Herr Professor Gunzinger, Ihr Unternehmen baut Supercomputer. Was zeichnet diese aus?
Traditionelle Supercomputer sind hoch leistungsfähig, sehr schnell und benötigen viel elektrische Energie. Jene, die SCS für Kunden baut, brauchen oft sehr wenig Energie und sind sehr klein. Der Bau von Supercomputern ist aber nicht mehr unser einziger Tätigkeitsbereich. Zwei Drittel unseres Umsatzes erbringen wir mit hoch komplexer Software. Bei Supercomputern lautet die Frage: Wie viel Intelligenz kann ich pro Watt produzieren? Das hat mit Energie und mit physischer Grösse zu tun.
Und wo kommen solche Supercomputer zum Einsatz?
Ich nenne Ihnen vier Beispiele: Zusammen mit der Firma Daimler entwickeln wir Fahrassistenz-Systeme. Der Supercomputer ist in der Fahrerkabine im Rückspiegel eingebaut und braucht nur fünf Watt Energie. Supercomputer haben wir auch für das «Desy» (Deutsches Elektronen-Synchrotron) in Hamburg gebaut, die kleine Schwester des Cern. Da geht es darum, riesige Datenmengen, zehn Millionen Ereignisse pro Sekunde, in Echtzeit zu analysieren und nur relevante Ereignisse, etwa 100 Ereignisse pro Sekunde, abzuspeichern. Auch bei den Smart-Grids, den intelligenten Stromnetzen, sind relativ grosse Datenmengen zu bewältigen, die man schnell analysieren muss, um in Echtzeit die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können.Wieder andere Supercomputer, zum Beispiel für die Bahnsicherung, bewegen sich von der Rechenleistung her auf «Taschenrechner-Stufe», aber – und das ist das Besondere – die zulässige Fehlerwahrscheinlichkeit dieser Computer beträgt etwa 100000 Jahre. Die Frage lautet hier also: Wie schaffen wir es, einen Computer zu bauen, der diesen Anspruch erfüllt?
Wie ist die Supercomputing Systems AG im grossen IT-Markt positioniert?
Grosse Konkurrenten haben ihren Standort oft in Ländern mit tiefen Löhnen für Ingenieure wie Osteuropa oder Fernost, nearshore oder offshore. Für das Salär eines Schweizer Ingenieurs können 3 osteuropäische, 10 indische oder 40 chinesische Ingenieure angestellt werden. In diesem Markt müssen wir bestehen. Und wir können es. Zum Beispiel haben wir zurzeit einen Kunden aus Südkorea, der uns den fünffachen Preis eines Anbieters in seinem Land bezahlt. Er kommt zu uns in den Technopark Zürich wegen der Lösungskompetenz. Wir lösen ihm das Problem. Zum Fixpreis. Ein wesentlicher Unterschied zu unseren nationalen und internationalen Mitbewerbern besteht darin, dass SCS fast ausschliesslich auf Projektbasis mit Fixpreis arbeitet. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wo wir uns auf Stundenbasis engagieren. Dieses Geschäftsmodell ist anspruchsvoll für uns, hat für den Kunden aber den gewichtigen Vorteil, dass er mit einem Festpreis kalkulieren kann. Er minimiert so das Risiko für sein Vorhaben, analog dem Kauf eines schlüsselfertigen Hauses. Kalkulation von Projekten mit Fixpreisen hat viel zu tun mit Erfahrung, aber auch mit den Entwicklungsprozessen, die dahinterstecken. Die eine Komponente dieser «Kunst» ist das Schätzen des benötigten Zeitbedarfs, die andere ein sauberes Projektmanagement. Umsichtiges Management und nahtlose gegenseitige Abstimmung unter den Mitarbeitenden sind da erforderlich, denn wir arbeiten gleichzeitig an rund 100 Projekten.
Wie können Sie bei hoch komplexen Projekten mit Fixpreisen arbeiten?
Wir arbeiten in verschiedenen Phasen. Die Machbarkeitsphase oder die System-Konzept-Phase mit Fixpreis bildet die Vorphase des Projekts. In der Auftragsphase werden die Spezifikationen gemacht, ebenfalls zu einem Fixpreis. Dem schliesst sich die Umsetzung zu einem Fixpreis an. Dank diesem stufenartigen Vorgehen sind Fixpreise auch in komplexen Projekten möglich. Gemäss unserer Erfahrung ist es sehr vorteilhaft, Lösungen zusammen mit dem Kunden zu entwickeln. Daraus entstehen wirklich intelligente Konzepte. Wenn möglich verzichten wir auf Ausschreibungen, da oft ungeeignete Lösungskonzepte realisiert werden müssen. Das Umsetzen eines suboptimalen Konzepts kommt den Kunden immer teuer zu stehen, weil Fehler im Konzept meist nachträglich «nachgebessert» werden müssen.