Herr Maushart, Sie sind in Deutschland aufgewachsen, haben in Bayern studiert. Was hat Sie bewogen, in die Schweiz zu kommen?
Als junger Ingenieur habe ich mich intensiv mit der Oberflächentechnologie, die von der Firma Balzers in Liechtenstein entwickelt wurde, auseinandergesetzt. Es war schon damals klar, dass diese eine Schlüsseltechnologie zur Leistungssteigerung von Werkzeugen ist. Ende der 1980er-Jahre hatten aber nur wenige Ingenieure fundierte Kenntnisse darüber. Die Stelle als Leiter der F & E bei der Fraisa SA, für die ich mich 1990 bewarb, hat mich interessiert, weil ich mein sehr spezifisches Wissen anwenden konnte. Einen bereits in der Schweiz sesshaften und geeigneten Ingenieur konnte die Fraisa damals auch nach sechs Monaten Suche nicht finden.
Was kennzeichnet die Produkte der Fraisa-Gruppe?
Die Fraisa bietet innovative Produkte in Kombination mit einem aussergewöhnlich umfassenden Dienstleistungspaket an. Für unsere Kunden bringt das erhebliche Einsparungen und für uns einen guten Unternehmenserfolg.
Wo produzieren Sie Ihre Produkte?
Wir produzieren unsere Serienwerkzeuge in der Schweiz, in den USA und in Ungarn. Das Zentrum der Innovation befindet sich an unserem Schweizer Firmensitz in Bellach/Solothurn. Wir nutzen die anderen Standorte, um spezifische Leistungen zu erbringen. In Ungarn stellen wir einfachere Produkte in hohen Stückzahlen her, in Deutschland befinden sich die Zentren für Logistik und für die Wiederaufbereitung unserer Werkzeuge für Europa. In den USA produzieren wir die Waren nach den dortigen Zollmassen und erbringen alle Serviceleistungen für die USA vor Ort.
Sie haben ein Recyclingangebot für gebrauchte Werkzeuge. Wie funktioniert das?
Fraisa schliesst mit dem Serviceangebot «Re Tool Blue» den Stoffkreislauf zur Rückgewinnung der wertvollen Hartmetalle. Die verbrauchten Werkzeuge werden originalgetreu wiederaufbereitet. Die Mehrfachnutzung der Rohstoffe schont die Umwelt. Darüber hinaus sparen unsere Kunden Geld. Fraisa verarbeitet pro Jahr etwa 100 Tonnen der wertvollen Hartmetalle für neue Werkzeuge. Gleichzeitig bereiten wir Werkzeuge im Umfang von 60 Tonnen wieder auf und führen 20 Tonnen endgültig verbrauchtes Material dem Rohstoffkreislauf neu zu.
Fraisa war von 1934 bis 2005 ein reines Familienunternehmen. Warum hat die Familie den Betrieb Ihnen übertragen?
Als ich eintrat, war die Fraisa ein Familienunternehmen in der zweiten Generation. Der damalige Inhaber, Hans Stüdeli, hatte drei Töchter, die engagiert im Leben stehen, aber keine von ihnen verfügte über eine technische Ausbildung. Es war einmal geplant, dass die Schwiegersöhne die Firma leiten sollten, aber das hat sich anders entwickelt. 1995 entschied Hans Stüdeli zusammen mit der Familie, die Leitung seiner Firma einem externen, also nicht zur Familie gehörenden CEO und einem ebensolchen Verwaltungsratspräsidenten zu übergeben. Die Rolle des CEO hat er dabei mir übertragen. Die Aktien wurden 1997 an zwei Töchter übergeben, blieben also in dieser Phase noch in der Gründerfamilie. Im Jahr 2005 hat sich diese dann entschieden, mir die Möglichkeit zu einem Management-Buy-Out zu geben. Damit war das Ziel verbunden, die Fraisa langfristig als inhabergeführtes Unternehmen zu erhalten. Den eigenständigen Fortbestand der Firma hielt die Familie für noch wichtiger als den unmittelbaren und vollständigen Firmenbesitz.
Haben Sie selbst schon eine Nachfolgeregelung geplant; werden Ihre Kinder in die Firma eintreten?
Das ist eine Option, aber ich bin genauso offen wie Hans Stüdeli und seine Töchter. Meine Frau und ich haben drei Kinder, der Älteste ist als Ingenieur mit Schwerpunkt Mikrotechnologie und Robotik perfekt ausgebildet. Die beiden anderen sind noch in Ausbildung. Unser ältester Sohn baut im Moment sein eigenes Unternehmen auf. Wir haben uns aber vorgenommen, 2021 einen Richtungsentscheid zu treffen, ob das Unternehmen innerhalb unserer Familie weitergeführt wird oder wiederum auf geeignete Führungskräfte übergehen soll. Die Belegschaft ist darüber informiert.