Interviews

Im Gespräch mit Professor Dr. Urs A. Weidmann

Wie Methanol die Energieprobleme der Zukunft lösen soll

Professor Dr. Urs A. Weidmann, CEO der Silent-Power AG sowie Gründer und Leiter mehrerer anderer Unternehmen, über Methanol als Energieträger der Zukunft, sein Konzept dezentraler Kleinkraftwerke und die wachsenden Verwaltungshürden durch den Bund.
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Herr Professor Weidmann, Sie wollen mit umweltfreundlichen, methanolbetriebenen Minikraftwerken das Energieproblem der Zukunft lösen. Das von Ihnen entwickelte Minikraftwerk «Econimo» ist bereits marktreif, das erste wurde Ende August von den Wasserwerken Zug in Betrieb genommen. Was genau ist das Spezielle an «Econimo»?

«Econimo» ist die Abkürzung von «Energy Converter Integral Module». Es handelt sich um eine «Trigeneration»-Anlage, die aus dem umweltfreundlichen Brennstoff Methanol Strom, Wärme und Kälte produziert. Sie unterscheidet sich von den normalen Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen dadurch, dass sie auch Kälte produziert und man sie zur Kühlung von Gebäuden einsetzen kann. Als weiterer Vorteil ist eine dezentrale Stromversorgung möglich, das heisst ohne Hochspannungsleitungen über Land. «Econimos» können stationär und mobil eingesetzt werden.

Inwiefern ist Methanol umweltfreundlicher als andere Energieträger?

Das zentrale Bild unserer Technik ist der CO2-Kreislauf. Methanol lässt sich aus Strom, CO2 und Wasser in einem einfachen, einstufigen Syntheseverfahren erzeugen. Dieses Verfahren kann zentral in Grossanlagen oder dezentral in Kleinanlagen erfolgen, und zwar dort, wo zeitweise Überschussstrom produziert wird, zum Beispiel bei Solaranlagen und Kernkraftwerken, die man aus ökonomischen und technischen Gründen dauerhaft betreiben muss. So wird Methanol zu einem flüssigen Stromspeicher. Dafür sind Flüssigkeiten allgemein besonders geeignet. Flüssigkeiten können einfach mittels Pumpen bewegt werden. Methanol lässt sich mit einem gewöhnlichen Öltanker, der einmal gereinigt wurde, transportieren, weil Methanol im Vergleich zum Flüssig­erdgas LNG weder Überdruck noch Kühlung braucht. Der Schiffstransport über Wasser erzeugt die geringsten Reibungsverluste. Das Methanol lässt sich natürlich auch zum Betreiben des Schiffes selbst einsetzen, was viel umweltfreundlicher ist als Schweröl, mit dem die meisten der Schiffe heute fahren.

Und was zeichnet den Brennstoff selbst aus?

Methanol wird in der Natur sofort abgebaut. Aus diesem Grund kommt es in der Natur fast gar nicht vor. Holt man das CO2 zur Herstellung direkt aus der Atmosphäre, produziert man einen CO2-neutralen Brenn- oder Treibstoff. Durch Verbrennen des Alkohols Methanol entstehen kein Russ und keine giftigen Abgase. Methanol kann man jahrhundertelang aufbewahren, im Gegensatz zu gewöhnlichem Heizöl. Bei diesem verfallen nämlich die langen Moleküle und es bildet sich Paraffin im Heizöltank, weshalb alle paar Jahre eine Tankrevision durchgeführt werden muss. Dieses Problem gibt es bei Methanol nicht. Um Methanol in Strom, Wärme und Kälte zu verwandeln, haben wir das Minikraftwerk entwickelt.

Methanol kann aus Holz, Erdgas oder Kohle produziert werden. Wurde Ihr Strom-Wasser-CO2-Verfahren neu entwickelt?

Der ungarische Professor George A. Olah hat ein Verfahren für die Methanolwirtschaft entwickelt, mit dem sich Methanol aus Bestandteilen der Luft erzeugen lässt, zum Beispiel aus Industrieabgasen oder aus der Atmosphäre. Professor Olah hat für die Entwicklung des von ihm vorgeschlagenen Katalysators 1994 den Nobelpreis für Chemie erhalten. Als erstem Chemiker gelang es ihm Anfang der 1960er-Jahre, ein langlebiges und stabiles Carbokation herzustellen. Als Carbokationen werden in der organischen Chemie Kohlenwasserstoff-Moleküle bezeichnet, die ein positiv geladenes Kohlenstoffatom besitzen.

Und an welche Zielgruppe verkaufen Sie schliesslich Ihre Minikraftwerke?

Diese sind für grössere Gebäude konzipiert, zum Beispiel für Mehrfamilienhäuser. Wir betreiben zurzeit drei Testanlagen, die jetzt noch verhältnismässig gross sind. Mit laufender Entwicklung lassen sich die Anlagen wesentlich verkleinern. Unser Geschäftsmodell ist nicht der Direktverkauf an Hauseigentümer. Wir wollen unsere Econimos den Stromversorgern als Netzsta­bilisatoren anbieten.

Welche konkreten Projekte gibt es bereits?

Ende August dieses Jahres wurde ein Minikraftwerk für die Wasserwerke Zug (WWZ-Gruppe) in Betrieb genommen. Dieses hat eine Kapazität von 25 Kilowatt Strom, den man vor Ort ins Netz einspeisen kann. Die Wasserwerke Zug fördern jetzt den Ökostrom, den Anteil davon will man auf bis zu maximal 30 Prozent steigern. Die Wasserwerke versorgen grosse Häuserblöcke auch mit warmem und kaltem Seewasser aus dem Zugersee. Im Sommer wird mit dem etwa 17 Grad warmen Wasser gekühlt, im Winter wird das Temperaturniveau mit Wärmepumpen angehoben. Ein Stromanteil dieses Umfangs in Form von Solarstrom oder Windenergie kann kritisch werden, da die Einspeisung starken Schwankungen ausgesetzt ist. Deswegen ist für die Wasserwerke der dezentral erzeugte Spitzenstrom wichtig, um Versorgungslücken zu füllen. Unsere «Econimos» lassen sich innerhalb von Sekunden starten und geben sofort die volle Leistung ab. Sie übernehmen die Funktion als Netzstabilisatoren.

Wie verdient die Firma Silent-Power am Modell?

Die Hausbesitzer bekommen wie üblich periodisch eine Stromrechnung, auf der in weiteren Zeilen die «Total bezogene Wärme» und «Total bezogene Kälte» aufgeführt sind. Der Stromversorger behält dann einige Prozent für die «Money Collection» und gibt uns den Rest weiter. Unser Geschäftsmodell beruht also nicht darauf, dass wir Minikraftwerke verkaufen, sondern wir verkaufen Strom, Wärme und Kälte.

Verkaufen Sie auch Hausbesitzern «Econimos», wenn diese das wünschen?

Der Verkauf der Minikraftwerke kommt vernünftigerweise erst in Betracht, wenn die Kinderkrankheiten ausgemerzt sind. Denkbar wäre dies für Häuserblöcke mit 10 bis 15 Apartments, Altersheime, Schulen, Shopping Centers und Unternehmen. Für Einfamilienhäuser ist diese Anlage nicht ökonomisch, da dort der Verbrauch an Strom, Wärme und Kälte zu gering ist und günstiger mit Wärmepumpen gedeckt werden kann.

Sie sagen, dass die Methanolwirtschaft die Kernenergie ersetzen kann. Ist die Umstellung realisierbar, bevor diese abgeschaltet werden?

Richtig, ich will mit unseren Minikraftwerken den Ersatz für die Kernenergie realisieren. Angenommen, man müsste unsere Kernkraftwerke nach Ablauf der Nutzungsdauer durch fünf neue ersetzen, wäre das ein riesiger Aufwand. Unsere Lösung ist wesentlich ökonomischer, benötigen wir doch nur acht Prozent der Investitionskosten, die für fünf neue Kernkraftwerke nötig wären.

Halten Sie demnach auch Fernheizungssysteme für unökonomisch?

Von den Betreibern des Atomkraftwerkes Leibstadt hat man verlangt, dass in den Wintermonaten ein Teil des Dampfes nicht zur Stromproduktion, sondern zur Speisung des Fernheiznetzes Refuna benutzt werde. Durch das Abschalten Leibstadts fällt die Wärmequelle des Fernheiznetzes weg. Teilweise hat man die Hausbesitzer gezwungen, sich Refuna anzuschliessen. Nach der Abschaltung des Kernkraftwerkes sind diese Häuser ohne Versorgung und der Staat muss für Schadenersatz sorgen und diesen mit Steuergeldern finanzieren, weil diese Häuser keine Öltanks und keine Kamine haben.

Inwiefern sind Ihre Minikraftwerke ökonomischer?

Die Energieeffizienz für Strom beträgt bei «Econimo» wie bei der Kernenergie 25 Prozent, aber man kann die restliche Energie, die bei Kernkraftwerken mittels Kühlturm «entsorgt» werden muss für Wärme- und Kälteanwendungen nutzen, also für eine Rundumversorgung von Gebäuden. Der Verlust liegt deshalb beim «Econimo»-Minikraftwerk unter fünf Prozent. Man braucht für «Econimos» keinen Kamin, weil keine Gift- und Geruchsstoffe austreten, sie arbeiten geräuschlos und wenn man Spitzenenergie benötigt, bekommt man diese in Sekundenschnelle nach dem Start. Dazu sind unsere Anlagen dezentral, man muss den Strom nicht über weite Strecken transportieren, was die Transportverluste eliminiert.

Sie sind auch Geschäftsleiter des Unternehmens Imes Management AG. Was macht dieses?

Mit dieser Firma verdienen wir das notwendige Geld für so teure Hobbys wie die Entwicklung von Minikraftwerken. Imes ist eine Unternehmensberatungsfirma, die Unternehmen dabei unterstützt, Niederlassungen in der ganzen Welt zu gründen.

Sie sind zudem Mitbegründer und CEO der Air-On AG, die Klimaanlagen produziert. Welche speziellen Vorteile haben diese?

Mit «Air-On»- Geräten lässt sich das Klima – im Gegensatz zu zentralen Minergieanlagen – für jeden Raum bedarfsabhängig und individuell regulieren. Man kann die Geräte anstelle eines Heizkörpers einsetzen. Sie heizen aber nicht nur, sondern sie führen den Räumen bedarfsgerecht Aussenluft zu, reinigen diese von Feinstaub und reduzieren den Ozongehalt das ganze Jahr unter den zulässigen Grenzwert. Als richtige Klimaanlagen be- oder entfeuchten sie die zugeführte Raumluft. Im Sommer wird gekühlt. Staubwischen im Haus erübrigt sich, also die ideale Lösung für Asthmatiker und Allergiker. «Air-On» ist besonders sinnvoll, nachdem ein Gebäude energetisch saniert wurde. Die nahezu hundertprozentige Abdichtung der Gebäudehülle führt nämlich bei typischem Lüftungsverhalten der Bewohner zu mangelndem Luftaustausch und zu Schimmelpilzen. «Air-On» korrigiert dies und sorgt kontinuierlich für gesundes Raumklima.

Wo lassen Sie produzieren?

Unsere Produkte für «Air-On» werden im Schwarzwald hergestellt. Die Bestandteile, die wir für unser Minikraftwerk benötigen, kommen aus China.

Warum produzieren Sie nicht in der Schweiz?

Leider war es nicht möglich, Produzenten zu finden, die eine Fliessbandfertigung für Geräte mit bis zu einer Tonne Traglast, dem Gewicht der Minikraftwerke, erlauben.

Das ist keine positive Entwicklung. Was sind Ihrer Ansicht nach die Ursachen?

In der Schweiz haben wir letztes Jahr 55 000 Industriearbeitsplätze verloren. Gemäss Medienberichten hat der Bund sein Personal auf 34 500 aufgestockt. Wie sich jetzt herausstellt, sind diese unter anderem damit beschäftigt, Verordnungen zu erlassen, mit denen die Wirtschaft schikaniert wird: Gemäss einem Interview mit dem Produktionsverantwortlichen der Migros prüft die Schweizer Schokoladenindustrie jetzt die Verlagerung der Produktion ins Ausland. Das ist doch der Gipfel! Wir sind bekannt für Schokolade und Uhren. Jetzt überschwemmt man die Unternehmen mit unzähligen zusätzlichen Auflagen, sodass die Schokoladeproduktion in der Schweiz unrentabel wird.

Sie entwickeln auch Autos, die mit Methanol betrieben werden. Wie funktioniert das?

Econimo-Drive, die Tochtergesellschaft der Silent-Power AG, entwickelt Wandler, die Methanol in elektrische Energie zurück­verwandeln. Solche Wandler kann man in Autos, Flugzeugen, E-Bikes, Lastwagen, Bussen, Mähdreschern, Baumaschinen oder Armeepanzern anwenden.

Was sind die Vorteile gegenüber anderen Treibstoffen?

Die Autofahrer sind im Moment verwöhnt mit günstigem Benzin, das als Treibstoff fast ideal ist. Es ist relativ sauber, leider aber nicht biologisch abbaubar und nicht zu erneuern. Methanol hat diese Nachteile nicht und ist – da es synthetisch hergestellt wird – zeitlich unbeschränkt in alle Ewigkeit verfügbar. Methanol ist heute nach Erdöl die am meisten gehandelte Flüssigkeit weltweit. Silent-Power bezeichnet den umweltfreundlichen Methanoltreibstoff mit M99, wobei 99 für 99-prozentige Reinheit steht. M99 kann über die bestehenden Vertriebskanäle für Benzin, Diesel oder Kerosin verteilt werden.

Warum nutzen die anderen diese Möglichkeit nicht?

Man hat diesen Trend in Europa bis jetzt verschlafen. Wenn man bei Mercedes nachfragt, warum sie keine Methanolautos produzieren, heisst es, man hätte schon so viel in die Entwicklung von Wasserstoffmodellen investiert, dass der Wechsel zurzeit nicht verkraftet werden könne. Wasserstoff hat aber den Nachteil, dass es hochexplosiv ist. Zudem ist das Wasserstoffmolekül so klein, dass es durch Metall- und Glaswände diffundiert und Speicherdruckflaschen innert kurzer Zeit leer sind; dies nicht, weil das Ventil undicht wäre, sondern weil das Molekül durch alle Wände hindurchwandert. Deswegen wird sich das Wasserstoffauto nicht durchsetzen. Diese Meinung vertrete ich schon lange. Beim Paul-Scherrer-Institut, wo ich meine Doktorarbeit schrieb, waren 1300 Wissenschafter beschäftigt. Fast ausnahmslos waren alle von Wasserstoff als synthetischem Brennstoff, der die fossilen Brennstoffe ersetzen würde, überzeugt. Es widersprach meiner Überzeugung, weiter dort zu arbeiten. In China sind heute 470 000 methanolbetriebene Fahrzeuge unterwegs – Autos, Lastwagen, Busse.

Gibt es Länder, in denen solche Projekte entstehen?

Ja, in China. China ist im Moment der weltweit grösste Methanolproduzent. Der Grund ist klar, man will wieder einen blauen Himmel über den Ballungszentren Schanghai und Peking. Bei der Verbrennung von Methanol entsteht nur Wasser und ungiftiges CO2. Ein Katalysator mit wertvollem Platin wird überflüssig. Das Auto wird einfacher und kostengünstiger. Man bekommt in China heute sogar europäische Autos mit Methanolantrieb, zum Beispiel den VW Golf.

Wie halten Sie vom Freihandelsabkommen mit China?

Das hat der Schweiz keine namhaften Vorteile gebracht. In den Bereichen, von denen die Schweizer glaubten, man hätte nun eine vorteilhafte Ausgangsposition, zum Beispiel beim Käseexport, haben die Chinesen so viele Hürden aufgebaut, dass ein Export teilweise gar nicht mehr möglich ist. Die Chinesen werden unterschätzt. Die sehen extrem nur auf den eigenen Profit. Wenn ich zurückschaue in meinem Berufsleben, haben alle die in dieser Zeit abgeschlossenen Freihandelsabkommen bei weitem nicht das gehalten, was man von ihnen erwartet hat.

Also auch nicht Abkommen wie TTIP und TISA?

Ich bin gegen solche Abkommen. Sie werden zu einer extremen Gleichschaltung in der Wirtschaft führen. Wir brauchen aber Vielfalt – wie in der Natur.

Wie wirkt sich der Franken auf Ihre Unternehmen aus?

Die Frankenstärke unterstützt uns, wenn wir in Deutschland produzieren. Dazu erwäge ich im Moment, eine Niederlassung und ein Forschungsinstitut in Berlin aufzubauen. Auch dabei würde uns der günstige Euro helfen.

Welche Schwierigkeiten gibt es in der Schweiz beim Aufbau von Unternehmen?

Ich habe mittlerweile mehr als 40 Unternehmen aufgebaut. Eine grosse Schwierigkeit in der Schweiz bildet die Vermögenssteuer. Wenn man Aktien von Aufbauunternehmen besitzt, die keinen Ertrag abwerfen, bezahlt man am Anfang jahrelang grosse Beträge an Steuern, ohne dass ein Gewinn erzielt wird. Das machen viele Aktionäre auf Dauer nicht mit und investieren ihr Kapital woanders. Man müsste die Vermögenssteuer abschaffen und als Kompensation Erbschaftssteuern einführen. Dann hätten wir die gleiche Ausgangslage wie die umliegenden Länder. Dies würde die Probleme für Neustarts wesentlich entschärfen.

Gibt es noch andere Probleme?

Zum Beispiel habe ich die Air-On AG 1991 gegründet und nach dem Golfkrieg kein Geld mehr von externen Investoren bekommen. Die Geldgeber waren verunsichert. Nach zwei Jahren wollte ich Kurzarbeit einführen. Diese wurde abgelehnt, mit der Begründung, dass die Firma keinen Umsatz mache und damit ja nichts produziere. Dabei bezahlten wir wie alle Unternehmen in gleichem Umfange Prämien für Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit. Auf meine Intervention beim zuständigen Leiter meinte er allen Ernstes: «Wissen Sie, die Schweiz ist kein Land für Start-ups!»