ICT & Technik

ERP-Einführung I

Varianz als Schlüssel zum Erfolg

Bei der Projektarbeit für Enterprise Ressource Planning (ERP) profitieren Unternehmen von der Vielfalt der Implementierungsmethoden. Allerdings erfordert die Auswahl auch eine präzise und ehrliche Bewertung der eigenen wirtschaftlichen Ziele und organisatorischen Zwänge.
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Das Ziel ist klar: Eine moderne, integrierte und leistungsfähige Business-Software soll die Entwicklung des Unternehmens vorantreiben, Prozesse vereinfachen und Kosten sparen. Die Widrigkeiten unterschiedlichster und veralteter Software sollen einer übergreifenden Lösung für Enterprise Resource Planning (ERP) weichen, die das Unternehmensmanagement auf allen Ebenen effizient gestaltet. Es bleibt die Frage nach dem Weg dorthin. Schliesslich stehen vor den Vorteilen einer einheitlichen ERP-Systemlandschaft die Hürden einer Migration.

Ziele definieren

Hilfe verspricht hier ein genauer Blick auf die unterschiedlichen Methoden der ERP-Einführung, die moderne Lösungen erlauben. Ein Systemwechsel ohne Unterbrechung des Alltagsgeschäfts ist möglich – unter der Voraussetzung, dass Unternehmen ihre Zwänge und Ziele genau definieren und die Art und Weise der ERP-Implementierung darauf abstimmen. Dieser Prozess beginnt mit der Frage, ob

  • jeder Geschäftsbereich oder jede Unterneh­mens­einheit seine eigene Lösung wählt;
  • das gesamte Unternehmen auf eine einzige ERP-Lösung setzt
  • oder eine Two-Tier-Strategie verfolgt wird: ein zentrales System für unternehmensweite Anforderungen und eine zweite standardisierte Lösung für die Besonderheiten einzelner Standorte.

Die Wahl bestimmt, wie transparent und wachstumsfähig ein Unternehmen ist. Sie beeinflusst auch die Kosten sowie die Komplexität der Implementierung und des späteren Supports der ERP-Lösung.

Variante 1: Jeder Geschäftsbereich wählt eine eigene Lösung

Regionale Niederlassungen setzen gern Buchhaltungs- und Rechnungslegungssysteme ein, die ihre lokal typischen Verfahren unterstützen und im Detail darauf zugeschnitten ist. Solche Insellösungen sind auch meist kostengünstiger in Bezug auf Implementierung und Support im Vergleich zu Systemen, die für Grossunternehmen konzipiert wurden. Der Nachteil: Daten liegen in unterschiedlichen Formaten mit unterschiedlichen Kennzeichnungen vor, was zu inkonsistenten Masterdaten und einem Mangel an automatisierten Abläufen führt. Konsolidierte Zahlen für das gesamte Unternehmen sind damit kaum machbar, insbesondere wenn sie auf den individuellen Geschäftsvorfall zurückverfolgt werden sollen. Abhilfe schaffen hier eventuell einzelne Integrationsmassnahmen, allerdings meist zu exorbitanten Kosten.

Variante 2: Tier-1-Strategie

Viele der weltweit führenden Unternehmen setzen seit Jahrzehnten auf eine Tier-1-Strategie für ERP. Die Wahl komplexer ERP-Lösungen aus einer Hand birgt jedoch seine ganz eigenen Herausforderungen – insbesondere für kleinere Geschäftsbereiche. Dies ist eines der Kernergebnisse der jüngsten globalen Strategiestudie, durchgeführt von Epicor anhand von über 1600 Befragungen: Demnach konnte nur die Hälfte derjenigen mit einer Single-Vendor- oder Single-Tier-ERP-Strategie erfolgreich ihre Implementierung über alle Niederlassungen hinweg abschliessen. Ein Drittel davon denkt deshalb aktuell über eine Two-Tier-Strategie nach.

Der augenfälligste Vorteil eines einzigen ERP-Systems ist die zunächst wirksame Kostenkontrolle. Schliesslich können an jedem Standort identische Kenntnisse, Prozessmodelle, Methodologien und Installationsstrategien zum Tragen kommen: Je geringer die Anzahl der Produktionssysteme, desto einfacher die Standardisierung und Harmonisierung. Allerdings sind die hohen Einstiegskosten und die Komplexität mächtiger ERP-Systeme die grössten Hindernisse, die Unternehmen von Tier-1-Strategien abhalten. Solange die Niederlassungen und Tochtergesellschaften in einer Region oder einem Land angesiedelt, sind die Probleme überschaubar. Soll eine ERP-Lösung jedoch grenzüberschreitend installiert werden, dabei mit mehreren Währungen arbeiten und unterschiedliche steuerliche bzw. rechtliche Anforderungen erfüllen, wird es kritisch: Der Aufwand für individuelle Konfigurationen und die langfristige Wartung eines solchen Systems können höher sein als der Nutzen. Darüber hinaus sind mächtige ERP-Systeme kaum für die schlanken Bedürfnisse von kleinen Niederlassungen oder Vertriebsbüros «weit ab vom Schuss» geeignet. Implementierungsprojekte vor Ort können sich über Jahre hinziehen.

Variante 3: Two-Tier-ERP-Strategie

Damit rückt der zweigleisige Ansatz in den Fokus: ein Tier-1-ERP für die Unternehmenszentrale und eine standardisierte Tier-2-Lösung in den einzelnen Bereichen und Niederlassungen. Moderne Tier-2-Lösungen bieten alle dafür erforderlichen Funktionen. Dazu gehören End-to-End-Fähigkeiten, eingebettete Workflows und robuste Funktion für Berichtswesen und Performance Management. Ihre Vorteile zeigen sich in niedrigeren Gesamtkosten, mehr Flexibilität und schnellerer Implementierung als ein Tier-1-System. Als Standard für alle Niederlassungen ausserhalb der Unternehmenszentrale bieten Tier-2-Pakete deutliche Kosteneinsparungen sowohl bei der Anschaffung und der Installation an mehreren Standorten als auch bei Support und Wartung. Der Nachteil dieser Strategie: Es sind immer noch zwei Systeme im Einsatz und die beiden Lösungen müssen integriert werden – ein zusätzlicher Komplexitäts- und Kostenfaktor.

Wege der ERP-Implementierung

Ganz gleich welche strategische Entscheidung fällt, im nächsten Schritt ist die Art und Weise der ERP-Einführung zu wählen. Dabei ist die erste Frage, ob vorab eine konsequente Datenbereinigung erfolgt. Die Praxis hat gezeigt, dass sich die Mühe lohnt, in Zusammenarbeit mit den Fachbereichen die Stammdaten konsequent zu prüfen und zu bereinigen – obwohl die Versuchung gross ist, einfach alle Daten automatisiert in das neue System zu übertragen.

Gerade grosse Unternehmen neigen dazu, die Datenbereinigung aus Kosten- und Zeitgründen zu überspringen – mit kritischen Folgen: Das Vertrauen in die Daten und Analysen des neuen Systems fehlt von vorneherein. Das volle Potenzial moderner ERP-Lösungen als strategisches Instrument wird nicht genutzt und zeigt auf allen Hierarchie-Ebenen nicht den erhofften Produktivitätsgewinn. Zumal aktuelle Data Migration Tools anhand von Kontrollfunktionen gegenüber der Business-Logik und Alarmmeldungen die Extraktion, Bereinigung und Konsolidierung heterogener Datensilos unterstützen.

ERP in Phasen

Die ERP-Implementierung selbst kann phasenweise oder nach dem Big-Bang-Ansatz erfolgen. Beide haben ihre Vor- und Nachteile, beide sind von detaillierter Planung abhängig.

Die phasenweise Implementierung unterscheidet zwei Ansätze: Erfolgt sie funktionsorientiert, löst sie die Altsysteme bezogen auf die Abteilungen auf. Ein prozessorientierter Weg stellt schrittweise vollständige Prozessketten um. Für beide Verfahren spricht, dass sie in überschaubare Einzelprojekte aufgeteilt sind, die den Ressourceneinsatz zeitlich entzerren, die Belastung für die Mitarbeiter verteilt sich gleichmässiger. Das insgesamt geringere Projektrisiko geht einher mit dem Vorteil, dass Erfahrungen aus Teilprojekten in die Folgeprojekte einfliessen können. Allerdings steigt der Aufwand für die Erstellung temporärer Schnittstellen zwischen den alten und neuen Systemen. Ein weiterer Nachteil ist, dass in der Übergangsphase zumeist Daten doppelt erfasst werden müssen. Es existiert in dieser Zeit kein integriertes System und die Gefahr von inkonsistenten Daten oder Redundanzen in den Stammdaten ist hoch.

Big Bang für ERP

Auch der Big-Bang-Ansatz unterscheidet zwei Wege: Zentral verwaltete Unternehmen setzen hier zumeist auf eine vollständige Ablösung der Altsysteme zu einem bestimmten Stichtag. Dezentrale Organisationen bevorzugen einen Roll-out. Hier wird nach einer Initialeinführung in einem Unternehmensbereich das Kernsystem jeweils als lokaler Roll-out in einem kurzen Zeitfenster in allen Niederlassungen installiert. Für beide Ansätze gilt, dass weder Schnittstellenprobleme noch Dateninkonsistenzen oder Doppelarbeit aufgrund einer Übergangsphase entstehen. Die neuen Systeme sind nach dem Start vollständig verfügbar. Der beherzte Übergang birgt allerdings ein hohes Projektrisiko schon allein aufgrund der Komplexität. Das Projektmanagement steht vor hohen Anforderungen, die umfangreiche Tests und Fall-Back-Strategien erfordern. Nur so kann die Gefahr eines Totalausfalls minimiert werden. Nicht zu unterschätzen ist auch die hohe Belastung der Mitarbeiter in der Vorbereitung einer Big-Bang-Einführung, die gleichzeitig weitgehend alle Unternehmensbereiche betrifft.

Fazit

Die sorgfältige Planung und Vorbereitung bestimmt den Erfolg einer ERP-Implementierung. Den einen richtigen Weg gibt es nicht. Was jedoch in jedem Fall massgebend bleibt, ist die Unterstützung durch das Management und die Fähigkeit im Unternehmen, abteilungs- und fachübergreifend zusammenzuarbeiten. Nur so können mögliche Engpässe und individuelle Anforderungen frühzeitig erkannt und gelöst werden.