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Interview mit

«To-do-Listen für die private ­Zukunft gibt es noch keine»

Beat Guhl, Inhaber und Vizepräsident des Verwaltungsrats der Sky-Frame AG, über eine interne Nachfolgeregelung, die Digitalisierung im Vertrieb und den Umgang mit Absatzmärkten.
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Herr Guhl, Sie sind seit 30 Jahren Unternehmer, 23 Jahre davon stehen Sie als Gründer und CEO der Sky-Frame AG vor. Per vergangenen Juli haben Sie nun die operative Verantwortung abgegeben. Wann haben Sie begonnen, sich mit der Nachfolgethe­matik zu befassen, und wie lange hat der Prozess letztlich gebraucht, um die für Sie und das Unternehmen passende Lösung zu finden?

In unserer Unternehmergruppe habe ich miterlebt, wie sich ältere Unternehmer mit dem Problem des Ablösens und der Nachfolge durchgekämpft haben. Das hat mich dazu veranlasst, mich relativ früh beziehungsweise rechtzeitig damit zu befassen und richtig zu installieren. Daraufhin habe ich zwei externe Verwaltungsräte engagiert. Das war im Jahr 2019 und zugleich der Start der Nachfolgeorganisation.

Kamen diese externen Personen aus Ihrem ­Netzwerk?

Wir haben eine Liste von etwa 20 Leuten erstellt, von Personen aus unserem bekannten Umfeld. Es gab diverse Gespräche, bis wir die passenden Leute fanden.

Haben Sie Nachfolgekandidaten aus der Branche gesucht?

Das war für diese Aufgabe nicht besonders relevant.

Wie verlief dann der Nachfolgeprozess bis heute?

Als Erstes hatten meine Frau Karin Guhl und ich mit Unterstützung des neuen Verwaltungsrats eine Eignerstrategie entwickelt, die unsere Bedürfnisse und unsere Verantwortung berücksichtigte. Diese diente uns während dieser Zeit als Richtschnur. Nachher überprüften wir das Firmenkonstrukt, um intern alle Optionen für eine Nachfolge offen zu halten. Man hat über die Nachfolge im Verwaltungsrat diskutiert und es zeichnete sich die Chance für eine interne Lösung ab, sodass wir gar nicht extern zu suchen brauchten.  

Gab es nicht auch in der Familie jemanden, der sich für die Nachfolge interessierte?

Das herauszufinden, war auch eine Aufgabe. Wir haben uns in einem Workshop dazu entschieden, die Nachfolge nicht innerhalb der Familie zu regeln. Meine Kinder sollen tun dürfen, was sie fasziniert, sie müssen nicht in die Fussstapfen des Vaters treten. Ich bin überzeugt, dass das die richtige Entscheidung ist.

Wie ist denn nun Ihre aktuelle Führungsspitze ­aufgestellt?

Die neue Geschäftsleitung setzt sich aus langjährigen Führungspersonen und Mitarbeitenden zusammen. Angelo Razzino hat als CEO die operative Leitung übernommen. Er ist bereits seit neun Jahren für Sky-Frame tätig und verantwortete vier Jahre als Chief Sales Officer (CSO) den internationalen Vertrieb. Neben Angelo Razzino gehören Reto Honegger, CFO, Andrea Zürcher, CMO, und Maurin Müller, COO, zur neuen Geschäftsleitung.

Durch die Umorganisation entstanden einige freie Stellen. Sind diese nun schon wieder besetzt?

Bislang wurde ein neuer Vertriebsleiter engagiert.

Wenn eine neue Unternehmensführung installiert ist, gibt es ja oft auch neue Ansätze. Sind solche schon ersichtlich?

Ja, es wird Neuigkeiten geben, aber spruchreif ist das noch nicht.

Was ist es für Sie persönlich für ein Gefühl, nach drei Jahrzehnten Tätigkeit als CEO zurückzutreten? Ist das ein schwerer Schritt?

Ja und nein. Schwer ist es, bei jeder Handlung zu bedenken, dass ich nicht mehr CEO, sondern «nur» noch Verwaltungsrat bin. Richtig zu handeln, ist immer eine ganz bewusste Entscheidung und eine Herausforderung. Ich bin gespannt und neugierig auf das, was die neue Führung kreiert.

Haben Sie neue Pläne?

Ich werde mich um die Zukunft kümmern, aber To-do-Listen habe ich noch keine. Es ist aber ein Handlungsbedarf da, mein Leben neu zu organisieren. Ich habe dreissig Jahre lang alles in die Firma hineingesteckt, das war sozusagen mein viertes Kind. Während dieser ganzen Lebensphase habe ich mir nie eine längere Auszeit gegönnt. Ich bin noch bis Ende Jahr Leiter der Systementwicklung als Vertretung.

Planen Sie auch eine Weltreise?

Reisen mit meiner Frau wird das Erste sein, was ich nach der Ablösung mache. Nicht klassisch ein Jahr lang mit Rucksack. Aber wir wollen Australien, Neuseeland und Japan bereisen. Wir waren schon dort, aber dieses Mal werden wir uns mehr Zeit nehmen.

Vor ziemlich genau zehn Jahren gab es bereits ein Interview mit Ihnen im «KMU-Magazin». Wie hat sich Sky-Frame seitdem verändert?

Wir arbeiten ständig an der Optimierung der Prozessabläufe und der Produkte. Viele Betriebsabläufe sind bei uns digitalisiert, seit der Gründung unserer Firma hat sich da sehr viel verändert. In den letzten zehn Jahren haben wir einen Konfigurator – wir nennen ihn Webshop – aufgebaut. Mit diesem Werkzeug nehmen wir unsere Partner an die Hand und führen sie durch alle Auswahl- und Bestellungsprozesse. So erreichen wir eine zuverlässige Auftragsabwicklung. In dem Bereich gab es in den letzten Jahren viele Fortschritte, diese brachten viel Ruhe und Stabilität in die Prozesse. Das ist eines der ganz grossen Themen der letzten Zeit. Auch die Angestellten und Geschäftspartner können sich in den Webshop einloggen und die notwendigen Elemente für einen Auftrag zusammenstellen. So lassen sich Pläne und Datenblätter generieren. Die Techniker können Fragen stellen, sie werden unterstützt und beraten. So können sie die notwendigen Informationen für den Auftrag zusammen­stellen. So lassen sich Pläne und Datenblätter generieren. Diese Daten gelangen in die Produktion bis zum Glashersteller, ohne dass man da noch mal eine Information eingeben muss.

Wie nutzen Sie künstliche Intelligenz?

Damit üben wir, aber strategisch setzen wir das noch nicht ein. Ein Mitarbeiter hat über KI eine Diplomarbeit geschrieben. Bis man die ersten Resultate bekommt, geht es schnell, wenn man diese aber optimieren will, wird es kompliziert.

Normen spielen in Ihrem Geschäft eine nicht ­unerhebliche Rolle. Hat sich da in den letzten ­Jahren einiges verändert, vielleicht verschärft?

Natürlich. Wir müssen die nationalen Vorschriften beachten, zum Beispiel das deutsche Gebäudeenergiegesetz. Da müssen wir mit der Zeit gehen und Verbesserungen entwickeln. Im Fensterbereich gibt es EU-Normen, aber auch welche in den einzelnen Ländern und Kontinenten. Vor allem die europäischen sind nicht sehr unterschiedlich, je nach Land muss man Anpassungen vornehmen. Wichtig sind Risikoprüfungen, unter anderen etwa für Sturm oder Erdbeben. Theoretisch könnte man ein Fenster produzieren, das für alle Normen passt, dies würde bedeuten, dass wir beispielsweise weltweit Hurricane-zerti­fizierte Fenster verbauen könnten, was wiederum ökonomisch nicht funktionieren würde.

Welche Materialien verwenden Sie hauptsächlich und in welcher Grössenordnung?

Glas, Aluminium und Polyamid. Aluminium wird bei uns wegen der schmalen Rahmen verhältnismässig wenig verwendet und doch sind es hunderte von Tonnen pro Jahr.

Benützen Sie Recyclingmaterialien und lassen sich Ihre Fenster wiederverwenden?

Vom Aluminium kann man einen hohen Anteil recyceln. Bei Glas ist Recycling prinzipiell auch möglich, aber in der Kreislaufwirtschaft wird die Qualität des recycelten Glases vom Markt noch nicht akzeptiert. Da braucht es noch einige Zeit, bis man mit recyceltem Glas dieselbe optische Qualität erreicht.

Welche Lebensdauer haben Ihre Fenster?

Es gibt sie nun schon seit 23 Jahren und auch unsere ersten Fenster haben sich gut erhalten – wahrscheinlich werden sie uns überleben. Aber die Bedürfnisse ändern sich, unsere Produkte werden kontinuierlich verbessert.

Haben Klimaveränderungen Einfluss auf die ­Fenster?

Klimaveränderungen führen dazu, dass wir die Fenster beschatten müssen. Einfach kleine Fenster zu machen, ist keine Option, da es die Lebensqualität spürbar reduziert. Im Winter ist das Thema die Isolation, dann ist es das Ziel, dass die Wärme nicht aus dem Raum entweicht. Ein Fensterrahmen isoliert immer schlechter als ein Isolierglas, daher ist ein Fenster mit schmalem oder keinem Rahmen immer besser als ein Fenster mit dickem Rahmen.

Ist es technisch möglich, mittels der Fenster ­Solarenergie herzustellen, oder ist das noch eine ­Zukunftsvision?

Aktuell gibt es Scheiben mit Sichtschutz und solche, bei denen man mit einem Schalter den Sonnenschutz aktivieren kann. Aber Solarzellen zu integrieren, ist zurzeit nicht unser Thema.

Wie stark ist Ihr Unternehmen international ­vertreten und wo  gibt es noch weisse Flecken?

Unsere Kernmärkte befinden sich in Europa, hinzu kommen Dubai und Amerika. Natürlich gibt es in Afrika und Südamerika noch weisse Flecken. Wir haben auf allen Kontinenten Fenster eingebaut, aber jede lokale Prüfung ist ein beträchtlicher Aufwand. Deswegen lohnt es sich nicht immer, weisse Flecken zu besetzen. Unser Hauptziel ist es, uns dort zu verbessern, wo wir schon gut zu Hause sind. Natürlich erledigen wir gern Aufträge aus aller Welt, aber wir wollen uns nicht verzetteln.

Wie stark betrifft Trumps Zollpolitik Ihre Firma?

Wir müssen uns ständig neu orientieren und halten darüber fast wöchentlich Konferenzen ab. Wir sind zu klein, um in den USA eine Produktion aufzubauen, das hat im Moment keinen Sinn. Aber die USA und überhaupt Amerika sind ein spannender Markt. Diesen muss man professionell beurteilen und daraus die notwendigen Schlüsse ziehen, das ist eine spannende Aufgabe.

Wie stellen Sie sich zur EU?

Die EU ist für uns ein spannender und guter Markt. Wir wären dankbar für stabile und zuverlässige Verhältnisse. Der Eurokurs schadet uns nicht besonders. Euros, die wir einnehmen, geben wir in Euroländen weitgehend wieder für den Einkauf unserer Rohstoffe aus.

Welche europäischen Länder beliefern Sie ­besonders oft?

Deutschland und England, auch die Benelux-Staaten sind nicht zu vernachlässigen. In Frankreich haben wir neue Zertifikate und es gibt auch einen Partner in Polen. Ungarn beliefern wir aus der Filiale in Wien. Wir beobachten die Märkte ständig und versuchen, sie zu verstehen. In einigen Ländern ist die Arbeiterschicht arm, die Reichen sind aber reicher als in der Schweiz. Deswegen spielt das Geld eine Nebenrolle. Entscheidend für unseren Markt ist, ob der Kunde etwas Wertvolles in seinem Zuhause haben möchte, allenfalls auch im Zweit- oder Dritthaus, oder ob er dafür lieber nicht so viel Geld ausgeben will.

Hat sich die Kundenstruktur in den letzten zehn Jahren verändert?

Nicht sehr, wir haben immer noch eine Kundenmischung von Privatleuten und Unternehmen. In der Schweiz leistet man sich auch in der Mittelschicht – häufig Leute ab 50, bei ­denen die Kinder ausgezogen sind – eine Renovation des ­Eigenheims. Diese Kunden wurden in den letzten Jahren häufiger.

Betreiben Sie Marktanalysen oder ist es Glücks­sache, woher die Kunden kommen?

Ja und nein. In wichtigen Märkten sind wir sehr aktiv, das ist die Aufgabe unseres Vertriebes.

Welche Rolle spielt das Marketing?

Die Hauptaufgabe des Marketings besteht darin, den Kunden zu erklären, warum man unser Fenster kaufen soll und nicht ein billigeres Kunststofffenster. Die Leute müssen wissen, welche Vorteile sie für den Preis bekommen. Angefangen haben wir mit Kartenversand, hinzu kamen Messebesuche, Filme sowie Treffen. Messebesuche haben wir in der Coronazeit aufgegeben, der Aufwand ist relativ hoch. Wir ziehen es vor, Architekten einzuladen und ihnen unseren Betrieb zu zeigen. Es ist wichtig, die persönliche Beziehung zu den Architekten und anderen Kunden aufzubauen.

Sind die Personen, die Kunden besuchen, bei Ihnen fest angestellt?

Teilweise, aber wir delegieren das auch an Vertriebs- und Lokalpartner und Verkaufsstellen und arbeiten mit diesen zusammen. Auch diese besuchen uns in Gruppen, um unser ­Unternehmen kennenzulernen, begleitet von unseren Ver­käufern. Wir veranstalten Touren durch das Gebäude, unsere Strukturen und Schulungen.

Sie sprachen eben die Coronakrise an. Wie haben Sie diese Zeit bewältigt?

Für mich war das eine anspruchsvolle und belastende Zeit, ich hatte ja auch die Verantwortung für den Betrieb und die Mitarbeitenden. Man musste dauernd etwas entscheiden, ohne zu wissen, ob es am anderen Tag noch gültig ist. Der Firma ging es allerdings gut während der Coronazeit. Zum Glück war unsere Digitalisierung so weit entwickelt, dass wir unseren Leuten den Laptop mit nach Hause geben konnten und sie die Betreuung der Partner und die Büroarbeit dort erledigen konnten. Nur produziert wurde noch vor Ort, das kann man nicht von
auswärts steuern. In den USA waren wir der einzige Fensterbauer, der ununterbrochen liefern konnte. Das führte auch zu Vertrauen in sich selbst und die Mitarbeiter, sodass man eine ähnliche Situation wohl leichter bewältigen würde.

Hatten Sie Zulieferungsprobleme?

Generell ist es so: Je weniger Lieferanten, umso sicherer ist die Zulieferung. Das war für uns die Basis dafür, dass wir immer liefern konnten. Wir hatten unsere Lieferanten immer gut betreut, dazu liegen die Betriebe in der Nähe. Es gab einen Kunststofflieferanten, der uns Schwierigkeiten meldete. An­gestellte von uns beschafften das Grundmaterial, womit dann das Problem gelöst war.

Können Ihre Angestellten auch heute noch zu Hause arbeiten?

Je nach Stellung ist das möglich, aber ganz ehrlich, ich bin kein Fan von Homeoffice. Ich schätze es, wenn ich durch die Reihen meiner Angestellten gehen und ihnen in die Augen sehen kann. Aber über solche Fragen muss ich nicht mehr mitent­scheiden.

Herr Guhl, wie sehen die Planungen des ­Unternehmens für die nächsten fünf Jahre aus?

Die Produkte entwickeln wir laufend weiter, obwohl es oft nur kleine Veränderungen gibt. Die Digitalisierung werden wir noch ausbauen, um weltweit unser System zu managen. In nächster Zeit wird sich die neue Führung strukturieren und Ziele setzen, wir sind noch fleissig an der Arbeit.

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