Marketing & Vertrieb

Aussendienst

Die Basisformel für den erfolgreichen Verkauf

Warum hat der Beruf des Verkäufers eher einen schlechten Ruf? Wieso fühlen sich Kunden von Aussendienstmitarbeitern häufig schlecht beraten, obwohl diese sich mehr als Berater denn Verkäufer sehen? Und wodurch unterscheiden sich Top-Verkäufer von Durchschnittsverkäufern? Nachfolgender Beitrag gibt Antworten.
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Die Verkaufsberatung wird oft sehr kritisch beurteilt: «Verkäufer versuchen Kunden zu überreden, sprechen nur von positiven Aspekten, verschweigen Risiken und Gefahren und ziehen Kunden, wenn es für den Verkaufsabschluss nötig ist, förmlich über den Tisch. Das erreichen sie durch den Einsatz raffinierter Verkaufstechniken und -tricks, mit denen sie Kunden manipulieren», heisst es dann. Wie in jedem Beruf gibt es auch unter Verkäufern schwarze Schafe, welche dem Kunden auch etwas verkaufen, das er nicht brauchen kann bzw. den versprochenen Zweck nicht erfüllt. Diese Art von Verkaufen wollen wir nicht. Wenn wir als Verkäufer dem Kunden etwas vorschlagen und verkaufen, dann muss das Produkt auch passend sein und funktionieren. Nur so können wir eine nachhaltige und wiederkehrende Kundenbeziehung aufbauen.

Diese Einstellung ist bei den meisten Verkäufern vordergründig durchaus gegeben. In meinen Verkaufstrainings erlebe ich oft, dass (gerade auch erfahrene Aus­sendienstmitarbeiter) zu Beginn betonen, dass sie gar keine Verkäufer, sondern Berater seien. Sie würden den Kunden nicht Produkte aufschwatzen und verkaufen, sondern die Kunden in Bezug auf die Möglichkeiten und den optimalen Einsatz der Produkte beraten. Damit erübrige sich das Verkaufen. Wenn das Produkt dem Kunden gefällt und seinen Vorstellungen entspricht, kaufe er von alleine. Vorsatz und Realität stimmen aber oft nicht überein. Im Rahmen von vielen Coachings konnte ich Aussendienstmitarbeiter bei Kundenbesuchen begleiten und erleben, wie Durchschnittsverkäufer ein «Beratungsgespräch» führen. Nach der Begrüssung und dem Gesprächseinstieg werden dem Kunden meist umgehend die Produkte und Systeme vorgestellt und erläutert. Und dies ohne vorher überhaupt (bzw. vertieft genug) geklärt zu haben, was der Kunde braucht und was er für Anforderungen und Vorstellungen hat. Ein solches Vorgehen hat sehr wenig mit «beraten» zu tun, sondern entspricht eben doch dem typischen Bild eines Verkäufers, welcher drauflosredet und seine Produkte anpreist.

Wer wirklich beraten will, muss zuerst die Situation und die Vorstellungen des Kunden verstehen. Erst dann kann man das für den Kunden geeignete Produkt vorschlagen und zu einem Abschluss kommen. Je mehr man die Kundensituation versteht, umso erfolgreicher wird man verkaufen. Oder mit den Worten von Henry Ford (1863 – 1947): «Das Geheimnis des Erfolgs ist, den Standpunkt des anderen zu verstehen.»

Wieso wird in der Verkaufspraxis zu wenig gefragt? Obwohl viele Aussendienstmitarbeiter gar nicht verkaufen, sondern beraten wollen und damit eigentlich eine sorgfältige Analyse der Kundensituation entscheidend wäre? Einige Verkäufer meinen (bewusst oder unbewusst), dass sie die Situation des Kunden schon gut genug kennen und gar nicht mehr fragen müssten. Oder sie sind an zusätzlichen Informationen nicht wirklich interessiert und wollen gleich zur Sache kommen. Andere Verkäufer wollen verhindern, dass der Kunde zu lange spricht und dadurch wertvolle Zeit verloren geht. Manche haben Angst, dass den Kunden die Fragerei nervt. Und bei zu vielen Fragen an der Gesprächsvorbereitung und damit an ihrer Kompetenz und Professionalität zweifelt. Jeder dieser möglichen Grundhaltungen ist gefährlich und kontraproduktiv. Vor allem, wenn man den Kunden noch gar nicht richtig kennt und keine persönliche Beziehung hat.

Die Verkaufsmathematik

Wie wichtig es im Verkauf ist, den Kunden zuerst zu verstehen, geht auch aus folgender zentralen Formel hervor: S>V>N>P. Diese Formel steht für: Sympathie kommt vor Vertrauen, Vertrauen kommt vor Nutzen, Nutzen kommt vor Preis. Dieser Satz ist eine Basisformel für den Verkauf. Welche Aussagen und Verkaufsgrundsätze beinhaltet er?

› Wenn ein Lieferant einen Zusatznutzen bieten kann, ist der Kunde auch bereit, etwas mehr zu bezahlen.

› Zusatznutzen allein genügt jedoch nicht. Wenn der Kunde kein Vertrauen zum Verkäufer und zur Firma hat, wird er nicht kaufen.

› Wenn zwei Lieferanten Vergleichbares anbieten, wird sich der Kunde für den Anbieter entscheiden, bei welchem er das grössere Vertrauen hat, also seinen bisherigen Lieferanten. Auch mit einem Superangebot wird er nicht wechseln (oder höchstens kurzfristig und vorübergehend).

› Bevor das Vertrauen gewonnen ist, sind auch die besten Verkaufsargumente (mit Kundennutzen) wirkungslos.

› Der erste Schritt im Verkauf muss also darin bestehen, das Vertrauen zum Kunden zu gewinnen. Dieses Vertrauen gewinnt man aber nicht dadurch, dass man drauflosredet und dem Kunden alles Mögliche präsentiert und erzählt. Sondern dadurch, dass man sich für den Kunden interessiert und den Kunden zum Reden bringt (bzw. reden lässt). Durch intensives Zuhören und mit den entsprechenden Fragen kann man dann herausfinden, was der Kunde braucht, wie er denkt und was er will.

› Damit der Kunde überhaupt mit dem Verkäufer reden will und sich Zeit für das Gespräch nimmt, muss zuerst der Sympathiefunken springen. Dies bestätigt und betont einmal mehr die Bedeutung und Wichtigkeit des ersten Eindrucks.

Um den Kunden bestmöglich verstehen zu können, braucht es eine gute Fragetechnik. Top-Verkäufer interessieren sich nicht nur für ZDF (Zahlen, Daten, Fakten), sondern stellen auch Ziel- und Wertefragen sowie Fragen nach den Anti-Werten des Kunden.

Ziel- und Wertefragen

› Welches sind die wichtigsten Anforderungen, die Sie an ... stellen?

› Abgesehen vom Preis – was ist Ihnen sonst noch wichtig an ...?

› Worauf legen Sie bei ... Wert?

› Was ist Ihnen besonders wichtig?

› Was noch?

Fragen nach den Anti-Werten des Kunden

› Was darf auf keinen Fall sein?

› Gibt es etwas, was Sie bei ... auf keinen Fall haben möchten?

› Was ärgert Sie an der heutigen Situation am meisten?

› Was möchten Sie mit der neuen Lösung nicht mehr?

Die Zeit für eine sorgfältige und gezielte Analyse lohnt sich. Je mehr ein Verkäufer die Werte beziehungsweise die Anti-Werte des Kunden erkennt und versteht, umso eher kann er dem Kunden genau das anbieten, was dieser braucht und will.

Wichtig ist, dass man bei der Analyse den Kunden reden lässt, also den Gesprächsfluss des Kunden möglichst nicht unterbricht. Verboten ist in dieser Phase, vom Fragen bzw. Zuhören ins Sagen zu wechseln und Eigenes einzubringen. Genau das fällt aber vielen im Verkauf sehr schwer. Wenn der Kunde sagt, was ihm wichtig ist, möchten viele Verkäufer diese Aussage sofort kommentieren (Ja genau, das finde ich auch sehr wichtig, weil ...) oder verstärken (Sie haben recht, das ist sehr wichtig. Ich habe schon vieles erlebt, was genau diesen Punkt bestätigt, z. B. ...). Oder Verkäufer wollen zeigen, dass sie kompetent sind bzw. die Situation des Kunden verstehen und fangen an zu spekulieren (Klar, verstehe ich. Sie wollen natürlich nicht, dass ...). Oder Sie wollen Zeit sparen. Kaum hat der Kunde ein bisschen angetönt, was er möchte und was er brauchen könnte, geht der Verkäufer sofort in die Angebotsphase und fängt an zu präsentieren. Alles Verhaltensweisen und Gewohnheiten, welche verhindern, dass sich der Kunde richtig öffnet und seine Werte und Anti-Werte vertieft erfahren und verstanden werden können.

Neben der fehlenden bzw. ungenügenden Analyse ist der Abschluss bei der Gesprächsführung oft eine weitere Schwachstelle. Viele Verkäufer sind in dieser Phase zu wenig konkret und zielorientiert. Wie oben bereits erwähnt, meinen sie, dass bei einer guten Beratung der Kunde selbst entscheiden und früher oder später kaufen wird. Diese Haltung ist aber gefährlich und oft falsch: Viele Kunden haben Mühe, sich zu entscheiden. Auch wenn sie die Möglichkeiten und Vorteile erkennen, zögern sie mit dem Kaufentscheid.

Dieses Zögern kann verschiedene Gründe haben. Zum einen könnte es ein ganz natürliches Reaktionsmuster und normales menschliches Verhalten sein. Denn Kaufen ist oft ein Weg zu etwas Neuem und Unbekanntem. Dies empfinden viele Menschen als grosse Hürde. In diesem Fall ist es wichtig, dass der Verkäufer dem Kunden hilft, den nächsten Schritt zu tun. Sonst besteht die Gefahr, dass der Kunde beim Gewohnten bleibt, und das Gespräch und damit die gesamte Beratung versandet.

Eine andere Möglichkeit ist natürlich, dass der Kunde die erhaltenen Informationen nutzen will, um Angebote von alternativen Lieferanten zu prüfen. Und wenn der Verkäufer Pech hat, kauft er dann dort. Deshalb muss für einen Verkäufer gelten: Ich will nicht nur beraten, sondern den Kunden auch zu einer (Kauf-)Entscheidung führen. Ein Verkauf ist in vielen Fällen im ersten Gespräch gar nicht möglich. Dazu sind mehrere Kontakte und Gespräche nötig. Aber bei jedem Gespräch muss als Abschluss zumindest das weitere Vorgehen (der nächste Schritt) vereinbart werden. Getreu nach dem Grundsatz: Kein Gespräch ohne Abschluss.

Jetzt werden viele sagen, dass dies doch selbstverständlich ist und in der Praxis auch so gemacht wird. Viele Verkäufer begnügen sich aber oft mit folgenden Abschlussfragen: Bis wann wissen Sie mehr? Oder: Wann soll ich mich wieder bei Ihnen melden? Wenn aber nicht konkret besprochen wird, wann, wo und wie der Kunde ein Produkt einsetzen könnte bzw. was genau noch geklärt werden muss, genügt ein solcher Abschluss nicht. Die Gefahr ist gross, dass der Verkäufer dann beim Nachfassen auf Grund laufen wird und das Ganze versandet.

Wer die hier behandelten Grundsätze verstanden hat und umsetzt, wird (früher oder später) in die Champions League des Verkaufs aufsteigen. In der Top-Liga des Verkaufs läuft ein Beratungs- und Verkaufsgespräch so ab, dass schlussendlich eigentlich nicht der Verkäufer verkauft, sondern der Kunde kauft. Für den Verkäufer gilt: Ich verkaufe nicht, sondern der Kunde kauft. Ein solcher Gesprächsverlauf ist nur möglich, wenn sich der Verkäufer für den Kunden (ehrlich und glaubhaft) interessiert und dessen Situation und Vorstellungen kennen und verstehen will. Entsprechend muss die Kun­denergründung im Vordergrund stehen und weniger die Präsentation der Produkte und Möglichkeiten.

Ein einfacher und guter Indikator zur Beurteilung des Verkaufsstils eines Verkäufers ergibt sich aus der Analyse der Redeanteile. Je mehr der Kunde redet, umso besser. Wie man sich zu einem Top-Verkäufer entwickeln und seine Verkaufs­erfolge steigern kann, ist eigentlich kein grosses Geheimnis. Die grosse Schwierigkeit und Herausforderung ist vielmehr, das, was man eigentlich wüsste, auch konsequent umzusetzen und anzuwenden. Wieso ist das so schwierig? Ganz einfach: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

Gewohnheiten sind Denk- und Verhaltensweisen, die im Unterbewusstsein gespeichert sind und ganz automatisch ablaufen, ohne lange darüber nachdenken zu müssen. Das hat gewaltige Vorteile: Es spart viel Zeit und Energie, gibt Sicherheit und entlastet. Die entscheidende Frage ist jedoch: Habe ich die rich­tigen Gewohnheiten? Die Gewohnheit überlegt sich nicht, ob sie richtig oder falsch ist. Der Gewohnheit ist diese Frage völlig egal – sie wird einfach abgerufen und ausgeführt.

Die häufigste Antwort auf die Frage, was die Messlatte sei, um die Richtigkeit von Gewohnheiten im Verkauf zu überprüfen, ist: Die Zufriedenheit des Kunden. Und woran erkennt man, ob die Kunden zufrieden sind? Hier ist meistens die Antwort: Wenn sie wieder kommen und bestellen. Diese Aussagen sind sicher nicht ganz falsch, aber zu wenig zu Ende gedacht. Hauptkriterium zur Beurteilung eines Verkäufers ist doch letztendlich der Erfolg. Deshalb gilt: Massstab zur Beurteilung meiner Gewohnheiten sind meine Erfolgsquoten.

Die Kundenzufriedenheit ist ein Teilaspekt, sagt aber noch nichts über die Erfolgsquoten aus. Es gibt Verkäufer, die ihre Kunden sehr gut unterstützen und betreuen, sich aber förmlich «missbrauchen» lassen: Im Verhältnis zum Umsatz und Deckungsbeitrag tun sie viel zu viel. Natürlich sind solche Kunden sehr zufrieden. Der Verkäufer verliert aber so viel Zeit, dass er zu wenig aus dem vorhandenen Potenzial in seinem Verkaufsgebiet rausholen kann. Und damit genügen seine Zahlen und sein Erfolg nicht.

Wer sich zum Top-Verkäufer entwickeln will, muss sich mit sich selbst und seinen Gewohnheiten auseinandersetzen. Wenn man erkannt hat, wo seine Schwächen sind und wie man sich verbessern kann, braucht es viel Disziplin und Wille. Denn eine Weiterentwicklung ist nur möglich, wenn man die Komfortzone verlässt und seine Gewohnheiten als Verkäufer verändert. Wer bereit ist, seine Gewohnheiten kritisch zu überprüfen, die Komfortzone zu verlassen und sich gezielt weiterzuentwickeln, begibt sich auf seinen persönlichen Weg zum Top-Verkäufer. Denn auch im Verkauf gilt das, was Buddha bereits vor langer Zeit erkannt hat: «Das Geheimnis des ausserordentlichen Menschen ist in den meisten Fällen nichts mehr als Konsequenz.» «

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