Interviews

Im Gespräch mit Dr. Christoph Kellenberger

«Gerade beim Wasser ist Swissness wichtig»

Dr. Christoph Kellenberger, Mitbegründer und Geschäftsführer der Novamem AG, über Swissness in der Wassertechnik, Crowdfunding als Finanzierungsinstrument sowie die Zusammenarbeit mit der ETH Zürich.
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Herr Dr. Kellenberger, Ihr Unternehmen hat mit dem Sterilfilter «Drink Pure» ein Produkt entwickelt, das Wasser frei von Krankheitserregern macht. Der Wasserfilter gilt als der erste weltweit, der Nanotechnologie verwendet. Wie kam es zu dieser Innovation?

Seit der Gründung im Jahr 2013 hat unsere Firma Membranen für verschiedene Anwendungen hergestellt, zum Beispiel für Biotechnologie und Lifesciences. Die Wassertechnik hat uns immer interessiert. Da auf der ganzen Welt Pet-Flaschen benützt werden, sind wir auf die Idee gekommen, Filter dafür anzubieten und so Kunden auf der ganzen Welt zu gewinnen. Die Selbstreinigung entwickelten wir später, und zwar auf Wunsch der Kunden. Filter haben immer eine Restfeuchtigkeit und diese begünstigt die Entwicklung der Bakterien, wenn man den Filter aufbewahrt. Das empfanden die Kunden als unhygienisch. Wir haben dann den selbstreinigenden Filter «Drink Pure» erfunden.

Wie schützen Sie diese Innovation?

Mit der Filtermembran produzieren wir den wichtigsten Bestandteil des Filters selber und haben die entsprechende Kontrolle. Das ist ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz und für den Innovationsschutz. Die Membran wird in Zürich und Fribourg mit einer Beschichtungsanlage hergestellt, die zu dem Zweck tageweise gemietet wird. Bei der Produktion arbeiten wir mit der ETH zusammen. Die Einschweissung und Verpackung wird von der Arwo-Stiftung erledigt, die Menschen mit einer Beeinträchtigung unterstützt. Die Qualitätskontrolle erledigen wir selber, dabei richten wir uns nach den Kundenbedürfnissen.

Also ist es ein Schweizer Produkt. Wie wirkt sich das auf den Verkauf aus?

Alle unsere Produkte sind «Swiss made». Wir sind überzeugt, dass das ein gutes Verkaufsargument ist. Gerade im Zusammenhang mit Wasser ist die Swissness wichtig. Die Schweiz ist das Wasserschloss Europas und wir haben eine hohe Wasserqualität. Das strahlt auf unsere Produkte aus.

Die Novamem AG ist als Spin-off der ETH Zürich entstanden. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit der ETH empfunden?

Mit der ETH haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Unsere Firma ist aufgrund von Forschungen bei der ETH entstanden und wir arbeiten mit der ETH immer noch zusammen im Bereich Grundlagenforschung und Analytik. Es ist positiv, wenn man sich direkt mit der Technologie befassen kann.

Was würden Sie anderen Unternehmern raten, die mit der ETH zusammenarbeiten wollen?

Nur keine falsche Scheu. Viele Professoren haben Interesse an der Zusammenarbeit mit kleinen Firmen und die ETH kann in allen Bereichen interessante Lösungen anbieten. Ich empfehle, Kontakt mit den Institutsleitern aufzunehmen und sich auch im Rahmen der Kommission für Technologie und Innovation KTI zu bewerben.

Sie haben Ihr Unternehmen teilweise mit Crowdfunding finanziert. Wie hat das funktioniert?

Den Crowdfundern haben wir den Prototyp unseres Produktes vorgeführt, die Teilnehmer konnten diesen vorbestellen. So wurde das Produkt bei einem grösseren Publikum bekannt. Die GmbH hatten wir vor dem Crowdfunding schon gegründet und selber finanziert. Mit dem Geld aus dem Crowdfunding haben wir die Materialkosten gedeckt und die nicht billigen Spritzgusswerkzeuge gekauft.

Was würden Sie Unternehmern empfehlen, die ihren Betrieb mit Crowdfunding finanzieren wollen?

Unstrukturiertes Crowdfunding, um Kapital für eine Firmengründung zu bekommen, würde ich nicht empfehlen. Das kann auch wegen Haftungsfragen problematisch sein. Crowdfunding funktioniert am besten für Endkundenprodukte. Diese sollten eine breite Zielgruppe ansprechen, sonst funktioniert es nicht. Ein solches Produkt über Crowdfunding vorbestellen zu lassen, ist sehr wirkungsvoll für das Marketing. Es entsteht Aufmerksamkeit für das Produkt durch die Medien und Kommunikation mit den Kunden. Man muss sich aber Mühe geben und die Crowdfunding-Kampagne über alle zur Verfügung stehenden Kanäle vorantreiben.

Wer hat denn beim Crowdfunding mitgemacht?

Etwa die Hälfte der Bestellungen kam vom Ausland, aus über 30 Ländern. Wir hatten aber auch starke Unterstützung in der Schweiz. Das sind Kunden, die Sport in der Natur betreiben, sowie Leute, die viel reisen und auch im Hotel Wasser aus dem Hahn trinken möchten.

Was hat sich beim Aufbau Ihres Unternehmens als besonders schwierig herausgestellt?

Der Aufbau des Manufacturing war weitaus schwieriger, als wir angenommen haben. Wir waren ETH-Forschungsingenieure und konnten einen Prototypen herstellen. Es war ein Kraftakt, von der Idee und der Forschung im Labor zur Realisierung und der Produktion in Serie zu gelangen, zumal es sich um ein komplexes Produkt handelt. Das Risiko ist relativ hoch, anhand eines Prototyps weiss man nicht, ob das in Serie hergestellte Produkt immer funktioniert. Wir hatten 800 Stück durch das Crowdfunding verkauft, diese mussten wir den Kunden dann auch liefern. Schliesslich wollten wir unser Versprechen einhalten. Mit viel Arbeit haben wir die Produktion innerhalb eines Jahres organisiert.

Welche Erfahrungen haben Sie dadurch gewonnen?

Diese Transformation war die grösste Schwierigkeit, aber wir haben sehr viel gelernt und ein immenses Know-how gewonnen. Dieses ist sehr wertvoll für neue Produkte, dann können wir vieles besser machen. Wir wissen nun, wie wir bei der Produktion und der Qualitätssicherung vorgehen müssen und beim Aufbau von Vertriebskanälen.

Über welche Vertriebskanäle vertreiben Sie Ihre Produkte?

Angefangen haben wir mit einem Onlineshop auf einer Website, der auch jetzt noch besteht. Hauptsächlich verkaufen wir unser Produkt aber via Retailer und Grosshändler. Der Aufbau eines Vertriebssystems erfordert viel Einsatz. Anschliessend müssen die Partner und deren Personal gut betreut werden. Ein Verkäufer verkauft dieses relativ komplexe Produkt nur gut, wenn er es selber versteht. Es wird von Sportgeschäften angeboten, zum Beispiel den Outdoorhändlern Bächli, Transa, aber auch von der Bahnhofsapotheke Zürich, die auch Reiseberatung macht. Leider sind noch viele potenzielle Abnehmer kritisch gegenüber Start-ups, da diese manchmal nicht sehr lange überleben. Daher fürchten sie um ihre Investition.

In der Schweiz ist es für Neuunternehmen nicht immer einfach, Unterstützung zu finden. Wie beurteilen Sie das?

Wenn man über eine solide Plattformtechnologie und über ein nachvollziehbares Geschäftsmodell verfügt, findet man schon langfristige Investoren. Wir haben nach dem Crowdfunding einen Investor gewonnen.

Sie haben an der Expo 2015 in Mailand teilgenommen. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?

Die Expo Mailand war ein grosses Glück für uns, wir konnten unsere Produkte im Schweizer Pavillon im erweiterten ETH-Bereich präsentieren. Die Besucher haben sehr positiv reagiert. Dabei war es wichtig, dass wir das Produkt nicht nur ausgestellt, sondern auch vorgeführt haben, wie es funktioniert.

An welchen Messen wollen Sie in Zukunft ausstellen?

Messen sind teuer, deswegen wählen wir zwei oder auch drei Messen im Jahr gezielt aus. Es zahlt sich aber langfristig aus, wenn man dort Präsenz signalisiert. Unsere erste Messe in der Schweiz ist Grenzenlos in St. Gallen und wir planen eine erneute Teilnahme an der Sportmesse Ispo-Outdoor in Friedrichshafen im Juni.

Ein anderes Thema: Was halten Sie von Privatisierung des Trinkwassers?

Wir haben ein Interesse daran, dass die Wassergrundlage so gut wie möglich ist. Wie das die einzelnen Länder organisieren, muss diesen selber überlassen bleiben. Man benötigt aber eine Kontrolle des Grundwassers, dafür braucht man staatliche unabhängige Behörden. Wasser ist eine Vertrauensfrage, man muss nicht nur der Wasserversorgung vertrauen, sondern auch der Kontrollbehörde. Weltweit besteht ein reales Trinkwasserproblem. Die Versorgung wird knapp und daraus ist ein grosses Geschäft entstanden.

Was bedeutet das für Ihre Zukunftspläne?

Wir haben mit der Lancierung des «Drink Pure» im Bereich Outdoor und Reisen viel gelernt. Das Produkt bewährt sich und die Produktion läuft. Diese Grundlage wollen wir nun optimal nutzen. In diesem Jahr werden wir ein auf «Drink Pure» basierendes Produkt für den Haushalt anbieten und damit ein weitaus grösseres Kundensegment ansprechen können. Als Technologiefirma schauen wir aber auch weiter voraus. Im Bereich Entsalzung gab es in den letzten 20 Jahren keine bahnbrechenden Innovationen, wir haben daran ein langfristiges Interesse.

Es gibt verschiedene Angebote mit selbstreinigenden Membranen für Haushalt und Industrie im Internet. Was wäre dann für diesen Fall Ihr USP?

Bei den anderen Produkten handelt es sich eben nicht wirklich um selbstreinigende Membranen, sondern um rückspülbare Filter. In den meisten Fällen muss der Kunde sogar selbst rückspülen. Da der Filter aber nicht permanent rückgespült wird und das Rückspülen die bakterielle Kontamination in den Poren nicht zu 100 Prozent beseitigen kann, bleibt ein Restrisiko bestehen. Dank unserem eingebauten natürlichen Bakterizid können wir sicherstellen, dass sich der Filter ohne Aufwand des Kunden laufend selbst desinfiziert. Damit bieten wir dem Kunden grösstmögliche Sicherheit und Hygiene.

Wie organisieren Sie die Entwicklung von neuen Produkten?

Wir haben ein Labor an unserem Sitz in Schlieren eingerichtet, um uns in der Membranforschung weiterzuentwickeln, und wir wollen die Zusammenarbeit mit der ETH weiter ausbauen. Als Technologiefirma investieren wir sehr stark in die Forschung, um an vorderster Front zu bleiben und unseren Vorsprung auszubauen. Eine interessante Zielgruppe können in Zukunft auch Krankenhäuser und Altersheime sein, diese sind auf 100 Prozent sauberes Wasser angewiesen, weil einige ihrer Klienten an Immunschwäche leiden. Wir unterstützen auch karitative Unternehmen, zum Beispiel ein Hilfswerk in Kambodscha und ein Spital in Tansania.

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