Herr Glauser, was heisst für Sie «Qualität»?
Qualität ist für mich vorab etwas, das fasziniert. Aus meiner beruflichen Sicht ist Qualität aber weit mehr: Sie ist der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg, insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit stark umkämpften Märkten. Erstrebenswert ist eine ganzheitliche Qualität. Diese bezieht sich eben nicht nur auf das Produkt, sondern auch auf sämtliche Dienst- und Serviceleistungen eines Unternehmens. Qualität muss das gesamte Unternehmen mit all seinen Prozessen durchdringen. Dazu gehören auch Aspekte wie Risiko, Umwelt, Sicherheit, Human Resources, Transparenz und soziale Verantwortung.
Worin besteht denn der Mehrwert der «Schweizer Qualität»?
Qualität scheint uns Schweizern irgendwie mit den Genen mitgegeben worden zu sein. Das Qualitätsbewusstsein ist in unserer Kultur tief verankert. «Schweizer Präzision» ist weltweit ein Begriff. Er spiegelt sich in sehr guten, innovativen Produkten und Dienstleistungen. In erster Linie hat «Swissness» ganz stark mit Verlässlichkeit, Hochwertigkeit, ausgeprägter Technologieorientierung, hoher Innovationskraft und Flexibilität zu tun. Dahinter steckt eine Reihe typisch schweizerischer Werte und Errungenschaften, zum Beispiel unser Bildungssystem, der Föderalismus und das verantwortliche Handeln, die stabilen wirtschaftlichen und politischen Strukturen.
Welchen Stellenwert hat Swissness im internationalen Wettbewerb?
Die Geschichte der Schweizer Industrie belegt, dass sie sich im internationalen Wettbewerb seit jeher in besonderer Art und Weise um die Differenzierung von Mitbewerbern bemühen musste. Wir sind in diesem Sinne sozusagen ganz gut trainiert. Swissness war und bleibt das Argument, um in diesem Wettkampf zu bestehen. Ich bin überzeugt, dass die Schweiz als Wirtschaftsstandort Zukunft hat, wenn sie weiterhin Innovationen und Qualitätsprodukte auf höchstem Niveau hervorbringt, welche die Auszeichnung Swissness wirklich verdienen. Leistungen, die einen echten Mehrwert bieten – in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht – sind gefragt wie nie. Aus meiner Warte ist das für unser Land klar die Erfolgsvoraussetzung Nummer 1 im internationalen Wettbewerb.
Qualität wird in Zertifizierungen überprüft. Sind zertifizierte Organisationen erfolgreicher?
Ja, das ist so. Zertifizierte Organisationen haben klare Strukturen und Prozesse für das Erreichen ihrer Zielsetzungen, agieren ausgeprägt kundenorientiert und engagieren sich vorbildlich für Verbesserungen. Diese systematischen Anstrengungen wirken positiv auf die Unternehmensqualität, auch auf die so wichtigen personellen Ressourcen. Studien belegen dies. Ein Zertifikat ist somit ein eigentlicher Vertrauensnachweis. So kommt es nicht von ungefähr, dass die Forderungen nach zertifizierten Unternehmen im nationalen und internationalen Wettbewerb seit den achtziger Jahren stetig zugenommen haben. In Zukunft werden zunehmend Zertifizierungen nach speziellen Normen verlangt. Wer über eine Basis-Zertifizierung nach ISO 9001 verfügt, hat für die Erfüllung dieser zusätzlichen Anforderungen die bessere Ausgangslage.
Operieren zertifizierte Organisationen auch wirklich nachhaltiger?
Da besteht noch Potenzial, und es ist auch abhängig davon, welche Normen angewendet werden. Zweck einer Zertifizierung ist aber, Organisationen auf diesem Weg zur Nachhaltigkeit gezielt zu unterstützen. Wer nach ISO 9001 zertifiziert ist, hat grundsätzlich ein Werkzeug zur Hand, um geplante Leistungen zielkonform zu erbringen, nicht nur einmalig, sondern auf Dauer. Und er ist gefordert, mit den Ressourcen sorgsam umzugehen. Getragen und gelebt wird ein zertifiziertes Management-System durch befähigte Mitarbeitende. Besonders gefördert wird die Nachhaltigkeitsleistung eines Unternehmens, wenn ein Managementsystem auf spezielle Nachhaltigkeits-Dimensionen ausgerichtet wird und eine ausgeprägte Qualitätskultur vorhanden ist. Typische Normen dafür sind ISO 14001 (Umweltmanagement), OHSAS (Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz) und IQNet SR 10 (soziale Verantwortung) – allesamt Belege für gezielte und nachweisbare Nachhaltigkeitsleistungen. In der heutigen Praxis werden diese Zertifikate häufig in Kombination mit ISO 9001 erworben.
Und wie steht es mit der Innovationskraft?
In einem gut geführten Managementsystem hat dieser Aspekt zentrales Gewicht. Zertifizierte Organisationen sind hier bevorteilt, denn sie sind mit Anforderungen konfrontiert, welche die Innovationskraft begünstigen, beispielsweise im Qualitätsmanagement, in der Kundenorientierung und im Entwicklungsprozess. Oder im Umweltmanagement beim Einsatz neuer Technologien zur Verbesserung der Umweltleistung.
Wird in zertifizierten Unternehmen anders geführt?
Wir zertifizieren ja nicht bloss Produkte und Prozesse, sondern in erster Linie das gesamte Management-System von Organisationen. Jede ISO-Managementsystem-Norm stellt Forderungen an die Führung, und zwar in strategischer und operativer Hinsicht, inklusive der Mitarbeiterentwicklung. Zertifizierte Organisationen müssen diese genau spezifizierten Forderungen bezüglich des Führungsprozesses erfüllen, also Unternehmenspolitik, Planung, Kommunikation, Controlling, Risikomanagement und andere mehr. Der Führungsstil dagegen lässt sich naturgemäss nicht normieren. Das ist aber auch kein Hindernis zum Erzielen guter Ergebnisse.
Wie ist die Einstellung von Mitarbeitenden in zertifizierten Unternehmen?
In unseren Erst-Audits stellen wir hin und wieder gewisse Berührungsängste fest. Man befürchtet vorerst, Systeme könnten einengen. Dem ist aber nicht so. Ein gut konzipiertes Managementsystem lässt den Mitarbeitenden viele Freiräume, auch gestalterische. Entscheidend ist, dass das Managementsystem massgeschneidert wird, angepasst an Komplexität, Art und Grösse der Organisation und an das Tätigkeitsfeld. Insbesondere bei Re-Audits dominiert ein konstruktives und positives Gesprächsklima. Auditierte und Auditor sitzen sozusagen im gleichen Boot, steuern das gleiche Ziel an; nur ihre Aufgaben sind anders. Ein zentraler Aspekt im Zertifizierungsprozess ist die kontinuierliche Verbesserung. Die SQS weist bei ihrer Mehrwert-orientierten Auditpraxis stets auf Chancen zur Vereinfachung hin. Und das wird von den Geschäftsleitungen auch erwartet und begrüsst.
Erfolgreiche Praktiker sagen, Qualität sei «Arbeit an der Verlässlichkeit». Wie ist das zu verstehen?
Wer sich profimässig mit Qualität von A bis Z auseinandersetzt, danach sucht, wo Prozesse verbessert, wo Effizienz und Effektivität gesteigert werden können, der arbeitet in der Tat immer auch an der Verlässlichkeit. Verlässlichkeit ist ein zentraler Anker des Vertrauens. Und dieses Vertrauen muss täglich neu erarbeitet werden, im nationalen und internationalen Geschäft genauso wie bei einem Bauvorhaben oder bei einer Serviceleistung. Es geht ja letztlich darum, das Kundenversprechen zuverlässig einlösen zu können.