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Interview mit Klaus J. Stöhlker

«Kommunikation ist nur eines: Sachverstand plus Energie»

Klaus J. Stöhlker, Senior Consultant der Klaus J. Stöhlker AG über gute und schlechte Unternehmenskommunikation, Public Relations als Erfolgsfaktor und das Anforderungsprofil für externe Berater.
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› Das Gespräch führte Michael Drosten

Herr Stöhlker, Sie sind seit 40 Jahren im PR-Geschäft. Wie hat sich in dieser Zeit Unternehmenskommunikation verändert?

Kommunikation war immer vor allem ein Instrument der Konzerne. Konzerne haben Menschen eingestellt, manchmal waren es Pfarrer, Psychologen oder Historiker, zum Schluss PR-Berater, die ihnen geholfen haben, zu kommunizieren. Im Laufe der letzten 30 Jahre hat sich die Kommunikation ungeheuer verbreitert. So haben auch KMU mehr und mehr Unternehmens­kommunikation betrieben, infolgedessen dann regelrecht  eine PR-Ausbildungswelle über die deutschsprachigen Länder schwappte. Das hat zu einem Boom von PR-Leuten geführt;  jedes Jahr kommen 2000 neue von den Fachhochschulen. Ja, was machen die alle? Die werden dann Eventmanager oder steigen ins E-Business ein. Das ist doch fatal. Die Firmen haben das natürlich gemerkt und gefragt: Was sollen wir mit den unerfahrenen Hochschulabsolventen? Und dann haben sie Journalisten für den Job genommen. Chefredakteure, nette Kerle, die einfach Geld verdienen wollten. Das ging aber auch nicht immer auf, denn Journalismus ist nur ein kleiner Teil der PR-Beratung.

Und wie beschreiben Sie den Status quo?

Die besten Unternehmen sind heute kommunikativ sehr gut ausgerüstet. Die Konzerne und grossen Unternehmen haben ihr Kommunikationsverhalten in den letzten Jahren jedoch geändert. Früher haben sie sehr offen kommuniziert, heute sind sie sehr defensiv geworden, weil sie Angst vor Klagen haben. Das heisst, es wird alles kontrolliert. Selbst die Stars der Kommunikationsszene, die eine halbe Million Franken im Jahr verdienen, dürfen keine Zeile mehr sagen, ohne dass zwei Juristen hinter ihnen stehen. Ein gutes KMU kann diese Gegebenheiten nutzen und davonsprinten.

Welche Rolle nehmen die PR-Agenturen in diesem Szenario ein?

Kommunikation lebt von zwei Polen. Das eine ist der Unternehmer oder Spitzenmanager, der sein Unternehmen durch seine Persönlichkeit formt. Das andere sind die Systematiker, die begriffen haben, dass dauerhafte Kommunikation mit Personen arbeiten und über Jahre hocheffizient fortgeführt werden muss. Die Agenturen sind bei den starken Unternehmen etwas weniger wichtig geworden, denn diese haben oft selber Kommunikationsabteilungen mit selbstbewussten Kommunikationschefs aufgebaut. Die Agenturen sind dadurch etwas in die Breite gedrückt worden, nämlich mehr in die Dienstleistungstechnik hinein. So haben die Agenturen zum Teil an Kommunikationsführung verloren. Heute haben wir zudem die dramatische Situation, dass durch die Globalisierung alles nochmals beschleunigt wird,  alles komplizierter wird. Das kommt wie ein Sturm über die Firmen, und manche können da kommunikativ nicht mehr mithalten. Das führt dazu, dass die Spitze der Unternehmen immer besser wird, und in der Mitte kämpft ein grosser Teil von Firmen um den Anschluss. In vielen KMU findet auf diese Weise ein stilles Sterben der Kommunikation statt.

 

Wie das? Die Globalisierung ist ja nun kein neues Phänomen mehr.

Das ist richtig. Aber es gibt verschiedene Entwicklungen, die parallel dazu verlaufen. Wichtig ist zu erkennen, was unter einem KMU in der Schweiz zu verstehen ist. Ein KMU in der Schweiz ist ja anders als eines in Frankreich oder Deutschland. Schweizer KMU zeichnen sich dadurch aus, dass sie inhabergeführt sind, oft sehr geschlossene Teams haben und gute Fachkräfte. Es waren immer starke Unternehmerpersönlichkeiten, die Schweizer KMU stark gemacht haben. Ich nenne Ernst Tanner von Lindt oder Peter Spuhler mit seiner Holding, der aus dem Nichts ein starkes Schweizer KMU geformt hat, oder auch Christoph Blocher und seine Tochter, die den Chemiekonzern Ems erfolgreich weiterentwickelt haben. In der Schweiz sind solche Erfolgsgeschichten noch möglich, weil wir einen hohen Bildungsstand haben, weil wir eine unternehmerische Bevölkerung haben mit einer unternehmerischen Tradition und Ehrgeiz. Das verhindert aber nicht, dass Hunderte von KMU verschwinden werden.

Sie malen ein düsteres Bild. Warum ist das so, und welche Unternehmen betrifft das?

Die Erfolgsformel der Schweizer KMU wirkte bis vor rund fünf Jahren. Die Beschleunigung bringt jedoch neue Gesetze, auf die sich KMU einstellen müssen. Es werden nicht mehr die besten drei von zehn Unternehmen sein, die Geld verdienen, sondern es wird die Nummer eins sein. Dieses «Rat Race», wie die Amerikaner sagen, um den besten Platz, vernichtet zum Teil die Schweizer KMU-Szene. Die Schweiz ist ein kapitalistisches Land, und in einem kapitalistischen Land gilt: Entweder sind wir die Nummer eins oder wir sind niemand. Und Unternehmenskommunikation ist ein kapitalistisches Instrument. Sie dient der Stärkung der Starken und das erfordert einfach Kompetenz. Kompetenz, die von der Unternehmensleitung bis zum Kommunikator selbst reichen muss. Und da gibt es leider ein Problem. Unsere jungen Top-Manager lernen an den Hochschulen sehr wenig über Kommunikation. Daher haben sie kein Feeling dafür, was komplexe Kommunikation bedeutet und bewirken kann, und sie stellen dann oft Kommunikationsleute ein, die mit ganz eigenen Ideen auch in eine falsche Richtung marschieren. Diese Zeit der Wirren löst Zusammenbrüche aus.

Zurück zu den Gewinnern. Was braucht es, um dazuzugehören?

Ich erlebe die Wirtschaft als Kampf. Es ist natürlich sehr unschweizerisch, diesen Ausdruck zu benutzen. Aber es sind wirklich nur die besten Teams, die in diesem Kampf gewinnen. Und die etwas langsameren werden von den Löwen gefressen. Man muss «more mean», also etwas gemein und unverschämt sein, um sich durchzusetzen. Das erzählt natürlich niemand gern. Wenn man das aber nicht ist, kann man sich auch gegen den Wettbewerb nicht durchsetzen. Prioritär muss die Unternehmensleitung natürlich ein gutes Produkt oder eine gute Dienstleistung haben. Sie muss eine tolle Mannschaft entwickeln, auch das braucht seine Zeit. Wir haben zum Beispiel zwei Jahre dafür gebraucht. Dann trägt Kommunikation enorm viel dazu bei, dass ein Unternehmen zu den Gewinnern zählt. Oder zu den Verlierern. Der Idealfall ist, wenn die Unternehmensleitung mit seinem Kommunikationsverantwortlichen exzellent zusammenspielt. Und zwar über Jahre. Alle zwei Jahre eine neue Kommunikationsstruktur aufzubauen, kostet nur viel und bringt wenig. Der Unternehmensführer muss insgesamt vor allem eines tun: Er muss mittel- bis langfristig denken. Dieses kurzfristige Planen, diese Aktionitis, macht viele KMU kaputt.

Das gilt nicht nur für die Kommunikation.

Natürlich nicht. Das gilt auch für das Management insgesamt. Dafür gibt es viele Beispiele. Vögele steht für ein Unternehmen, das in 15 Jahren durch wechselnde Managements zugrunde gerichtet wurde. Es waren keine Massstäbe dafür vorhanden, was man mit einer solchen Marke machen kann; die Firma ist heute mehr oder weniger am Ende. Oder nehmen wir den Werkzeugmaschinen-Hersteller Tornos. Hier haben oft die Eigentümer gewechselt, und mit den Eigentümern haben die Manager gewechselt. Mal macht das Unternehmen einen Sprung vorwärts, dann fällt es wieder zurück. Keine Kontinuität. Kontinuität aber ist das absolut Wichtigste. Der Kunde will Sicherheit haben.

Ist es denn so schwierig, ein Top-Management zu installieren, oder gibt es zu wenig gute Manager?

Was heisst gut? Das muss sich jedes KMU selber fragen. Gut heisst, im Wettbewerb zu bestehen. Nichts anderes.

Und wie kann Kommunikation dabei helfen?

Kommunikation heisst, Sicherheit herzustellen mit einer Fülle von Instrumenten. Das Geheimnis ist, aus einem riesigen Fundus, ich nenne das Waffenkorb, die richtigen Waffen zu nehmen, die zum Unternehmen und seinem Repräsentanten passen. Ich bin zum Beispiel ein grosser Fan von Jean-Claude Biver, heute Verwaltungsratspräsident von Hublot. Er hat Hublot zur Kultmarke gemacht und den Umsatz der Manufaktur innerhalb von vier Jahren verzehnfacht. Das ist ihm nicht gelungen, weil er die Funktion der Uhren besser erklären konnte. An einer Uhr ist nichts Spezielles. Es ist ihm gelungen, weil er um das Produkt Legenden gebildet hat. Eine Firma braucht Geschichten.

Was also macht einen guten Kommunikator aus?

Wir leben im Wettbewerb von Informationen. Die spannende Formulierung ist ganz zentral. Das Erste und Schwierigste, was ein guter Kommunikator also braucht, ist eine Formulierungskraft. Ein Beispiel: Wir betreuen den grössten Kaninchenimporteur der Schweiz. In der Schweiz selbst gibt es kein ausreichend grosses Gelände, um Kaninchen zu züchten. Der Importeur hat ein Gelände, das so gross ist wie den Kanton Zürich. In die Schweiz werden 500 Tonnen Chüngel pro Jahr eingeführt und verzehrt. Davon sind nur 200 Tonnen legal. Es musste somit kommuniziert werden, dass nur legale, nach Schweizer Haltungsnorm gezüchtete Chüngel importiert werden. Also haben wir überlegt, wie wir Kaninchen per Kommunikation sympathisch machen können. Dann haben wir eine Kampagne mit dem Claim kreiert: «Der Chüngel ist Auslandsschweizer.» Das läuft prima.

Die Formulierungskraft ist das eine. Wie aber entwickeln Kommunikationsstrategen ihren Weg, welche Meilensteine müssen sie setzen?

Eine erfolgreiche Kommunikation beginnt damit, über Kommunikation nachzudenken. Meist haben KMU ja gar keine Zeit dafür. Dennoch sollten keine leichtfertigen Personalentscheide getroffen werden. Leichtfertig heisst, einfache Lösungen zu suchen, beispielsweise einen PR-Mann einzustellen, nur weil man einen Journalisten aus seinem Umfeld kennt. Der nächste Schritt ist, die zentralen Botschaften festzulegen. Wer ist meine Firma, welche Produkte und Dienstleistungen habe ich? Das ist wichtig. Dann erst geht es darum, die Instrumente festzulegen.

Wie gelingt das am besten?

Der Kommunikationsmensch sitzt wie vor einer grossen Orgel. Wenn es ein kleines Unternehmen ist, muss der Unternehmensführer oder sein Berater Teile der Orgel beherrschen. Ist es ein Konzern, muss er das ganze Instrument zum Tönen bringen. Und zwar nicht nur im Inland, sondern auch irgendwo in Sambia oder der Mongolei. Jetzt ist noch das ganze Instrumentarium E-Business dazugekommen, von dem alle glauben, mit dabei sein zu müssen. Das ganze E-Business wird jedoch nur von ganz wenigen beherrscht. Im Moment ist E-Business aber auch überbewertet. Das heisst, die Ergebnisse sind miserabel; das sagen mir alle Unternehmer, mit denen ich spreche. Wenn ich grosse Botschaften habe, ist nach wie vor Fernsehen wichtig. Weil es mittlerweile so viele Regionalsender gibt, gilt das auch für KMU. Die Sender wissen teilweise noch gar nicht, wie sie mit dem Medium umgehen und warten auf Ansprache. Den Sendern fehlen teilweise die Storys. Da gibt es noch eine grosse Hilflosigkeit. Wenn KMU lernen, da richtig mitzuspielen, werden sie erfolgreich sein.

Gerade kleine und mittlere Unternehmen, die nicht den Luxus eines ganzen Corporate-Communication-Stabes haben, greifen auf externe Unterstützung zurück. Woran können sie einen guten Kommunikationsberater erkennen?

Das ist sehr schwierig. Das ist auch eine soziale Fähigkeit. Viele Berater werden ausgesucht, weil es nette Kerle sind, die einen cleveren Eindruck machen. Da gibt es auch irrationale Gründe. Wir haben zum Beispiel vor Jahren einen grossen Kunden verloren, was letztlich daran lag, dass ich vielleicht manchmal etwas lebhaft unterwegs bin und mit meiner Meinung nicht hinter den Berg halte. Wir haben Beziehungsfelder, nach denen Berater ausgesucht werden. Wie erkennt man einen Profi? Als Erstes an seinen Erfolgen, ganz einfach. You get what you see. Das heisst, zeige mir, dass du etwas von meiner Branche verstehst, dich ehrlich einarbeiten willst in meine Problemtaik. Ich schlüpfe immer in die Jacke meines Kunden. Zweitens muss der Berater ökonomisch denken. Wer die Ökonomie vergisst, dem hilft auch eine schöne Kampagne nicht. Und als Letztes kommt hinzu: Man muss heute schnell liefern. Man muss heute live reagieren und auch schnell auf unvorhergesehene Dinge eingehen können. Denn es passieren laufend Angriffe. Nehmen wir das Beispiel mit Oprah Winfrey, wie unbeholfen da reagiert wurde, das ganze Land hat unbeholfen reagiert. Die Unsicherheit der KMU zum Thema Kommunikation hängt auch damit zusammen, dass sie von nirgendwo Hilfe bekommen. Die grossen Weiterbildungskurse sind teuer. Die Verbände bringen wenig Hilfe, weil sie damit völlig überfordert sind. Im Zürcher Oberland bildet sich aus genau dem Grund ein neues Wirtschaftsforum.

Eine letzte Frage zur internen Kommunikation. Haben Sie Empfehlungen, wie diese zu optimieren ist?

Kommunikation nach innen muss von der Geschäftsleitung ausgehen. Man kann Kommunikation nach innen nicht einfach irgendwie delegieren. Es gibt aber Menschen, die eignen sich gar nicht für die interne Kommunikation. Deswegen ist ein Boom an technischen Lösungen entstanden, zum Beispiel Video-Konferenz. Der Chef darf sich jedoch nicht verstecken, auch nicht hinter Technik, er muss herumgehen, die Mitarbeiter spüren. Und ich möchte eine Anmerkung machen zum Thema Ehrlichkeit. Man muss die Kraft haben, die Wahrheit zu sagen, aber, was an den Hochschulen gelehrt wird, nämlich immer die Wahrheit sagen zu müssen, ist vollkommen falsch und unrealistisch. Gerade in einer Zeit des Wartens kann ein Geschäftsführer nicht immer sagen, wie es um die Firma steht. Gleichzeitig muss der Chef glaubwürdig bleiben. Und glaubwürdig ist er, wenn er bei den Mitarbeitern ist, und von der Sache etwas versteht. Es gibt Hunderte von Beschreibungen, was Kommunikation ist, dabei ist Kommunikation nur eines: Sachverstand plus Energie. «

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