Interviews

Im Gespräch mit René Hagspiel

«Jede neue Technik beginnt mit einer Spielerei»

René Hagspiel, Geschäftsführer der Big Belly Bank Production AG, spricht über die analoge Spardose im digitalen Zeitalter, den Produktionsstandort Schweiz und die Jungunternehmerförderung als Modewort.
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Herr Hagspiel, Sie produzieren Dinosaurier und andere Tierfiguren aus Holz, die Kinder als Spardose nutzen sollen. Dabei bauen Sie auf Spass beim Sparen. Wie sind Sie auf diese eher unzeitgemäss anmutende Idee gekommen?
Bei einer USA-Reise im Jahr 2006 besuchte ich einen Saurier-Nationalpark und suchte ein Geschenk für meinen Göttibuben. Da bin ich auf die Dino-Spardosen von der Firma Big Belly Banks gestossen, der diese in den USA schon in den 90er Jahren produzieren liess. Mein Göttibub hatte grossen Spass an dem Dino. Daraufhin habe ich die Figuren aus den USA importiert und an weitere Kinder verschenkt, bei denen sie grossen Anklang fanden. Damals besass ich einen Laden für Geschenkartikel und die Spardosen passten sehr gut in mein Sortiment.

Haben Sie eine Lizenz von dem Hersteller in den USA?
Fast ein Jahr habe ich verhandelt, bis der Firmenleiter in den USA Vertrauen zu mir hatte und ich die Augen und den Kugelbauch für meine Produktion von ihm beziehen konnte. Ich liess die Figuren dann in der Schweiz und in Deutschland in Behindertenwerkstätten anfertigen und bot sie in beiden Ländern parallel zum Verkauf an. Heute produzieren wir unsere Spardosen selber und lassen auch eigenes Zubehör produzieren.

Woher kommt der Name Big Belly Bank?
Der Name kommt von «Grosse Bauch Spardose» und wir fanden er passt perfekt.

Wie regeln Sie den Schutz der Immaterialgüterrechte?
Ich besitze den Marken-, Design- und den Patentschutz für Europa. Dazu gehört auch der Gebrauchsmusterschutz von der Geldbahn im Hals der Figuren. Dieser schützt sogar das Tack-Tack-Peng-Geräusch, das die Geldmünzen verursachen, wenn sie durch den Hals in den Behälter fallen. In der EU sind die Spardosen als Spielzeug klassifiziert. Sobald ein Produkt kleine Kinder anspricht und diese es für ein Spielzeug halten, gilt die strenge Spielzeugrichtlinie. Diese enthält ganz harte Vorschriften für alle Bestandteile, sogar für den Informationsaufkleber. Unsere Figuren entsprechen den Vorschriften der Spielzeugrichtlinie zu 100 Prozent. Zusätzlich sind sie giftfrei her-gestellt, was auch eine Garantie für Qualität beinhaltet, jedoch nicht gefordert wird.

Gab es schon Urheberrechtsverletzungen?
Ja die gab es, aber bisher passierten die meisten unabsichtlich. Nach meinem Anruf wurde sofort kooperiert und sogleich eine Lösung gefunden.

Wie haben Sie sich Ihr Startkapital beschafft?
Zwei Drittel investierte ich in Form von Eigenkapital, ein Drittel habe ich mittels eines Darlehens finanziert. Das Darlehen muss ich natürlich zurückbezahlen, deswegen ist mein Geschäft bisher ein Nullsummenspiel, welches kaum einen Gewinn abwirft. Die Produktion ist eine Einmann-AG und ich beziehe einen Lohn als Geschäftsführer.

Wann ist denn der Break-even erreicht?
Das ist dann der Fall, wenn man auch im Ausland ausreichend Waren absetzen kann. Der Markt in der Schweiz ist zu klein für unser Geschäft. Um die notwendigen Mengen abzusetzen, müssen wir unsere Produkte im Ausland anbieten. Als man im Januar 2015 den Franken vom Euro löste, reduzierte sich unser beachtliches Auslandsgeschäft plötzlich auf null, da die Preise in den Euroländern um etwa 15 bis 20 Prozent anstiegen.

Haben Sie schon daran gedacht, Ihre Produkte günstiger in Deutschland herstellen zu lassen?
Wir haben uns 2014 aus verschiedenen Gründen dazu entschieden, in der Schweiz zu produzieren; somit werden wir auch daran festhalten.

Ist es überhaupt möglich, mit nur einem Produkt langfristig erfolgreich zu sein?
Natürlich. Viele Unternehmen haben das geschafft. Die Voraussetzung dafür ist aber eine hohe Qualität. Billig kann jeder, wir wollen was Wertiges und Tolles anbieten, das hat seinen Preis. Bei uns spüren die Kunden den Einsatz für ein einzigartiges Produkt.

Wie viele Produkte werden in Ihrem Betrieb produziert und wie hoch ist die Absatzmenge?
Wir produzieren bis zu 400 Dinos täglich, aber entscheidend ist, dass wir in den letzten Jahren von den 50 Zentimeter gros­sen Spardosen über 100 000 Dinos verkauft haben. Das ist eine beachtliche Anzahl, wenn man denkt, dass dieses Produkt immerhin 110 Franken kostet.

Haben Sie vor, das Sortiment zu erweitern?
Ja, wir produzieren auch andere Tierfiguren, Hunde, Krokodile und Drachen. Wir planen auch, Gegenstände für andere Bereiche zu produzieren, zum Beispiel für Souvenirläden und Coffeeshops, ausserdem könnten wir unser Sortiment auf andere Spielwaren oder sogar Möbel erweitern.

Sie produzieren in der Schweiz? Woher beziehen Sie die Rohstoffe?
Die Rohstoffe, zum Beispiel das Holz und das Pulver, beziehe ich aus dem Kanton St. Gallen. Es ist mir wichtig, eine Partnerschaft mit Unternehmen aus der Region zu pflegen, aus dem Grunde beziehen wir keine Rohstoffe aus dem Ausland.

Sie arbeiten mit der Pulverbeschichtung. Wie funktioniert das, und was ist das Besondere daran?
Die energieeffiziente Niedertemperatur-Pulverbeschichtung wird seit etwa fünfzig Jahren für Metall praktiziert. Nur wenige Unternehmen in Europa wenden dieses Verfahren bei Holzprodukten an, und wir sind die Einzigen, welche Spielwaren lackieren und über eine Methode für zweifarbige Beschichtung verfügen.

Warum ist die Methode besonders umweltfreundlich?
Wir arbeiten ohne Lösungsmittel und es entstehen auch keine flüchtigen organischen Verbindungen (VOC). Pulver, das während der Verarbeitung überschüssig ist, wird aufgefangen und wiederverwendet. Das Pulver wird im Ofen eingebrannt, die Oberfläche wird dadurch unempfindlicher und kratzfester. Wöchentlich besuchen uns Vertreter grosser Unternehmen aus der ganzen Welt, die sich für dieses Verfahren interessieren.

Kann man Ihr Verfahren auch für andere Produkte anwenden?
Ja, wir beschichten auch Kücheneinrichtungen. Ich bin der Meinung, dass diese Technik in Zukunft sehr erfolgreich sein wird.

Wie würden Sie die zentralen Erfolgsfaktoren für Ihr Produkt beschreiben?
Jede neue Technik beginnt mit Spielerei. Die Kinder haben Spass beim Dinofüttern, denn wenn man Geld einwirft, lachen alle Leute und bekommen ein positives Gefühl. Die Bauchkugel zeigt, wie viel Platz es für Geld noch gibt. Die Dinos regen Kinder zum Sparen an und haben dadurch eine pädagogische Wirkung, was auch von den Eltern gewünscht wird. Die Kinder sollen durch die Spardosen lernen, ihr Geld sinnvoll zu investieren und langfristig zu planen.

Bitcoins als vermeintliche Währung der Zukunft sprechen eine andere Sprache.
Mit Bitcoins kann man kurzfristig Spekulationen betreiben. Ich bin eher der Mann für langfristiges Investieren, wobei auch unsere Spardosen helfen.

Sind Ihre Dinos auch ein Protest gegen die drohende Abschaffung des Bargeldes?
Ich glaube nicht, dass man in der Schweiz so bald das Bargeld abschaffen wird. Mit Kredit- und EC-Karten gibt man Geld viel zu leicht aus. Um Sparen zu lernen, braucht man einen physischen Bezug zum Geld, den unsere Spardosen bieten.

Welche Werbeformen nutzen Sie, um das Produkt bekannter zu machen und den Absatz zu steigern?
Hauptsächlich bei Neugeburten erhalten die Eltern Werbung im Babykoffer.

Werden Ihre Dinos auch in Banken aufgestellt?
Das wäre naheliegend, aber je grösser eine Firma ist, umso kleiner ist das Budget. Deswegen interessieren sich die Manager von Grossbanken kaum für meine Spardosen, sondern eher die Filialleiter von kleineren regionalen Banken, zum Beispiel Raiffeisen. Diese verschenken die Dinos, etwa an gute Kunden zum Geburtstag oder bei Hypothekenabschlüssen. Ein Kind besitzt eine solche Spardose jahrelang und weiss, dass sie ein Geschenk von der Bank ist.

Wie steht es mit staatlicher Förderung für innovative Unternehmen wie Ihrem?
In der Schweiz gibt es praktisch keine Jungunternehmerförderung. Es wird zwar immer wieder anderes behauptet und gros­se Firmen nutzen dieses «Modewort» als Werbekampagne, doch richtige Förderung, welche mich beim Tagesgeschäft unterstützt, indem mir administrative Pflichten abgenommen werden, gibt es nicht. Wir KMU werden allein gelassen. Wenn es eine Zeit lang reduzierte Prämien bei Internetdienstleistern oder Versicherungen gibt, betrachte ich das nicht als Jungunternehmerförderung, sondern als Verkaufsförderung. Wir brauchen Vorteile gegenüber eingesessenen Unternehmen, für die nicht jeder renitente Mitarbeiter gleich ein Problem ist.

Kommen Probleme mit Mitarbeitenden oft vor?
Das grösste Problem war tatsächlich, gutes Personal zu finden.
 
Welche Ausbildung müssen Ihre Mitarbeiter haben?
Sie brauchen ein gewisses Know-how, aber nicht unbedingt eine Schreinerlehre. Wichtiger ist, dass sie bereit sind, zu lernen, etwas zu leisten sowie Verantwortung zu übernehmen. Der Lohn wird klassisch nach Aufgaben, Kompetenz und Verantwortung berechnet.

Herr Hagspiel, im vergangenen Jahr wurde Ihr Unternehmen von Idee-Suisse ausgezeichnet. Welchen Effekt hatte der «Golden Creativity Award 2016»?
In der heutigen technologischen Welt ist es als konservativer Holz-Produktionsbetrieb nicht einfach, aufzufallen. Umso mehr freue ich mich über diese Auszeichnung. Wegen des Preises berichteten Reporter vom regionalen Radio und Fernsehen, die sich zuvor nicht für uns interessierten, über mein Unternehmen. Dazu besuchten Leute aus Politik und Wirtschaft die Preisveranstaltung.