Marketing & Vertrieb

Betriebliche Kommunikation

Damit PowerPoint nicht die Botschaft verdirbt

Endlose Folien, dünner Inhalt, stark erklärungsbedürftige Bilder oder Schlagwortlisten. Die Schar der PowerPoint-Kritiker ist gross. Welche Missverständnisse beim Einsatz von PowerPoint in der betrieblichen Kommunikation entstanden sind und wie ihnen zu begegnen ist, zeigt dieser Beitrag.
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Seitdem PowerPoint auf dem Markt ist, gibt es vehemente Kritik an diesem Produkt. Allen voran lehnt Edward Tufte mit seinen pointierten Aussagen wie «PowerPoint Is Evil. PowerPoint Corrupts. PowerPoint Corrupts Absolutely.» dieses Mittel der Vortragsgestaltung radikal ab. Bekannt wurde auch das Zitat von General Mattis vom US Marine Corps: «PowerPoint makes us stupid». Josef Joffe schreibt kritisch in ZEIT-Online: «An die Wand geworfen. Warum PowerPoint-Präsentationen und Marketing-Jargon Sprache und Geist beschädigen.» Die Liste der PowerPoint-Kritiker ist lang – aber was ist denn so schlimm an PowerPoint?

Mit dem Software-Produkt PowerPoint kann man in einfacher Form Diagramme, Bilder, Texte, Filme usw. präsentieren. PowerPoint macht den Dokumentenaustausch sehr einfach, denn PowerPoint ist zum internationalen Standard für Vortragsschaubilder geworden. Aber was überhaupt nicht gefällt, ist die mit PowerPoint einhergehende «Kultur» – oder eher «Unkultur». Und die ist wohl auch der Kern der genannten Kritiken: Nicht die Software als solche, sondern das, was typischerweise damit gemacht wird, ist das Ärgernis. Das Produkt ist einfach zu bedienen, es hat viele praktische Funktionen – und es hat eine standardisierende, aber leider auch einebnende Wirkung auf die Darstellung. Und deshalb ist das Produkt «mitschuldig» an den negativen Auswirkungen, wird doch anhand von Beispielen und Assistenzfunktionen vermittelt, dass jeder mit ein paar Klicks eine gute «Präsentation» erstellen könne. Bei einer solchen Präsentation geht es dann nicht mehr um die wichtigen und richtigen Inhalte, Argumente, Beweise und Empfehlungen, sondern vor allem um hübsch anzusehende Bilder. Die so entstehenden Bildsequenzen, die dem Publikum via PowerPoint gezeigt werden, sind oft eine Zumutung: Von sogenanntem «Corporate Design» und viel sonstigem, Dekoration geprägtem, «dünnem» Inhalt. Typisch dafür sind Listen von Schlagwörtern und erklärungsbedürftige Konzeptbilder.

Selten sind wir als Zuhörende daran interessiert, noch mehr «Folien» zu sehen als unbedingt notwendig – und wenn die Referierenden androhen, ihre Back-up-Folien zu zeigen, so sinkt meistens die Stimmung. Viele Zuhörenden sind froh, wenn die Präsentation endlich vorbei ist, und kaum jemand will eine durchschnittliche PowerPoint-Präsentation noch einmal erleben, wie etwa einen guten Film oder ein gutes Buch. Wir haben uns daran gewöhnt, viele der gezeigten Bilder nur mit ermüdenden Erläuterungen zu verstehen, und wir finden es ganz normal, dass das «Handout» nur mehr eine Kopie der gezeigten Bilder ist. Man muss dazu dann sagen: Das Medium verdirbt die Message.

Es gibt im Zusammenhang mit PowerPoint-Präsentationen eine Reihe von gravierenden Missverständnissen, die ich im Folgenden korrigieren möchte:

Missverständnis 1

Die Schlussfolgerung kommt am Schluss

Nein, die Zuhörenden wollen gleich zu Beginn wissen, was unsere Botschaft ist, und diese Botschaft sollte möglichst eine glaubwürdige Antwort auf die Fragen der Zuhörerschaft sein. Dazu müssen die Vortragenden natürlich wissen, welche Frage beim Publikum vorliegt. Und wenn sie es nicht wissen, so sollten sie zumindest am Anfang sagen, welche Frage sie im Verlauf der Präsentation beantworten wollen. Sicherheitshalber können sich die Vortragenden bei ihrer Botschaft auch mit einer rhetorischen Frage rückversichern, beispielsweise in der folgenden Art: «Nicht wahr, das ist es, was Sie von mir in der nächsten halben Stunde erfahren wollen?»

Eine Präsentation ist kein Selbstzweck, eine Präsentation dient dazu, dass nach der Präsentation die Zuhörenden das denken (und vielleicht auch tun), was die Referierenden vermitteln möchten. Dazu ist es wichtig, dass sie zu Beginn sagen, was sie vermitteln wollen, was also ihre Botschaft ist. Im Verlauf der Präsentation erbringen sie dann Beweise, Erklärungen oder Argumente zur Unterstützung ihrer Botschaft. Sich am Ende einer Präsentation für die Aufmerksamkeit zu bedanken, ist absurd: Fassen die Vortragenden noch einmal kurz zusammen, was ihre Botschaft ist, dann wird sich das Publikum für das Gelernte bedanken – und nicht der Referent für die ihm vom Publikum geschenkte Zeit. Die praktische Erfahrung zeigt leider, dass einer klaren Botschaft und den notwendigen Argumenten für deren Erläuterung viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Nicht selten kann man auf die Frage an die Referierenden, was denn nun ihre Botschaft sei, die folgende Antwort hören: «Nun, ich will das Management über den Geschäftsstatus informieren» – als wenn das nicht selbstverständlich wäre, wenn der Titel der Präsentation «Statusbericht Dezember 2012» heisst.

Aber was ist denn die prägnante, in einem Satz zusammengefasste Botschaft für eine halbstündige Präsentation? Dies herauszuarbeiten und dafür die geeigneten Argumente zu finden, sollte drei Viertel der Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen – und nicht das Malen von Schaubildern. Eben dieser Tatbestand ist der PowerPoint-Unkultur anzulasten: Die zu starke Beschäftigung mit den einzelnen Bildern lenkt von der zentralen Aufgabe einer Präsentation ab, nämlich einer klar formulierten und über allem stehenden Botschaft.

PowerPoint-Schaubilder gleich Präsentation

Nein, der Vortrag steht im Mittelpunkt der Veranstaltung – mit oder ohne Unterstützung durch PowerPoint-Bilder. Die gezeigten Schaubilder wie auch Flipchart-Skizzen können zwar als Beweismittel und Erklärung für die vorgetragenen Argumente dienen, sie sind aber nie der Vortrag selbst. Zwar hört man häufig die Bitte: «Schicken Sie mir doch bitte Ihre Präsentation zu». Aber was damit gemeint ist, ist natürlich nicht die Präsentation, sondern die während eines Vortrags gezeigten Schaubilder.

Diese doppelte Bedeutung des Wortes Präsentation zeigt ein grosses Missverständnis: Präsentationen werden nur durch die Referierenden zu einem Erlebnis; Fachkenntnis, Auftreten und Glaubwürdigkeit der Vortragenden machen eine Präsentation aus – nicht aber die kopierten und oftmals nicht ohne weitere Erläuterungen verständlichen Schaubilder. Auch hier zeigt sich das Haupt-Problem in der PowerPoint-Kultur – in der Überbetonung der Schaubilder: Die Aneinanderreihung von noch so vielen Bilder kann nicht den Referenten ersetzen – denn das ist es ja, was Präsentationen von Berichten, was das Gehörte vom Gelesenen unterscheidet: Die Persönlichkeit des Referenten. Dies wird spätestens dann klar, wenn sie versuchen, mit den Schaubildern, mit deren Hilfe ihr Chef so überzeugend referiert hatte, einen eigenen Vortrag zu halten.

PowerPoint-Schaubilder gleich Handout

Nein, das sollte nicht so sein. Das zu einer Präsentation ausgeteilte Handout hat zwei Ziele: Erstens soll es den Adressaten, die nicht anwesend sein konnten, die wichtigsten Inhalte der Präsentation vermitteln, und zweitens soll es für die Teilnehmenden als Protokoll der Veranstaltung dienen.

Ein Handout – wie auch ein Bericht – ist demnach in erster Linie Text, also ganze Sätze, die auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft werden können. Die so häufig kritisierte «PowerPoint-Sprache», die lediglich aus Aufzählungen und Halbsätzen ohne Verben besteht, ist dafür völlig ungeeignet. Deshalb ist es sinnlos, wenn das Handout lediglich eine Kopie der gezeigten Schaubilder ist. Wenn nämlich das Handout in diesem Sinne vollständig wäre, dann könnten die Zuhörenden auf die Teilnahme an der Präsentation verzichten. Wenn das Handout aber nicht vollständig ist, so erfüllt es nicht seinen Zweck. Wenn das Handout also gleich den gezeigten Schaubildern ist, dann wird entweder zu viel Text auf der Leinwand gezeigt und der Referent ist un­nötig, oder aber es fehlen die erläuternden Texte im Handout.

In der heutigen PowerPoint-Kultur spart man sich aber meistens die Mühe, ein Handout zu verfassen – und sei es auch nur eine einzige Seite Volltext. Mit Aufzählungen und Halbsätzen ohne Verben lässt sich aber kein komplexer Sachverhalt kommunizieren, dies ist wohl die grösste Schwäche der PowerPoint-Unkultur. Böse Zungen behaupten, dass der Erfolg von PowerPoint mit darauf aufbaue, dass man zwar viele Seiten vorlegen könne, auf denen man dennoch wenig sagen müsse. Der Inhalt vieler PowerPoint-Handouts mit 20 und mehr Seiten lässt sich meist auf einer einzigen A4-Seite zusammenfassen – und dadurch auch verständlicher machen.

Es ist vermutlich die Mischung von gewünschter Unverbindlichkeit (ohne ausformulierte Sätze muss man sich nicht festlegen) und verständlicher Bequemlichkeit (ein schriftlich zusammengefasster Vortrag macht viel Arbeit) der Grund dafür, dass in fast allen PowerPoint-Präsentationen die gezeigten Schaubilder gleich dem verteilten Handout sind. Zu welchen Auswüchsen dies führen kann, zeigen die heute üblicherweise zur Verfügung gestellten Tagungsunterlagen: Es ist ein vergebliches Unterfangen, sich damit einen Überblick über die wichtigsten Vortragsinhalte verschaffen zu wollen.

Schaubilder sollten möglichst wenig Inhalt zeigen

Nein, denn dem steht die Forderung von Edward Tufte nach «hoher Informationsdichte» bei jeder Form der Visualisierung entgegen: Nur dann, wenn komplexe Zusammenhänge gemeinsam in einem Bild vermittelt werden, kann man sie verstehen. Wenn dagegen die gleichen Inhalte über mehrere Schaubilder verteilt werden, so geht die Übersicht und damit die Vergleichsmöglichkeit verloren.

Natürlich müssen komplexe Schaubilder in kleinen Schritten nacheinander aufgebaut werden, damit nach einigen Minuten Dauer die vollständigen Zusammenhänge auf der Leinwand zu sehen und zu verstehen sind. Auf diese Art werden in einer einstündigen Präsentation nicht 50 oder 60, sondern fünf oder sechs Bilder gezeigt, die aber jeweils aus zehn oder mehr kleinen Schritten aufgebaut werden. Fünf oder sechs Themenkomplexe kann man vielleicht aus einer einstündigen Präsentation mitnehmen – nicht aber 50 oder 60 Einzelthemen einer typischen PowerPoint-Präsentation. Es sind die komplexen Sachverhalte, die es gilt, mit Bildern zu verdeutlichen. Banale Botschaften wie «unser Exportanteil beträgt 50 Prozent» sind kein Schaubild wert.

Hohe Informationsdichte ist ein wichtiges Thema für erfolgreiche Kommunikation – natürlich gilt dies nur für grafische Darstellungen, nicht für Texte (siehe Missverständnis 5). Hierzu gehört die Festlegung der kleinsten, aber noch gut lesbaren Schriftgrösse bei allen Formen der Beschriftung wie Zahlen, Achsen und Bezeichnungen usw.

Lesen und Hören verbessert die Erinnerung

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Es ist erstaunlich, wie oft man dieses Argument hört, dabei stellt es eine falsche Interpretation der richtigen Erkenntnis dar, wonach man sich das gleichzeitig «Gesehene und Gehörte besser merken kann». Lesen ist aber nicht das Gleiche wie Sehen. Es ist ärgerlich, wenn Texte auf der Leinwand stehen, die mehr oder weniger synchron vom Referenten erläutert werden. Lesen können wir allein, wir benötigen niemanden, der uns seinen «Spickzettel» zeigt und dann mit freien Worten darüber spricht. Es stimmt nicht, dass die Glaubwürdigkeit dadurch steigt, wenn man die fünf Gründe, die vier Phasen oder die drei Schritte des Referenten lesen kann und gleichzeitig hört.

Die Zuhörenden sind immer verunsichert, wenn sie nicht wissen, ob sie nun den spannenden Ausführungen des Referenten lauschen oder den an der Leinwand gezeigten Text lesen sollen. Immer dann, wenn der Referent etwas zu sagen hat, sollte möglichst kein Bild an der Wand zu sehen sein. Dann konzentrieren sich alle Zuhörenden auf den Referenten. Sollte dann der Referent ein Bild, ein Foto, einen Ablaufplan oder Ähnliches benötigen, so kann er nach seinen Ausführungen ein Schaubild nutzen, um das Gesagte zu verdeutlichen. Ganz nach dem Motto: «Ein Bild sagt mehr als tausend Worte». Leider wird meistens zuerst ein Bild an die Wand geworfen, das dann mit vielen Worten erläutert wird.

Eine Ausnahme vom Verbot, Texte an der Wand zu zeigen, ist dann gegeben, wenn über einen Text – etwa ein Zitat oder eine Gesetzesformulierung – gesprochen wird; hier sollte dem Publikum der Text natürlich vorliegen. Etwas anderes ist es, wenn die Zuhörenden bereits während des Vortrags ein Handout oder ein Manuskript erhalten haben: Hier ist Fliesstext kein Problem. Ganz im Gegenteil: Hier entscheiden die Zuhörenden selbst, ob sie parallel zum Vortrag einzelne Passagen mitlesen wollen.

Corporate Design ist wichtig

Ja und Nein, ein richtig verstandenes und praktisch umgesetztes Corporate Design ist sehr wichtig. Die einheitliche Bildsprache, das schön und einheitlich gesetzte Schriftbild und das wiedererkennbare Layout bei allen Formen der visuellen Kommunikation können identitätsstiftend sein. Aber welchen Unfug müssen wir bei den PowerPoint-Vorlagen vieler Unternehmen erleben: Übergrosse Logos auf jedem einzelnen Schaubild, redundante «Stilelemente» wie Bögen, Farbstreifen, Hintergrundfarben oder sogar Produktfotos auf jeder einzelnen Folie. Dazu kommen noch platzfressende «Tabu-Zonen» wie Ränder und Rahmen, die nicht für wichtige Inhalte zur Verfügung stehen.

Es ist bei fast allen PowerPoint-Vorlagen störend, wenn nicht die Vermittlung des Inhaltes im Mittelpunkt steht, sondern eine falsch verstandene Gleichmacherei in der visuellen Gestaltung. Einheitliche Farben und Formen sind wichtig – aber nicht für dekorative Zwecke, sondern allein für bestimmte Bedeutungen, für bestimmte fachliche Inhalte.

Um auf den Titel des Beitrags zurückzukommen: Ja, die Kultur von PowerPoint kann leicht die Botschaft verderben. Und es kommt noch schlimmer: Viele PowerPoint-Präsentationen haben gar keine klare Botschaft, die mit Hilfe einiger Schaubilder in einer strukturierten Abfolge vermittelt wird. Stattdessen bestehen diese Präsentationen aus einer Aneinanderreihung von «Folien», die vom Referenten erläutert werden.

Und hier soll noch einmal auf das Missverständnis 5 eingegangen werden: Ein Schaubild sollte man möglichst nicht erläutern müssen, es sollte stattdessen unsere Botschaft erläutern. Auf die negativen Auswirkungen der PowerPoint-Nutzung in Schulen und Universitäten soll hier nicht näher eingegangen werden, aber die oben geschilderten Missverständnisse bestehen vielfach auch dort.

Und so kommt es wohl, dass wir uns inzwischen daran gewöhnt haben, bunte Power­Point-Bilder als zwingendes Beiwerk jedes Vortrags zu erleben: Von der Grundschule bis zur Universität, von den Beraterpräsentationen bis zur Bilanzpressekonferenz. Es ist ein seltener Glücksfall geworden, einen Referenten zu erleben, der sein Anliegen ohne unnötige Dekoration überzeugend vermitteln kann.

Abschliessend soll eine Wunschliste für Vorträge (ohne Schaubildunterstützung) oder Präsentationen (mit Schaubildunterstützung) vorgestellt werden, die nicht nur im betrieblichen Umfeld gelten sollte. Die Referierenden mögen bitte …

1. … gleich zu Beginn sagen, was sie uns sagen werden: Ihre in einem Satz zusammengefasste Botschaft;

2. … anschliessend sagen, wie sie ihren Vortrag einteilen, wie sie vorgehen werden, und wie viel Zeit sie dafür benötigen: Ihre Argumentationskette;

3. … bei allen späteren Argumenten, Beispielen und Erkenntnissen zuerst sagen, was sie zu sagen haben (und während dieser Zeit möglichst nichts an der Leinwand zeigen) – und erst dann das eventuell dazu benötigte Schaubild heranziehen: Bei Bedarf erklären Bilder die Botschaft der Referenten – und es werden nicht Bilder von den Referenten erklärt;

4. … zum Schluss zusammenfassen, was sie gesagt haben und was davon besonders wichtig ist: Ihr Fazit;

5. … im Anschluss an den Vortrag mit den Entscheidern klären, wie es nun weitergehen soll: Die nächsten Schritte vereinbaren.

Vielleicht können so auch viele PowerPoint-Präsentationen vermieden werden, weil sich die in Form eines kurzen Berichts vermittelten Inhalte – eventuell mit Tabellen oder Bildern ergänzt – auch für einen Versand per E-Mail eignen. Echte Präsentationen erhielten dann wieder die ihnen zustehende Bedeutung und wären nicht mehr das trügerische Allheilmittel für jede Art von Informationsvermittlung. «

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