeitenden bis zum Rentenalter erhalten bleiben. Burn-out und andere Stresserkrankungen werden generell seltener werden, da die Generation Y nicht mehr so lange wartet, bis sie ausgebrannt ist. Jahresarbeitszeitkonto ist hier ein Zauberwort – ein anderes ist Teilzeit. Sich für ein Unternehmen aufzuopfern, wie es für die Babyboomer noch selbstverständlich war, ist out. Es gilt also nicht mehr: Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Ein Grossteil der Generation Y setzt da ganz andere Prioritäten. Das neue Statussymbol ist für sie: «Herr seiner eigenen Zeit zu sein».

Was ist der Grund für diesen Sinneswandel? Für die Babyboomer schien die Zukunft nach dem Wirtschaftswunder noch rosig zu sein. Die Generation X war da schon eher entmutigt, und die Generation Y fragt sich nun, ob sie überhaupt noch eine Zukunft hat. Die Klimaerwärmung, die Amokläufe, die Kriege fanatischer Grup­pierungen, der 11. September, die leergefischten Weltmeere, die Umweltverschmutzung und die Naturkatastrophen haben, dank multimedialer Omnipräsenz, die Generation Y tief geprägt. Statt jedoch den Kopf in den Sand zu stecken, wollen viele ihr Leben aus vollen Zügen ausschöpfen und geniessen, die Welt bereisen und gleichzeitig streben sie nach einer Sinnhaftigkeit und dem zwischenmenschlichen Tiefgang.

Führungsstil

Wo bisher die Maxime «Aufgabenerfüllung gegen Bezahlung» beziehungsweise «Zielvorgaben und Leistungskontrolle» vorherrschte, sollten im Umgang mit der Generation Y modernere Leadership-Modelle zur Anwendung kommen. Die jungen Professionals, die oft als Einzelkinder von sogenannten «Helikopter-Eltern» umsorgt aufgewachsen sind, können mit der alten hierarchischen Ordnung nicht mehr viel anfangen. Das, was die Generation Y von ihren Führungskräften fordert, ist allerdings nichts Neues, wird aber von ihr stärker eingefordert als von früheren Generationen. Es geht den jungen Mitarbeitern hauptsächlich um Transparenz, Integrität und den Mut zur Ehrlichkeit. Sie fordern die Bereitschaft zum Dialog, zugleich auch Idealismus und Realitätssinn. Wichtig ist die übergeordnete Vision des Unternehmens, die sinnstiftend und werteorientiert sein sollen. Die Ypsiloner wollen in ihrem Arbeitsalltag Anleitung und klare Ziele, verbunden mit genügend Zeit für Coaching und Wertschätzung in Form von positiver Rückmeldung. Diese Anspruchshaltung – besonders das Bedürfnis nach Mitbestimmung und individueller Betreuung – kann für Führungskräfte aus vorherigen Generationen eine echte Herausforderung sein.

Demografischer Wandel

Die Generation Y steht noch am Beginn ihrer Berufslaufbahn und hat 30 Jahre oder mehr bis zu ihrem Rentenalter vor sich. Eine international angelegte Studie (www.officeteam.de) über das berufliche Verhalten der verschiedenen Generationen fand heraus, dass fast die Hälfte der Mitarbeiter der Generation Y glaubt, wegen der sinkenden Rentenerträge auch im Rentenalter weiterarbeiten zu müssen. Nur die jungen Schweizer Arbeitnehmer sind dagegen mit Abstand am stärksten davon überzeugt, im Rentenalter nicht berufstätig sein zu müssen. Klar ist aber schon heute, dass die Knappheit an Talenten in der Schweiz und in ganz Europa zunehmend zu einer Herausforderung für Unternehmen jeder Grösse werden wird. Es fehlen nicht nur Akademiker, sondern zunehmend auch Sanitäre, Elektriker, Lokführer, Pflegefachleute und Mecha­troniker. Gemäss dem Schweizerischen Bundesamt für Statistik wird im Jahr 2020 der Anteil der über 50-Jährigen ein Drittel der Belegschaft ausmachen.

Für das Personalerhaltungsmanagement steht daher eine effiziente und generationsübergreifende Zusammenarbeit im Vordergrund. Spätestens dann, wenn die Babyboomer nach und nach den Arbeitsmarkt in den wohlverdienten Ruhestand verlassen, wird der Mangel an qualifi­ziertem Personal und Nachwuchskräften deutlich werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Schweizer Wirtschaft – und insbesondere die klein- und mittelständischen Unternehmen – ihr Augenmerk zukünftig auf die systematische Mitarbeiterförderung von beiden Altersgruppen legt. Das ist der Schlüssel für den Erhalt der Motivation der Älteren und die Festigung der Loyalität zum Unternehmen bei den jüngeren Mitarbeitenden. Investitionen in die altersgerechte Weiterbildung beider Generationen lohnen sich, denn sie helfen einerseits die Fluktuation tief zu halten und andererseits die Produktivität zu erhöhen.

Es gilt ausserdem ein Klima zu schaffen, in dem Arbeitnehmer aus den verschiedenen Generationen bereit sind, voneinander zu lernen. Durch diesen kollegialen Austausch von Wissen wird vor allem intergeneratives Verständnis, Einfühlungsvermögen und Toleranz für die Unterschiede gefördert. Denn Talente haben Arbeitnehmer aller Alterskategorien. Um diese zu fördern, braucht es vor allem eine wertschätzende und transparente Unternehmenskultur.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich die Generation Y branchenübergreifend wie folgt beschreiben: Auf der Wunschliste ganz oben steht die persönliche Entfaltung anstelle von Fremdbestimmung. Traditionelle Werte wie Freundschaften und Familie stehen ebenso hoch im Kurs wie die Flexibilität in einem sinnstiftenden Beruf. Dort fühlt sich die Generation Y am wohlsten, wenn die Hierarchien flach sind, ein gutes Arbeitsklima herrscht und zeitnahes Feedback auf Augenhöhe erfolgt. Dann, und nur dann stimmt auch die längerfristige Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber.