Interviews

Interview mit Cristina de Perregaux

«Ich kenne kein Leben ohne Honold»

Cristina de Perregaux, Inhaberin und Geschäftsführerin der Confiserie Honold AG, über gelebte Familientradition, kontrolliertes Wachstum durch Qualitätssicherung und die Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne.
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Im Jahr 1905 gründete Ihr Urgrossvater mit zehn Angestellten die Confiserie Honold, heute arbeiten 85 Mitarbeitende am Wachstum des Unternehmens. Frau de Perregaux, was macht Honold besser als andere Confiserien, was ist Ihr Erfolgsrezept?

Ich kann nicht sagen, ob wir etwas besser machen als andere. Aber sicher ist Qualität der entscheidende Faktor. Das war schon immer so. Ein wunderbares Beispiel ist der hausgemachte «Pain de Gênes», ein Kuchen aus Mandelbiskuit, ganz ohne Mehl. Das Rezept brachte mein Urgrossvater von einer Reise nach Genua mit, und der Kuchen ist auch heute noch sehr gefragt. Qualität ist also keine Frage des Zeitgeistes. Sicher hat zum Erfolg auch beigetragen, dass die Unternehmensnachfolgen gut funktioniert haben und Honold so ohne Frakturen weiterentwickelt wurde.

Seit drei Jahren führen Sie Honold in vierter Generation. Wie waren Ihre ersten Kontakte zu Honold, und was hat Sie bewegt, das Geschäft als Unternehmerin zu führen?

Ich bin zwar im Ausland aufgewachsen, meine Ferien habe ich jedoch immer auch mit meinen Grosseltern verbracht. Daher bin ich sozusagen mit Honold aufgewachsen, ich kenne praktisch gar kein Leben ohne Honold. Das Sortiment war seit jeher schon breit; vom Kuchen über Eis, Schokoladen und Pralinen bis zu Weggli und Canapés war alles vorhanden. Pralinen zum Beispiel wurden jedoch nicht einfach nur konsumiert. Da war mein Grossvater ganz Perfektionist. Sie wurden angeschaut, ob sie glänzten oder nicht, dann wurde geprüft, wie sie rochen, und erst dann wurden sie gegessen. Auch wenn ich schon früh gelernt hatte, die Produkte zu lieben, habe ich nie damit gerechnet, auch beruflich einmal mit Honold zu tun zu haben. Ich habe zuvor als Sprachtherapeutin in London, Paris und Zürich gearbeitet. Interessanterweise aber gibt es hier ja auch eine Beziehung zum Essen. Ich hatte mich in der Schlucktherapie spezialisiert, was mit Konsistenzen von Essen und natürlich mit Geschmacks- und Geruchssinn zu tun hat. Das kann ich hier natürlich auch gut gebrauchen.

Und wie verlief nun der Entscheidungsprozess, Unternehmerin zu werden?

Als Honold 100 Jahre alt wurde, hat meine Tante, die das Geschäft führte, die Schokoladen-Tramwoche für Kunden organisiert. Dabei habe ich sie unterstützt, und damit hat auch alles begonnen. Ab da bin ich während drei Jahren immer drei Tage die Woche gekommen, um zu sehen, wie Honold funktioniert. In dieser Zeit hat meine Tante mich nicht nur beim Konsumieren erwischt, sondern auch mein Interesse am Betrieb geweckt. Als meine Tante dann das Geschäft verkaufen wollte, kam mir erstmals der Gedanke an eine Übernahme.

Und dann ging alles sehr schnell?

Nein. Ich habe fünf Monate darüber studiert. Denn es war ein grosser und auch ganz schwieriger Entscheid. Es ging um die Verantwortung gegenüber 85 Mitarbeitern, und natürlich auch gegenüber meiner Familie.

Sie haben keine Vorkenntnisse in Betriebswirtschaft und Unternehmensführung. War das ein Problem oder hatten Sie Unterstützung von Beratern?

Nein, Berater habe ich nicht engagiert. Zum einen kannte ich den Betrieb ja durch meine sporadischen Einsätze. Zum anderen hatte ich natürlich viele Gespräche mit meiner Tante und den Mitarbeitenden. Anfangs war es ein Sprung ins kalte Wasser und vieles lief mit «learning by doing», das gebe ich zu. Auch heute noch lerne ich jeden Tag dazu. Der Betrieb ist aber gross genug, dass ich nicht alles können muss. Ich bin umgeben von Fachleuten, ohne die es nicht gehen würde. Honold ist ein Produkt aus Teamarbeit.

Sie sind zunächst auf lange bestehende Strukturen gestossen. Was waren Ihre grössten Herausforderungen, und mit welchen Widerständen mussten Sie kämpfen?

Es gibt immer Menschen, die Veränderung nicht sehr mögen, die verlassen das Unternehmen dann. Das finde ich auch in Ordnung so. Mir war und ist sehr wichtig, dass die Mitarbeitenden alle an einem Strang ziehen. Es hat nach meinem Einstieg einige strukturelle Veränderungen gegeben. So gab es zuvor einen Leiter Konditorei; daraus sind die drei Abteilungen Backstube, Konditorei und Traiteur entstanden. Unsere grösste Herausforderung war sicher die Filialisierung in Küsnacht, wohin wir den grössten Teil unserer Produktion verlagert haben.

Im Sommer 2012 haben Sie die neue Filiale in Küsnacht eröffnet. Wie hoch haben Sie das Risiko eingeschätzt, so bald nach Ihrem Unternehmenseinstieg?

Das war ein sehr hohes Risiko, das ich aber sehr bewusst eingegangen bin. Unser Stammhaus am Rennweg ist ein wunderschönes Haus mit langer Tradition. Aber man muss auch weitergehen können und gerade in der Produktion zeitgemäss sein. Ich hatte ohnehin vor, in Küsnacht ein Geschäft zu eröffnen, da wir hier auch viele Kunden haben. Dann ist die Produktionsverlagerung dazugekommen, denn es wurde zu eng am Rennweg.

Was hat Sie zur Reorganisation veranlasst?

Am Rennweg besteht das Haus aus sieben Stockwerken. Es brauchte kein Wirtschaftsgenie, um zu sehen, dass die Logistik in diesem Haus schwierig war und nicht mehr zeitgemäss. Aus dieser Einsicht heraus und auch um die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden zu verbessern, ist das Projekt Küsnacht entstanden. Hier arbeiten jetzt alle mit Tageslicht, sie müssen nicht mehr schwere Säcke tragen. Zudem konnten wir so auch die Einlagerungen reduzieren. Früher wurden grosse Mengen gekauft und eingelagert, um günstiger einkaufen zu können.

Und heute ist es nicht mehr günstiger, in grossen Mengen einzukaufen?

Schon, aber es macht keinen Sinn, wenn Sie die Waren in der Menge nicht brauchen. Beispiel Packerei. Wir haben uns das lange angeschaut. Früher wurden die Materialien für Jahre bestellt. Heute kaufen wir das, was wir benötigen beziehungsweise rechnen mit Jahresbedarfen.

Der Standort Küsnacht ist sicher auch eine strategische Entscheidung für Wachstum. Was steht noch auf Ihrer Expansions-Agenda?

Wir produzieren ja zum grossen Teil Frischeprodukte wie etwa Canapés. Die werden laufend am Tag per Hand gemacht. Um die Frische zu gewährleisten, können wir nicht ohne Ende expandieren. Unser Rezept ist, auf gar keinen Fall von unserem Qualitätsanspruch abzuweichen, und der lässt sich für uns ab bestimmten Wachstumsgrössen nicht mehr einhalten. Mit Frischeprodukten würde ich daher niemals ausserhalb des Zürcher Marktes gehen.

Mit anderen Produkten schon?

Das weiss ich noch nicht. Wir müssen erst einmal konsolidieren, sehen, was im letzten Jahr alles passiert ist. Wir resümieren, welche Erfahrungen wir gemacht haben und sehen, was wir daraus ableiten.

Wie gross ist das aktuelle Honold-Sortiment, und welches sind die Verkaufsrenner?

Wir haben insgesamt über 1000 Produkte bei Honold, allein 50 verschiedene Pralinensorten. Das ist sehr viel. Unser Bestreben ist daher, dass wir saisonaler arbeiten wollen, also gezielter die Produkte einsetzen. Unsere Verkaufsrenner sind Grand Marnier Pralinés, das Birchermüesli, Thon und Eiersalat Canapés und Butterbretzel.

Haben Sie also vor, Ihr aktuelles Produktsortiment zu reduzieren?

Wir können die Produkte nicht von 1000 auf zum Beispiel 800 reduzieren. Die Idee ist, mehr Platz für neue Kreationen zu lassen. Dafür sollen ältere Produkte aus dem Sortiment fallen oder saisonal eingesetzt werden. So haben wir zum Beispiel Pralinen, die wir nur von Mitte Oktober bis Ende Januar produzieren. Und dann freut man sich auch mehr darauf. Wir haben auch spezifische Produkte, die es nur im Sommer gibt. Das möchten wir noch weiter ausbauen.

Und mit welchen Produkten machen Sie den meisten Umsatz?

Den meisten Umsatz generieren wir durch Traiteur und Backstube. Sie machen nicht ganz ein Drittel aus. Der Rest rekrutiert sich aus Pâtisserie und Schokolade. Der Verkauf von Schokolade ist ein typisches Saisongeschäft. Das Saisongeschäft hat uns allerdings auch einen kleinen Nachteil beschert, der mit Image und Bekanntheit zu tun hat. So ist Honold vor allem für sein Traiteurgeschäft bekannt, also Canapés oder auch Birchermüesli. Das ist natürlich auch wichtig. In den 1950er-Jahren war es jedoch noch die Schokolade. Es ist schade, dass viele Menschen gar nicht wissen, was für tolle Schokolade wir machen. Damit sich das ändert, führen wir Degustationen durch. Manchmal ist das mehr wert als jede Reklame, denn ganz häufig löst es bei den Kunden, die uns nur als Traiteuranbieter kennen, ein Aha-Erlebnis aus. Ich arbeite sehr daran, unseren Bekanntheitsgrad als Schokoladenhersteller mit unserem Chef Confiseur-Chocolatier Ivo Jud zu erhöhen. Ich möchte Honold den Wert wieder zurückgeben, den er früher hatte.

Wen möchten Sie denn konkret davon überzeugen, wie sehen Ihre Zielgruppen aus?

Im Grunde gehört jeder dazu, der essen kann. Vor allem Menschen, die dem, was sie essen, einen gewissen Wert beimessen. Das hat nichts mit dem finanziellen Hintergrund und auch nicht mit dem Alter der Kunden zu tun, sondern mit dem Anspruch, frisch Hergestelltes zu essen. Diese Kunden erkennen auch, welche Wertschöpfung das Essen hat. In Küsnacht war es mir daher wichtig, dass man unser Handwerk sehen kann. Die Idee von Events war mir auch schon durch den Kopf gegangen. Durch die grosse Schaufensterscheibe kann man jetzt direkt in die Produktion sehen und merken, dass es harte Arbeit ist, die Produkte herzustellen und natürlich, dass diese frisch zubereitet werden. Die Kunden können so besser einschätzen, warum unsere Produkte eine andere Preislage haben.

Sie leben also in erster Linie von Laufkundschaft.

Der grösste Teil sind Privatkunden, ja, das ist unsere Laufkundschaft. Das Firmenkundengeschäft haben wir nie systematisch angegangen bisher. Früher war es dem Zufall zu verdanken, dass Firmen eine Bestellung gemacht haben. Das wollen wir ändern und haben jetzt speziell dafür Reto Bächtiger eingestellt. Der Vorteil am Firmenkundengeschäft ist, dass es besser planbar ist als das Privatkundengeschäft. Ein mittelfristiges Ziel wäre, damit auf rund 20 Prozent des Gesamtumsatzes zu kommen. Wir wollen uns dabei aber nicht mit grösseren Konkurrenten vergleichen. Die Confiserie Sprüngli macht das ja in grossem Stil und ganz hervorragend. Honold ist jedoch keine Firma, die Aufträge in so grosser Zahl annehmen kann. Wir produzieren Nischenprodukte in feinster Handarbeit und erreichen die Kapazitätsgrenze schneller als industriell hergestellte Produkte. Unser Bestreben ist nicht, gross zu werden, sondern uns treu zu bleiben, mit hoher Qualität und Handarbeit.

Neben dem neuen Mitarbeiter für das Firmenkundengeschäft: Wie ist generell Ihr Marketing aufgestellt, welche Rolle spielt Marketing für Honold?

Um das Marketing kümmern sich Herr Bächtiger und ich. Wir hätten sehr gern jemanden nur für das Marketing, aber das ist im Moment noch nicht möglich. Zusätzlich beschäftigen wir eine PR-Agentur und veranstalten zu bestimmten Anlässen auch Events. Es gibt jedoch keinen konkreten, grossen Marketingplan. Im letzten Jahr zu Ostern haben wir erstmals Plakatwerbung gemacht, zum zweiten Mal an Weihnachten. Da haben wir einfach noch nicht viel Erfahrung und gehen daher sparsam damit um. Dann lassen wir Booklets mit allen unseren Produkten produzieren, die wir auf Messen und Inhouse-Veranstaltungen wie Besichtigungen, Degustationen und Spezialanlässen einsetzen.

Wie bewerten Sie den Einsatz der Neuen Medien?

Natürlich haben wir eine Webseite. Die ist noch nicht perfekt, aber wir arbeiten daran. Für Social Media sind wir momentan noch nicht bereit, suchen aber zur Verstärkung unseres Teams jemanden, der sich in diesem Gebiet auskennt.

Auch nicht für Firmenkunden?

Nein. Wo wir eher daran arbeiten müssen, ist die Suchmaschinenoptimierung. Potenzielle Kunden müssen uns noch besser finden. Letztlich ist Werbung schön, gut und wichtig. Am Ende kommt es aber darauf an, dass der Konsument unsere Pro­dukte erleben kann. Mit seinen Sinnen. Insofern sind Messen etwas ganz Herausragendes.

Frau de Perregaux, wie fällt Ihre Zwischenbilanz nach drei Jahren als Honold-Chefin aus?

Unser Geschäft ist ein traditionelles Geschäft, es ist ein schwieriges Geschäft. Das ist so. Und wir mussten grosse Investitionen machen, denn wir wollen ein traditionelles Geschäft bleiben, aber auch mit der Zeit gehen. Honold darf nicht verstauben. Das ist ein permanenter unternehmerischer Prozess. Insofern haben wir viel erreicht, aber längst noch nicht alles. Was gut gelungen ist, ist die Zusammensetzung und Entwicklung des Teams. In den letzten eineinhalb Jahren haben wir das Kader stabilisiert, die Mannschaft arbeitet hervorragend zusammen, kommuniziert miteinander, harmoniert. Und das spürt am Ende auch der Kunde. Für die nächsten Jahre wünsche ich mir, auch unser Haus am Rennweg zeitgemässer zu gestalten. Honold soll insgesamt wie aus einem Guss auftreten. Das betrifft auch die Präsentation der Ware. Qualitätsprodukte müssen auf hohem Qualitätsniveau präsentiert werden. In Küsnacht leisten wir das schon. Dann wünsche ich mir, dass wir am Rennweg eines Tages Selbstgekochtes anbieten können. Ein Ziel bleibt zudem, das Firmenkundengeschäft weiter auszubauen. Und schliesslich: Wir wollen wieder deutlicher als Chocolatier wahrgenommen werden.

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