Marketing & Vertrieb

Kaltakquise

Effektive Neukundengewinnung am Telefon

Kaltakquise? Für die meisten Unternehmer und Vertriebler ein Graus. Bringt nichts, macht keinen Spass, bedeutet nur Frust – so die landläufige Meinung. Doch Kaltakquise kann auch Spass machen und erfolgreich sein – die richtige Haltung sowie Techniken vorausgesetzt, die sich von der klassischen Vorgehensweise im Verkauf abheben.
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Noch vor Jahren konnten sich viele Unternehmer darauf verlassen, dass ihr Geschäft aus dem Ausbau von Bestands­kunden, über eingehende Anfragen und Empfehlungen heraus kam. Heute reicht das für viele nicht mehr aus, es bleibt eine Lücke zwischen «Ist»-Umsatz und «Soll»-Vorgaben. Was kann da helfen? Wie ist das Geschäftsergebnis auch in stürmischen Zeiten mindestens stabil zu halten beziehungsweise weiterhin zu steigern?

Die Antwort mag zunächst einfach klingen: Neue Kunden aus eigener Kraft akquirieren! Aktive Kaltakquisition ist im B2B «der» effektive Hebel zur qualifizierten Neukundengewinnung. Sie befreit von der Abhängigkeit eingehender Anfragen – gerade in Zeiten, in denen diese seltener bzw. mit geringeren Volumina kommen. An der Kaltakquise, also dem qualifizierten Erstkontakt per Telefon, scheitern allerdings die meisten Unternehmen und Vertriebler. Ist das ein Naturgesetz, muss das so sein? Sicher nicht!

Stellt sich die Frage: Wie kann die Kaltakquise ihren selbstverständlichen Platz im Rahmen Ihrer Vertriebsaktivitäten einnehmen, dabei erfolgreich und effektiv sein und zudem noch Spass machen – Ihnen und den Kunden? Das Geheimnis ist: Sobald Sie genau das Gegenteil von dem machen, was alle anderen tun, werden Sie ganz automatisch erfolgreich sein. Was ist damit gemeint? In der Praxis machen wir Vertriebler am Telefon meist genau das, was dann zu dem führt, was wir am meisten fürchten: Ablehnung und Misserfolg. Wir sind es selbst, die den Widerstand der Kunden provozieren, indem wir mit den alten Mustern nach Schema F in die Telefonate einsteigen. Überlegen Sie einfach mal…wenn Sie selbst im Büro sitzen und angerufen werden…mögen Sie etwa Anrufe à la «Guten Tag, Schmidt mein Name von der Firma Z. Ich hoffe, ich störe nicht?» oder «Guten Tag, Schmidt mein Name von der Firma Z. Wir sind ein führender Anbieter von XY und ich wollte mal fragen, ob die Möglichkeit besteht, sich vorzustellen?». Der Kunde, egal ob Vorzimmer oder Entscheider, denkt dann automatisch «Ach je, wieder so einer, der mir was verkaufen will» – und schon reagiert er mit «kein Interesse, keine Zeit, kein Bedarf».

Dieses Ursache-Wirkungs-Prinzip nenne ich den «Klick-Surr-Effekt». Was heisst das? Sicher kennen Sie noch die klassischen Kassettenrekorder von früher. Die hatten vorne einige Tasten, und auf einer stand «Play». Jedes Mal, wenn Sie «Play» gedrückt haben (Klick), lief das eingelegte Kassettenband ab (Surr). Sehr verlässlich.

Dieser Effekt wirkt in genau derselben Weise in der Kaltakquise mit den alten Gesprächsmustern nach Schema F. Denn: Nicht nur wir haben unsere Muster (in der Kommunikation), auch die Kunden haben Muster (in ihrer Wahrnehmung). Wenn Sie mit Schema F in Ihre Telefonate starten, drücken Sie unbewusst seinen Abblock-Knopf (Klick), und direkt läuft die Kassette mit dem Band «Best of Ab­blocken – Greatest Hits» ab (Surr).

Diese «Neins» sind alles sogenannte «Ablehnungs-Neins», – Ablehnung auf der Beziehungsebene. Der Kunde hat schlicht keine Lust auf solch ein Gespräch. Dadurch ist das Telefonat meist zu Ende, bevor es überhaupt angefangen hat; es kommt erst gar nicht zum Fachgespräch auf Augenhöhe.

Türöffner

Vermeiden können Sie diesen automatischen Effekt, indem Sie das Gegenteil dessen machen, was der Angerufene kennt – und alle anderen Anrufer am Telefon sonst machen. Gesprächseinstiege wie «…ich hoffe, ich störe Sie nicht!?» bzw. «Haben Sie gerade fünf Minuten Zeit für mich?», so was mag kein Kunde mehr hören. So also nicht. Wie nur dann?

Die im Folgenden beschriebene Vorgehensweise – der «Auf-den-Punkt-Einstieg» – öffnet wie ein Generalschlüssel alle Türen. Das Beste daran: Sie werden mit diesem Einstieg nie wieder «Keine Zeit!» hören. Genau an der Stelle, an der Sie bisher einen Einwand oder gar direkt «Keine Zeit!» gehört haben, kommen Sie jetzt ins Gespräch. Noch besser: Sie erhalten nicht die Zustimmung des Angerufenen zum Gespräch, sondern bekommen obendrein noch eine positive Emotion geschenkt. Glauben Sie nicht? Dann zeige ich es Ihnen direkt am Beispiel.

Beispiel für den Gesprächs­einstieg:

Ein Logistik-Unternehmen ruft bei einem mitteständischen Industrie-Unternehmen an:

Kunde: «Neumann.»

Sie: «Guten Morgen Herr Neumann, mein Name ist Martin Müller von der Firma LogiSpeed.»

Kunde: «Guten Tag.»

Sie: «(Herr Neumann,) Darf ich gleich zum Punkt kommen!?»

Kunde: «Ja, gern!»

Diese Antwort werden Sie immer erhalten: «Ja, gerne.» oder «Ja, bitte!» Probieren Sie es einfach aus. Es wird Ihre Motivation für Kaltakquise enorm steigern. Denn mit diesem «Auf-den-Punkt-Einstieg» wissen Sie künftig vor jedem Griff zum Telefon, dass Sie Zustimmung zum Gespräch und sogar noch eine positive Emotion vom Kunden geschenkt bekommen. Überlegen Sie jetzt einmal, was das für Sie bzw. Ihre Akquise-Gespräche künftig bedeuten wird.

Damit der Sog und natürliche Gesprächsfluss nach dem beschriebenen Einstieg während des weiteren Gesprächs erhalten bleibt, gilt zudem: Fragen statt sagen. Die meisten Verkäufer reden zu viel – und noch dazu nur von sich, ihrem Angebot, ihrem Unternehmen. Das interessiert den Kunden aber im Grunde nur wenig. Behauptungen schliessen den Geist, Fragen öffnen ihn. Mein Tipp daher: Ersetzen Sie im weiteren Gesprächsverlauf Ihre Sagetechniken durch Fragetechniken! Dadurch öffnet sich der Kunde, er wird das Gespräch mit Ihnen als sympathisch empfinden und sich mitteilen. So wird es einfach und angenehm – für Sie und den Angerufenen.

Ich gebe Ihnen an dieser Stelle gerne meinen persönlichen Lieblingsgesprächseinstieg an die Hand. Dazu eine Vorab-Überlegung: Jeder Mensch, den Sie im Büro anrufen, stellt sich unbewusst fünf Fragen: 1. Wer ist das? 2. Wie lange dauert es? 3. Was will er? 4. Handelt er in meinem Interesse – oder anders gesagt: Will er mir nur was verkaufen? Und schliesslich 5. Was bringt es mir?

Wenn Sie eine dieser fünf Fragen in Ihrer Eröffnung nicht direkt beantworten, dann wird sie in sein Bewusstsein kommen, und von dem Moment an ist der Kunde ungeduldig oder sogar schon genervt – und das ist der Anfang vom Ende des Gesprächs. Wenn Sie allerdings alle fünf beantworten, wird er interessiert am Gespräch sein. Daher empfehle ich Ihnen meinen Lieblingseinstieg – den «TT-Special» – der am Stück exemplarisch so geht:

Kunde: «Neumann.»

Sie: «Guten Morgen Herr Neumann, mein Name ist Martin Müller von der Firma LogiSpeed.»

Kunde: «Guten Tag.»

Sie: «(Herr Neumann,) Darf ich gleich zum Punkt kommen!?»

Kunde: «Ja, gern!»

Sie: «Wir möchten Ihr zusätzlicher, strategischer Logistik-Partner für Ihre Seefracht werden – aber nur, wenn das für Sie wirklich Sinn macht, dazu eine kurze Frage, ist das ok?»

Kunde: «Äh, ja, stellen Sie…»

Sie: «Wenn Sie an Ihre Seefrachtsendungen denken…welche Kompetenz muss ein Partner da für Sie mitbringen? Welche Prozesse hätten Sie gerne noch weiter optimiert?»

Indem Sie alle fünf unbewussten Fragen des Kunden beantworten, ist er offen für ein Gespräch. Und wenn Sie jetzt Ihre Sagetechniken (Wir sind, wir machen, wir haben, wir tun…) durch Fragetechniken ersetzen, stärken Sie die Beziehungsebene, weil Ihr Kunde merkt, dass Sie echtes Interesse an seiner Meinung und an ihm haben – und nicht nur an Ihrem Termin bzw. Ihrem Abschluss. Dadurch werden sich Ihnen die Menschen mitteilen, und es kommt zu einem ganz natürlichen Fachgespräch zweier Menschen. Auf Augenhöhe.

Noch ein wichtiger Gedanke: Schicken Sie vor dem Telefonat nichts Schriftliches zum Kandidaten. Vorab-Briefe oder -Mails zur Anbahnung des Akquise-Anrufs sind Alibi-Aktivitäten. Schauen Sie sich an, wer Vorab-Briefe bzw. E-Mails schreibt und warum. Das sind diejenigen unter uns, die – und das ist nachvollziehbar – einen Anknüpfungspunkt für ihren Gesprächseinstieg am Telefon suchen. Ein Vorab-Brief als Anknüpfungspunkt soll Sicherheit geben. Das verstehe ich. Er kann aber immer nur eine Krücke sein – eine lahme noch dazu, wenn Sie etwa wie folgt einsteigen: «Ich wollte mal fragen, ob Sie unseren Brief bekommen haben» oder «Hatten Sie schon Gelegenheit, meine E-Mail zu lesen?». Reflektieren Sie einfach mal, wie solche Gespräche verlaufen. In der Regel erhalten Sie ein «Hatte noch keine Zeit» – und schon sind Sie raus aus dem Gespräch.

Die Erfahrung zeigt: Wenn Sie effektive Gesprächseinstiege an der Hand haben, mit denen Sie sofort das Interesse des Angerufenen wecken, brauchen Sie keinen Brief als Pseudo-Anknüpfungspunkt. Ist der Kunde vorab informiert, ist das im Gegenteil eine ganz unglückliche Situation. Warum? Weil der Kunde sich beim Lesen – ohne Ihr Dabeisein – bereits eine eigene Meinung bildet, auf die Sie dann treffen. Wenn er den Brief liest und denkt «Ah, interessant, darüber will ich mehr erfahren!», dann ist es ein «Ja-Kunde», und Sie haben Glück gehabt. Die positive Reaktion eines Ja-Kunden bekommen Sie aber ohnehin bei einem guten Gesprächseinstieg im Ersttelefonat, was den Brief schlicht überflüssig macht.

Vielfach wird der Kunde aber denken «Ah, wieder so ein Werbeschreiben» oder «Ach, dieses Thema, naja, brauch ich nicht, hab ich schon…». Durch Ihren Vorab-Brief haben Sie sich dann selbst die Türe vor der Nase zugeschlagen. Ohne Vorab-Brief im Ersttelefonat, wenn der Kunde einen Einwand im laufenden Gespräch hat, sind Ihre Chancen grösser. Dann können Sie im direkten Austausch damit umgehen, seine Gedanken ergründen, ihn und seine Meinung im Gespräch in Ihre Richtung führen.

Das Fazit: Entweder brauchen Sie einen Vorab-Brief oder eine –E-Mail nicht, oder er schadet Ihnen sogar. Briefe sind eine Fehlallokation von Ressourcen. Oder einfacher gesagt: Zeitverschwendung. «

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