Marketing & Vertrieb

Customer Touchpoint Management

Dem Kunden an jedem Kontaktpunkt eine herausragende Erfahrung bieten

Man braucht kein Detektiv zu sein, um in jedem x-beliebigen Unternehmen kundenfeindliche Prozesse, Strukturen und Verhaltensweisen aufzuspüren. Punktuell gibt es zwar überall Highlights, doch irgendwo – und das meist beim schwächsten Glied – reisst die interne Leistungskette. Das Customer Touchpoint Management kann dem entgegenwirken – und Kunden glücklich machen.
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Grundsätzlich entstehen Customer Touchpoints, also Kundenkontaktpunkte, überall dort, wo der Kunde mit einem Unternehmen bzw. seinen Produkten und Dienstleistungen in Berührung kommt. Dies kann sowohl in direkter Form (Beratergespräch, Telefonat, Mailing usw.) als auch in indirekter Form (Meinungsportal, Pressebericht, Mundpropaganda usw.) geschehen. An jedem Touchpoint können positive wie auch negative Erlebnisse vorfallen. So kann ein einziges negatives Ereignis an einem für den Kunden wichtigen Kontaktpunkt zum sofortigen Abbruch der Geschäftsbeziehung und darüber hinaus zu rufschädigender Mundpropaganda führen. Damit dies nicht passiert, muss die Summe der positiven Erfahrungen bei Weitem überwiegen. Manche Touchpoints sind dabei effizienter als andere.

Was dahintersteckt

Unter Customer Touchpoint Management (Kundenkontaktpunkt-Management) verstehen wir die Koordination aller Massnahmen dergestalt, dass dem Kunden an jedem Kontaktpunkt eine herausragende sowie verlässliche und vertrauenswürdige Erfahrung geboten wird. Und dies, ohne dabei die Prozesseffizienz aus dem Auge zu verlieren. Ziel ist das stete Optimieren der Kundenerlebnisse an den einzelnen Kontaktpunkten, um die bestehenden Kundenbeziehungen zu festigen und via Weiterempfehlung hochwertiges Neugeschäft zu erhalten. Dazu heisst es, dem Kunden Enttäuschungen zu ersparen und über den Zufriedenheitsstatus hinaus immer wieder neue Momente der Begeisterung zu verschaffen.

Die intensive Auseinandersetzung mit den einzelnen Touchpoints ist auch aus interner Sicht von Vorteil. Sie legt Effizienzreserven frei und führt über eine Ressourcen-Optimierung schliesslich zu höheren Erträgen. Durch eine Priorisierung der erfolgswirksamsten Schlüssel-Touchpoints können beispielsweise Gelder weg von teuren und zunehmend wirkungslosen Anzeigenkampagnen hin zu dialogischen Massnahmen und zwischenmenschlichen Interaktionen geleitet werden. Aufgabe ist es, insbesondere auf solche Kontaktpunkte zu fokussieren, die Kundenloyalität und Empfehlungsbereitschaft am nachhaltigsten stärken.

Die Ist-Analyse

Der Prozess des Kundenkontaktpunkt-Managements besteht aus vier Schritten. Im ersten Schritt geht es um das Erfassen der relevanten Kontaktpunkte, das Verstehen der Prozesse und das Dokumentieren der Ist-Situation. Folgende Fragen lassen sich hierzu stellen: Welche Kunden treten an welchen Stellen und zu welchen Anlässen wie häufig mit welchen Mitarbeitern in Kontakt? Was erlebt er dort? Wie sehen die Abläufe an den einzelnen Punkten aus? Sind sie selbstzentriert oder aus Kundensicht gestaltet? Entsprechen sie dem natürlichen Kundenverhalten? Sind sie abteilungsübergreifend aufeinander abgestimmt? Sind sie markenkonform inszeniert? Wie gut leben die Mitarbeiter das, was Marke und Unternehmen versprechen?

Wo besteht Mundpropaganda und Empfehlungspotenzial? Wer sind die reichweitenstärksten und einflussreichsten Empfehler? Welche Angebote werden tatsächlich weiterempfohlen? Wo wird vehement abgeraten? Was läuft gut? Was muss weg? Was muss zukünftig anders beziehungsweise besser gemacht werden? Und wo besteht akuter Handlungsbedarf (aus Sicht des Kunden betrachtet, denn die allein zählt)?

Bestimmung der Touchpoints

Im ersten Schritt eines Customer-Touchpoint-Projekts werden zunächst alle Online- und Offline-Kontaktpunkte chronologisch gelistet, die ein Kunde im Zuge der Zusammenarbeit hat oder haben könnte. Diese sind aus der Perspektive des Kunden zu betrachten. Dabei werden sowohl die faktischen als auch die emotionalen Erlebnisse, die er an jedem Kontaktpunkt hat oder haben könnte, abteilungsübergreifend beleuchtet. Danach wird die Wertigkeit für das Fortbestehen einer guten Kundenbeziehung determiniert. Dazu kann eine Skala von null bis zehn verwendet werden, wobei zehn für die höchste Wertigkeit steht.

Wenn die Autorin Customer-Touchpoint-Workshops moderiert, stellt sie den Teilnehmern gern die folgende Frage: Welches ist der erste Kontaktpunkt, den ein potenzieller Kunde mit Ihrem Unternehmen hat? Die Antworten fallen – über alle Branchen hinweg – sehr ähnlich aus: Der Interessent kommt vorbei, er ruft an, er mailt, er erhält Unterlagen, er geht auf unsere Webseite, er wird von einem Berater besucht.

Hieran erkennt man die immer noch vorherrschend selbstzentrierte Sichtweise in den Unternehmen. In Wirklichkeit entstehen die ersten Kontakte ja schon sehr viel früher:

  • In seinem Umfeld hört er oder in den Medien liest der Interessent ganz beiläufig etwas über ein Unternehmen und seine Angebote – und dies ist positiv oder negativ.
  • Er befragt Kollegen oder Freunde, was sie zu dieser und jener Firma und ihren Produkten und Services sagen können.
  • Er googelt den Anbieter und stösst dabei auf zu- oder abratende Einträge in Foren und Blogs oder auf Meinungs- und Bewertungsportalen.

So kommt es, dass viele Unternehmen es sich mit ihren Interessenten bereits verscherzt haben, noch bevor es überhaupt zu einem ersten direkten Kontaktversuch kam. Dabei erlangt ein spezieller Kundenkontaktpunkt zunehmend eine herausragende Bedeutung: Das Suchfeld von Google & Co. Immer öfter ist es der Startpunkt einer potenziellen Kundenbeziehung – und manchmal gleichzeitig das Ende.

Die Mitarbeiter einbeziehen

Nachdem das Ensemble der zu betrachtenden Touchpoints nach Art und Wertigkeit definiert ist, identifiziert man im nächsten Schritt die Schwachstellen sowie die Treiber dauerhaft guter Kundenbeziehungen. Hierzu werden sowohl die kritischen Ereignisse als auch die positiven Geschehnisse aufgelistet, die einem Kunden an jedem Touchpoint widerfahren – oder im schlimmsten Fall widerfahren könnten. Im Rahmen von Workshops lässt die Autorin dazu von den Mitarbeitern die folgenden Aufgabenstellungen bearbeiten:

  • Wenn ich selber Kunde bin, was ist mir dann besonders wichtig?
  • Wenn ich selber Kunde bin, was ärgert mich und stösst mich ab?
  • Was erzählen unsere Kunden im Guten wie im Schlechten über uns? Wonach haben sie in letzter Zeit öfter gefragt?
  • Was dürfen wir keinesfalls tun, weil es unsere Kunden vergrault und vertreibt?
  • Was sind die Minimumerwartungen unserer Kunden, also solche, die immer erfüllt werden müssen?
  • Was könnte unsere Kunden begeistern, weil es ihre Erwartungen übertrifft?
  • Was habe ich als Mitarbeiter/Mitarbeiterin davon, wenn ich Kunden begeistere? Was hat das Team davon, wenn wir das alle gemeinsam tun? Und die Firma?
  • Was ist die absolut verrückteste Idee, die uns zum Thema Kundenbegeistern und Mundpropaganda-Machen in den Sinn kommt?

Bei all dem wird in erster Linie nach tatsächlichen oder denkbaren positiven Erlebnissen gefahndet. Oft besteht allerdings dabei die Tendenz, die eigenen Leistungen eher zu beschönigen oder aber in einem zu warmen Licht zu sehen. Deshalb ist es wichtig, ganz bewusst auch die Schwachstellen zu beleuchten. Ferner muss zudem über Handlungsblockaden gesprochen werden. Denn erst, wenn die wahren Ursachen offen liegen, lässt sich etwas dagegen tun.

Damit dann das Ausmerzen der Minderleistungen gezielt in Angriff genommen und als Herausforderung gesehen werden kann, lohnt es sich, diesem Prozess klingende Namen zu geben. Prof. Dr. Heike Bruch, Professorin und Direktorin am Lehrstuhl für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen, schlägt folgende Namen vor: «Den Drachen besiegen» oder «Die Prinzessin vom Eis holen». So wird schliesslich gezielt auf die Stärken fokussiert.

Die Kunden einbeziehen

Da es sich bis zu diesem Punkt um Einschätzungen handelt, sollten in der Folge die Kunden aktiv einbezogen werden. Sie voten, kommentieren, ergänzen, geben Anregungen, Hinweise und Tipps. Sie berichten darüber, was sie wie denken und warum tun. Und sie erzählen von ihren Idealvorstellungen. Konkret heisst das: Ausgewählte Kunden machen bei diesem Prozess mit. Oder sie werden mündlich respektive schriftlich befragt. Besser noch: Sie werden auf angemessene Weise beobachtet. Oder man zieht die bereits existierenden Kommentare aus Zufriedenheitsbefragungen zu Rate. Oder man nimmt sich Beschwerdefälle aus der Vergangenheit vor. Oder man durchforstet das Web auf der Suche nach Meinungen, Beispielen und Kommentaren. Übrigens: Letzteres auch mal für die Konkurrenz zu machen, das kann sehr lehrreich sein. Die Erkenntnisse aus solchen Untersuchungen können zu völlig neuen Einsichten führen. So glaubten die Manager eines Versicherungskonzerns, dass im Web die teuren Tarife kritisiert würden. Nach dem Monitoring war hingegen klar: Die Kunden waren vor allem sauer über die Penetranz des Aussendienstes. Mit entsprechenden Schulungsprogrammen konnte schliesslich gegengesteuert werden.

Die Kundenintegration ist auf vielerlei Weise möglich. So wurde zu der Zeit, als die Mädchen noch bauchfrei gingen und Jungs Baggy-Hosen trugen, einmal in einer Bank die Kleiderordnung diskutiert. Anstatt nun von «oben» herab zwingende Regeln zu erlassen, schickte man die Azubis zu einer Befragung in die Fussgängerzone. Ergebnis: Die Kunden gaben ein klares Votum ab, wie sie sich das Äussere junger Bankmitarbeiter vorstellten. Die Chefs brauchten also keine Gammel-T-Shirts, Piercings und nackten Bäuchlein zu verbieten, das ergab sich wie von selbst.

Fazit

Mit dem Customer Touchpoint Management erhalten Unternehmen ein praxisnahes Navigationssystem, mit dessen Hilfe kundenbezogene Prozesse transparent und steuerbar werden. Dabei kooperiert man mit den Kunden und bindet sie in die Abläufe ein. Dies senkt nicht nur das unternehmerische Risiko, sondern baut auch Eintrittsbarrieren für den Wettbewerb auf. Denn wenn man Menschen zeigt, dass man sich für ihre Meinung wirklich interessiert, verändert sich deren Haltung zum Unternehmen und seinen Angeboten positiv. Dies wiederum schafft Verbundenheit und sorgt für den «Mein Baby»-Effekt. Und wer lässt schon gerne sein Baby im Stich?

Porträt