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Interview mit Thomas Züger

«Künstliche Intelligenz wird uns wertvolle Hilfe leisten»

Thomas Züger, CEO der OBT AG, spricht über die aktuellen Herausforderungen durch die Digitalisierung, über die Probleme in Nachfolgeprozessen und den Stellenwert einer persönlichen Beratung.
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Herr Züger, Sie sind vor 20 Jahren als Unternehmensberater in die damalige OBT Treuhand AG eingetreten. Dann im Jahr 2008 in die Geschäftsleitung aufgestiegen und per 1. Oktober 2017 zum Firmenchef ernannt worden. Was macht die OBT AG als Arbeitgeber für Sie so interessant?
Meine Ausbildung habe ich bei der UBS, damals Bankgesellschaft, im konventionellen Bankenbereich absolviert. Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass der persönliche und umfassende Kundenkontakt im Bankgeschäft immer mehr verloren ging. Ich habe jedoch gerade diesen Kontakt sehr geschätzt. Darum habe ich damals zu OBT gewechselt; dort konnte ich wieder den Kunden ganzheitlich beraten, was mir bis heute gefällt.

Was ist der besondere Unterschied zwischen den Banken und den Treuhändern?
Banken beraten die Kunden hauptsächlich in finanziellen Themen, während wir als Treuhänder weit mehr Aspekte einbeziehen, zum Beispiel die Steuern, das Recht, die Organisation oder auch Umstrukturierungen. So ist die Beratung umfassender als bei den Banken. Mein Bankenhintergrund gibt mir hier einen zusätzlichen USP. Schon seit Beginn macht es mir Freude, KMU vorwärtszubringen – sei dies bei einer Standortbestimmung oder auch bei der Regelung einer Unternehmensnachfolge. Die persönliche Beratung der Kunden und die Nähe zu seinen Herausforderungen sind entscheidend. Diese Nähe und die nachhaltige Qualität sind uns in der Kundenberatung sehr wichtig.

Welche Probleme und Herausforderungen beschäftigen aktuell Ihre Kunden ganz allgemein?
Je nach Branche ist das sehr unterschiedlich. Das Spektrum ist sehr breit und hängt auch vom Unternehmen selbst ab. Für die Exportbranche sind zum Beispiel der Euro beziehungsweise der starke Schweizerfranken und die Zusammenarbeit mit der EU wichtige Themen. Im Bausektor stellt sich die Frage, wie lange der Immobilien- und Bauboom noch anhält. Bei anderen hingegen geht es mehr um den allgemeinen Wettbewerbs- und Preisdruck, zudem beschäftigen sich heute viele mit der Digitalisierung. Auch stehen zahlreiche KMU vor einem Generationenwechsel, den man frühzeitig planen muss. Durch unser grosses Know-how unterstützen wir unsere Kunden im ganzen Prozess der Nachfolgeregelung. Ein zentraler Punkt für KMU ist auch die steigende Regulierung und die dadurch immer wachsenden administrativen Anforderungen. Hier helfen wir mit, effiziente Lösungen zu finden.

Was würden Sie den Unternehmen raten, welche gerade ihre Nachfolge planen?
Man kann nicht erst ein oder zwei Jahre vor der Pensionierung eine Firma verkaufen. Oft gibt es auch eine grosse Diskrepanz zwischen dem Wunsch- und dem Marktpreis. Am besten führt man das Unternehmen von Anfang an so, dass man diesen Prozess jederzeit auslösen könnte. Ein Unternehmen sollte grundsätzlich immer fit für ungeplante Veränderungen sein. Es ist notwendig, Szenarien zu entwickeln und zu prüfen, wie interne oder externe Lösungen, Kooperationen oder eine Kombination von beidem aussehen könnten.

In welchen Bereichen hat OBT AG weitere Wachstumschancen?
Wachstumschancen haben wir glücklicherweise in vielen Bereichen. Im Treuhandbereich ist eine gute und persönliche Beratung immer noch sehr wichtig, wobei wir hier natürlich auch die Verschiebung in digitalisierte Abläufe sehen. Ebenso hat unsere Wirtschaftsprüfung interessante Perspektiven. Aktuell ist die Informatik unser am stärksten wachsender Bereich. Die Digitalisierung bietet viele Synergien, zum Beispiel im Bereich von Rechenzentrumsdienstleistungen und vor allem auch in der Automatisierung von Prozessen.

Grosse Chancen sehen wir zudem in der Übernahme von verschiedenen Tätigkeiten im Finanz- oder Salärbereich. Das heisst, wir übernehmen für unsere Kunden zum Beispiel die Abwicklung der monatlichen Lohnvergütungen oder die Koordination mit den beruflichen Vorsorgeinstituten. Es zeigt sich auch, dass die Anzahl Schnittstellen zwischen unseren Geschäftsfeldern immer grösser werden. Es gibt leider auch einige Bereiche, in denen wir durch das disruptive Umfeld Aufgaben verlieren werden, zum Beispiel durch die automatisierten Buchführungsprozesse oder auch durch die Verwendung von Prüfungstools, welche zu einem Teil die Wirtschaftsprüfer entlasten werden.

Sie bieten verschiedene Informatikdienstleistungen an. Welche genau?
OBT beschäftigt heute mehr als 300 Mitarbeitende, davon über 100 im Informatikbereich und -betrieb. Mit den von uns vertriebenen Branchenlösungen werden mittlerweile nicht nur Daten erfasst, sondern auch Prozesse abgebildet und automatisiert. Auch ein KMU muss heute eine moderne IT-Infrastruktur haben. Diese selbst zu unterhalten, ist oft fast nicht mehr möglich. Je nach Situation des Kunden bieten wir darum verschiedene Hard- und Software- sowie Clouddienstleistungen an. Da wir selbst auch hohe Anforderungen an die Sicherheit und Verfügbarkeit haben, können wir dies auch unseren Kunden anbieten. Der Kunde kann heute seine IT-Dienstleistungen je nach Grösse und Veränderungen modular zusammenstellen und jederzeit flexibel anpassen.

Wie garantieren Sie die Sicherheit der bei Ihnen gespeicherten Daten?
Nicht nur für unsere Kunden, sondern auch für uns selbst ist die Sicherheit ein zentraler Punkt. Darum haben wir 2014 unser Informationssystem nach ISO 27001 zertifizieren lassen. Unser Kundenportal «My OBT» ist ein weiterer Schritt, den Datenaustausch mit unseren Kunden noch sicherer zu gestalten. Alle sensiblen Daten können darüber ausgetauscht werden. Dadurch ist kein Versand über E-Mail et cetera notwendig. Durch die gesicherten Plattform-Logins können wir zudem sicherstellen, dass nur berechtigte Personen die Daten, zum Beispiel Lohndaten, einsehen können. Wir sehen dieses Portal zusammen mit automatisierten Prozessen als eine grosse Effizienzsteigerung in der Zusammenarbeit mit dem Kunden.

Geht die Automatisierung auch in Richtung künstliche Intelligenz?
Vorläufig braucht es noch die menschliche Intelligenz. Aber wir verfolgen genau, was sich in diesem Bereich tut, und überlegen uns, wie wir repetitive Themen digital abbilden können. Ein Beispiel sind Chatbots – damit lassen sich einfache Beratungsanfragen, zum Beispiel wie man ein Unternehmen gründet, automatisiert beantworten. Diesbezüglich wird uns die künstliche Intelligenz sicherlich wertvolle Hilfe leisten können. Gleichzeitig – davon sind wir überzeugt – benötigt man den persönlichen Kontakt zum Kunden auch noch in Zukunft. Jeder hat andere Bedürfnisse, darum wird auch zukünftig das Vertrauensverhältnis zum Kunden ein Erfolgsfaktor sein. Die digitale Transformation wird jedoch noch ganz andere spannende Einsatzmöglichkeiten und Aspekte eröffnen – davon sind wir überzeugt.

Welche sind das?
Die Digitalisierung bringt neue Organisationsformen mit sich. Agilität dürfte zukünftig ebenfalls ein zentraler Erfolgsfaktor sein. In diesem Zusammenhang gibt es viele spannende Fragen, die noch zu klären sind: Welche Organisationsform ist agil genug und zugleich attraktiv für die Mitarbeitenden? Wie können wir als Unternehmen die Bedürfnisse der Kunden mit den Bedürfnissen der Mitarbeitenden in Einklang bringen?

Ein sehr wichtiges Thema ist dabei die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Möglichkeiten, welche die Bedürfnisse der Kunden, der Mitarbeitenden und des Unternehmens unter einen Hut bringen. Um hoch qualifizierte Leute für top Dienstleistungen zu engagieren, muss unser Unternehmen ein attraktiver Arbeitgeber bleiben. Diese Personen bekommen wir nur, wenn wir ihre Bedürfnisse kennen und diese in unser Businessmodell integrieren können. In Zeiten des schnellen Wandels wäre es gefährlich , die Augen vor diesen Veränderungen zu verschliessen und sich nicht frühzeitig damit auseinanderzusetzen.

Welche Probleme haben kleine und mittlere Unternehmen im Bereich der steigenden administrativen Aufgaben?
Beispielsweise ist die Einhaltung von Gesamtarbeitsverträgen im KMU-Segment eine riesige Herausforderung. Wir haben viel mit der Baubranche zu tun. Dort geht es im GAV unter anderem um Zulagen, Entschädigungen, Zeiterfassung, Spesen und Mindestlöhne. Jede Vorgabe muss heute genau eingehalten werden. Ungefähre Werte oder Kompensationen werden von den Kontrollbehörden nicht akzeptiert. Die Vorschriften sind sehr komplex und werden auch immer wieder geändert. So haben Unternehmer oft Schwierigkeiten, sich ohne externe Unterstützung in diesem Vorschriftendschungel zurechtzufinden.

Noch einige Fragen zu den Themen Finanzen und Vorsorge: Was halten Sie von Bitcoins?
Interessant finde ich die dahinterstehende Blockchain-Technologie. Diese lässt sich auch für andere Bereiche anwenden, bei der die Nachverfolgbarkeit von Daten sichergestellt werden muss, zum Beispiel bei der Archivierung. Die Bitcoins selber beurteile ich skeptisch. Ich frage mich, ob sie sich auf die Dauer wirklich durchsetzen werden. Bitcoins sind eine losgelöste Währung ohne Leistungen dahinter. Nichtdestotrotz muss diese auch heute schon korrekt in den Steuererklärungen aufgeführt werden. Unsere Aufgabe ist es, auch hier am Ball zu bleiben und die Kunden bei den technischen sowie rechtlichen Aspekten richtig zu beraten.

Haben Ihre Kunden die Folgen des hohen Frankenkurses gespürt?
Viele unserer Kunden mit einem Exportgeschäft haben den hohen Frankenkurs sehr wohl gespürt. Die Produktionskosten sind im Vergleich zum Ausland generell sehr hoch – das ist die Kehrseite unseres Wohlstands. Es stellt sich die Frage, ob es möglich ist, die Schweiz als Produktionsstandort aufrechtzuerhalten. Die Industrieunternehmen sind gezwungen zu investieren, oftmals mit finanzieller Hilfe aus dem Ausland.

Schon am Anfang der 2000er-Jahre wurde über das Bröckeln der zweiten Säule spekuliert. Wie beurteilen Sie persönlich die zwischenzeitliche Entwicklung in diesem Bereich?
Probleme ergeben sich für die zweite Säule durch die niedrigen Zinsen und die höhere Lebenserwartung. Die Kassen können diese Faktoren nicht beeinflussen, sondern nur den Umwandlungssatz senken. Dieser wird sich in die Richtung von fünf Prozent bewegen, mehr ist kaum finanzierbar. Viele Pensionskassen sind aber sehr gut aufgestellt und sehr wichtig.

Das sehr gute Börsenjahr 2017 hat hierbei sicher einen grossen Teil dazu beigetragen. Hoffen wir, dass der schlechte Börsenstart im Laufe des 2018 wieder aufgefangen werden kann. Denn die Altersreform muss auch die zweite und dritte Säule fördern, nicht nur die AHV. Zum einen haben wir bei OBT eine durch uns organisierte Pensionskasse und zum anderen viele Pensionskassen als Kunden. Darum sind wir an den entsprechenden Entwicklungen interessiert und sehr nahe dran.

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