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Interview mit Jean-Jacques Suter

«In schwierigen Zeiten empfiehlt sich antizyklisches Verhalten»

Jean-Jacques Suter, CEO Sage Schweiz AG, über Sicherheitsaspekte beim Umgang mit Cloud-Services, die Evolution bestehender IT-Systeme und künftige Herausforderungen für Schweizer KMU.
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Herr Suter, Cloud Computing gilt als einer der wichtigsten IT-Trends für Unternehmen. Viele KMU sind allerdings noch sehr zurückhaltend, nicht zuletzt, weil sie um ihre Daten fürchten. Teilen Sie diese Sorge, und wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung in diesem Bereich?

KMU sind nicht in erster Linie aus Sicherheitsgründen zurückhaltend. E-Banking zum Beispiel ist eine Cloud-Anwendung, die es schon seit Jahren gibt und heute selbstverständlich genutzt wird. Die Zurückhaltung liegt mehr in den unterschiedlichen Bedürfnissen, welche KMU mit Cloud Computing abdecken können und wollen. In vielen Unternehmen steht nicht der Betrieb der Business-Software in der Cloud als solches im Vordergrund. Vielmehr beschäftigen sie Fragen, wie sie beispielsweise den Zugriff der Mitarbeiter auf die Finanzbuchhaltung intern steuern können, damit zum Beispiel ein Sachbearbeiter für die Spesenabrechnung nur gerade in die für ihn nötigen Daten und Listen Einsicht hat.

Daten sind der Schatz eines Unternehmens. Der rasante technologische Fortschritt und der selbstverständliche Umgang mit mobilen Endgeräten führen zu einer wachsenden Verschmelzung geschäftlicher und privater Nutzung. Dies führt zu Sicherheits­lücken. Wie können sich KMU am besten schützen?

Der Einsatz von privaten Endgeräten innerhalb des internen Firmennetzes stellt neue Anforderungen an Sicherheit, Prozesse und Organisation. Konkret bedeutet das, dass KMU nicht nur in zusätzliche Sicherheit wie interne Firewalls investieren sollten, sondern auch zusätzliche personelle Ressourcen aufbauen müssen. Die grösste Herausforderung ist die höhere Komplexität. Denn private Geräte von Mitarbeitenden bedeuten unterschiedliche Betriebssysteme und Softwareanforderungen. Das stellt wiederum höhere Ansprüche an den IT-Support. Zudem müssen juristische Fragen geklärt werden. Zum Beispiel, was passiert, wenn ein Mitarbeiter mit seinem privaten Gerät einen Schaden bzw. ein Sicherheitsleck verursacht.

Gerade in wirtschaftlich rauen Zeiten setzen viele Unternehmen auf schlanke und effiziente Prozesse, um Wachstum zu generieren. Wie kann Business-Software hierbei unterstützen – strategisch wie auch operativ?

Viele Unternehmen nutzen in ihren täglichen Arbeiten Insel­lösungen, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Sie setzen zum Beispiel ein Programm für die Buchhaltung ein, führen die Kundendaten mit Outlook und das Auftragswesen in Excel-Tabellen. Das führt unweigerlich zu Doppelarbeiten und Zeitverlust. Das ist dann etwa so, wie wenn Sie mit einem herkömmlichen Fahrrad zu einem Kundentermin fahren und dann völlig ausgepowert und verschwitzt ankommen. Mit einer Business-Software fahren Sie immer noch Fahrrad, benutzen aber ein E-Bike, sind mobiler, gewinnen Zeit und kommen frisch beim Kunden an. Sie pflegen Ihre Kundenbeziehungen effizient und zielgerichtet oder steuern das Unternehmen sicher, weil Sie alle Daten und Informationen aus dem Finanz-, Auftrags- und Personalwesen konsolidieren und auswerten können. Hier kommt dann auch die strategische Komponente hinzu: Die betriebswirtschaftliche Software liefert die Übersicht und Entscheidungsgrundlage, welche das KMU für seine weitere Entwicklung und das Wachstum benötigt.

Welche Lösungen fragen Ihre Kunden derzeit besonders stark nach?

Bei Kleinstunternehmen, welche zum Beispiel die Finanzbuchhaltung mit Sage Start abwickeln, stellen wir einen Trend in Richtung SaaS fest. Denn grundsätzlich kann sich das Unternehmen in diesem Fall überlegen, ob es die Software als Service via Cloud beziehen oder diese lokal auf dem Rechner installieren möchte. Bei mittleren und grösseren Unternehmen stehen aber wie angesprochen andere Bedürfnisse im Vordergrund. Oft ist ein IT-System im Einsatz, dessen Betrieb als Ganzes in der Cloud zu komplex und kostspielig ist. Bei diesen Unternehmen geht der Trend mehr in Richtung integrierter CRM-Lösungen, Customer Relationship Management, Business-Intelligence-Tools und Anbindung cloud-basierter, mobiler Services.

Können Sie daraus einen Trend ablesen?

Das Stichwort heisst Evolution. Viele Unternehmen investieren nicht per se in das neuste oder teuerste Produkt, sondern möchten auf ihren bestehenden Standards, auf ihrem bestehenden System aufbauen und dieses punktuell und sinnvoll ergänzen. Das sichert ihnen einerseits den Schutz ihrer bisher getätigten Investition und das über die Jahre gewachsene Know-how der Mitarbeitenden.

Wo sehen Sie derzeit den grössten Nutzen solcher Anwendungen?

Integrierte CRM-Lösungen können das Unternehmen dabei unterstützen, mehr Kundennähe aufzubauen. Business-Intelligence-Tools helfen, die Datenflut zu kanalisieren. So wird zum Beispiel für Führungskräfte ersichtlich, welche Produkte in welchen Verkaufsregionen erfolgreich sind.

Und welches sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Hindernisse?

Ich glaube, dass die Notwendigkeit solcher Ergänzungen gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erkannt, aber aus Budgetgründen für bessere Zeiten zurückgestellt wird. Hier empfiehlt sich antizyklisches Verhalten. Diese Grundhaltung geben wir auch an unsere Kunden weiter. Denn hier können wir auf die 25-jährige Erfahrung und Best Practice aus mehreren Tausend Kundenprojekten zurückgreifen.

Wo werden heute denn bezüglich Software die höchsten Investitionen getätigt?

Unternehmen haben erkannt, dass die Entwicklung zu mehr Mobilität nicht nur ein Trend ist und investieren deshalb in den Ausbau ihrer bestehenden Softwarelösungen. Der Datenschatz, welcher vor Ort beim Unternehmen vorliegt, wollen sie sicher, schnell und mobil – zum Beispiel ihren Aussendienstmitarbeitern – zur Verfügung stellen. Damit dies gelingt, müssen bestehende Systeme so ausgerichtet werden, dass sie nahtlos mit mobilen Systemen kommunizieren.

In welchen Bereichen sehen Sie mittelfristig die grös­sten Herausforderungen für Schweizer KMU?

In der Schweiz haben wir ein enorm hohes Ausbildungsniveau mit entsprechender Know-how-Dichte bei relativ hohem Lohnniveau. Die grösste Herausforderung wird sein, in einem kompetitiven Umfeld mit steigendem Zeit- und Kostendruck die eigene Wirtschaftlichkeit noch weiter zu steigern. Dazu müssen einerseits wiederkehrende Arbeiten effizient und kostengünstig bearbeitet und abgewickelt werden können, damit das Know-how der Mitarbeiter gezielt für die Kernkompetenz im Unternehmen eingesetzt werden kann. Andererseits braucht es solide Grundlagen, um zukünftige Entscheide fundiert abzustützen. Dafür ist Transparenz nötig.

Mit welchen Massnahmen können kleine und mittlere Unternehmen auf diese Herausforderungen angemessen reagieren?

Das Unternehmen kann auf Trends rechtzeitig reagieren und den Markt richtig bearbeiten, wenn der Erfolg von Massnahmen richtig gemessen wird. Um Ursachen schnell und fundiert analysieren zu können, ist Übersicht und Durchblick in allen Bereichen nötig: Bei den Zielvorgaben, in der Planung, im Vertrieb und Marketing, im Einkauf und der Lagerbewirtschaftung, aber auch im Preis- und Kostenmanagement.

Und wie kann Sage diese Prozesse stützen? Oder auch anders gefragt: Was kennzeichnet Ihre Produkte von morgen?

Wir setzen bei der Entwicklung unserer Produkte sehr stark auf den evolutionären Gedanken. Im Herbst beispielsweise lancieren wir das neue Sage 200, welches auf bestehenden Standards aufbaut, sich dabei konsequent auf mehr Mobilität fokussiert und die Anbindung mobiler Lösungen problemlos ermöglicht. Damit schliessen wir eine zweijährige Entwicklungsphase ab, welche den Grundstein und Investitionssicherheit für die nächsten 15 Jahre gewährleistet. Weiter bieten wir unseren Kunden sogenannte Connected Services zu ihrem bestehenden Sage-Produkt. Damit ermöglichen wir unseren Kunden, Lösungen von spezialisierten Partnern zu nutzen. Zum Beispiel können sie zu Sage 50 den Service Debitorenmanagement der Collecta AG beziehen, welcher es erlaubt, von der Adress- und Bonitätsprüfung bis hin zur Betreibung den gesamten Debitorenprozess besser zu bearbeiten und die Liquidität zu sichern.

Um eine Software effektiv zu nutzen, fehlt es oft auch am nötigen Fachwissen. Wie reagiert Sage auf dieses Problem?

Sage bietet neben Software eine Vielzahl von Leistungen. Neben unserem klassischen Produktsupport beraten wir unsere Kunden in konkreten, betriebswirtschaftlichen Fragen, z. B. bei den Jahresabschlüssen, bei der Mehrwertsteuerabrechnung oder mit unserem HR Advisory Service in arbeitsrechtlicher Hinsicht. Zu unserem breiten Angebot zählen aber auch Schulungs- und Ausbildungskurse unserer Sage Academy. Zudem sichern wir dank dem gesamtschweizerischen Netz von über 600 Vertriebspartnern eine ganzheitliche Informatikbetreuung direkt vor Ort beim Kunden.

Wie eng arbeiten Sie mit Ihren Kunden zusammen, wenn es um die Entwicklung neuer Produkte geht?

Unser Herz schlägt für unsere 60 000 Kunden in der Schweiz. Und unser Herz schlägt natürlich auch dank der Impulse unserer Kunden. Ihre Ideen und Bedürfnisse fliessen bei der Entwicklung in die Produkte und Services ein.

Stichwort Nachwuchs: Der ICT-Branche fehlen gemäss einer Studie bis 2020 bis zu 25 000 Nachwuchskräfte. Wie gehen Sie als IT-Unternehmen mit dieser Herausforderung um?

Die Nachwuchsförderung muss meiner Meinung nach wie im Sport eine zentrale Rolle in der Unternehmensführung einnehmen. Während in industriellen und gewerblichen Branchen der Lernende schon immer eine hohe Bedeutung hatte, wurde dem Nachwuchs in unserer jungen und globalisierten Branche lange Zeit zu wenig Beachtung geschenkt. Hier braucht es nachhaltige und innovative Ansätze. Wir bei Sage schaffen ICT-Lehrstellen und engagieren uns für berufliche Perspektiven von Jugendlichen, die auf ihrem beruflichen Weg bisher erfolglos waren. Konkret haben wir ein Praktikumsprogramm in Zusammenarbeit mit der Stiftung Speranza implementiert, in dem wir Schnupperpraktika und geeigneten Jugendlichen eine Berufslehre anbieten.

Herr Suter, letzte Frage: Welche Vision haben Sie für die Schweizer KMU – und damit verbunden auch für Sage?

Wir möchten mit unseren Softwareprodukten und Services Schweizer KMU die Freiheit und Sicherheit bieten, ihr Unternehmen noch erfolgreicher zu führen. «

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