ICT & Technik

Projektmanagement

Projektkrisen frühzeitig erkennen und managen

Eine Vielzahl von Projekten kommt entweder gar nicht zum Abschluss, oder die Projekte können ihre terminlichen, budgetären und qualitativen Zielvorgaben nicht einhalten. Was es braucht, um Projektkrisen zu meistern und welche Rolle Projektmanagement-Software­lösungen dabei spielen können, zeigt dieser Beitrag.
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Dass Projekte in eine Krise geraten können, wissen wir alle. Es liegt bereits in der Natur des Projektgeschäfts, dass die Verantwortlichen Neuland betreten. Projekte finden einmalig statt, begeben sich auf unbekanntes Terrain und sind darum nicht mit beliebiger Präzision planbar. Überraschungen und Unerwartetes im Projektverlauf sind also nicht die Ausnahme, im Grunde sind sie die Norm. So stellt sich die Frage, was zu tun ist, damit sich ein Problem nicht zu einer handfesten Krise ausweitet, wie wir sie etwa in Berlin beim Flughafenprojekt beobachten können. Dort verschieben sich die Fertigstellungstermine um Jahre, und die Kosten steigen um etliche Milliarden Euro.

Kritische Situationen erkennen

Einer der Kardinalfehler des Projekts: In Berlin gab es keine aktualisierten und transparenten Projektpläne, an denen sich der Status und Fortschritt des Projekts hätte ablesen lassen – zumindest wurden vorliegende Erkenntnisse nicht kommuniziert und vom Management für die weitere Planung auch nicht berücksichtigt. Das Resultat dieser Intransparenz: kein Reagieren, kein Gegensteuern, die beste Grundlage für eine kommende Projektkrise.

Im Grunde gilt es für nahezu jedes Projekt, dass im Verlauf kritische Situationen auftreten können. Es kommt darauf an, diese Situationen rechtzeitig zu erkennen und zu lösen, sodass sie den Erfolg des Projekts gar nicht oder nur marginal beeinflussen. Ein prekärer Zustand ist dann erreicht, wenn kritische Situationen in immer kürzeren Zeitabständen auftreten. Mitunter gipfeln sie dann in einer ausgewachsenen Projektkrise, die, im worst case, das Scheitern des Projekts bedeuten kann.

Eine Krise kann sich jedoch auch unvermittelt einstellen – dann, wenn ein einzelnes unvorhergesehenes Ereignis eintritt, das für die Beteiligten nicht antizipierbar war, aber dennoch eine grosse Tragweite hat. Hier können auch politische oder wirtschaftliche Ereignisse eine Rolle spielen – etwa der Zusammenbruch der neuen Märkte oder die Finanzkrise. Oft tritt eine elementare Projektkrise auch erst gegen Ende eines Projekts auf, da dann in der Regel – bedingt durch Termin- und Budgetüberschreitungen – der Erfolgsdruck steigt. Laut einer Gallup-Studie kommen je nach Branche und Berichtszeitraum 50 bis 87 Prozent aller untersuchten Projekte entweder gar nicht zum Abschluss, oder die Projekte können ihre terminlichen, budgetären und qualitativen Zielvorgaben nicht einhalten. Eine Studie von IAG-Consulting aus dem Jahr 2012 kam sogar zu dem Ergebnis, dass zirka 70 Prozent aller untersuchten IT-Projekte scheitern oder doch kurz vor dem Scheitern standen.

Gründe für Projektkrisen

Die Gründe für eine Projektkrise sind sowohl systemischer als auch individueller Natur. An dieser Stelle seien nur einige Faktoren beispielhaft aufgeführt:

  • Die Zielformulierungen des Auftraggebers sind generalistisch gehalten, erscheinen unklar und klammern Detailvorgaben weitgehend aus. Der Auftraggeber kommt seiner Informationspflicht nur unzureichend nach, was die Planungssicherheit beeinträchtigt.
  • Das technische Anforderungsprofil ist überambitioniert oder gar utopisch.
  • Politische Forderungen seitens der Unternehmensführung sowie des Vergabe- und Vertragsmanagements beeinflussen Planung und Ablauf.
  • Die Budgets werden aus vergabetaktischen Gründen zu eng kalkuliert, zeitliche, personelle und finanzielle Puffer werden möglichst klein gehalten.
  • Die Projektplanung erfolgt nicht mit der nötigen Tiefe und der gebührenden Detailakribie. Je länger und intensiver die Planungsphase, desto weniger Probleme treten später in der Durchführung auf.
  • Inkompetenz von Planungsstab und Projektleitung.
  • Durch Personalressourcenmangel werden Mitarbeiter parallel in mehreren Projekten eingesetzt (Multi-Tasking-Effekt), es gibt einen Kontinuitätsverlust.
  • Das Netz von Zulieferern und Subunternehmern ist unübersichtlich, es entstehen Dependenzen, durch die Organisationsabläufe schwerer planbar werden. In Krisensituationen führt dies zur Delegierung von Verantwortlichkeiten.
  • Permanent wechselnde und sich akkumulierende Anforderungen im Änderungswesen verwässern die Ziele und demotivieren die Projektmitarbeiter.
  • Ein engmaschiges Qualitäts- und Risikomanagement wird aus zeitlichen oder budgetären Gründen vernachlässigt oder nicht in Betracht gezogen.
  • Mitarbeiterwechsel, vor allem auf Leitungsebene, führen bei längeren, komplexen Projekten zu Brüchen.

Transparente Kommunikation

Projektintern – insbesondere bei komplexen Aufgabenstellungen – ist eine geeignete Projektmanagement-Softwarelösung praktisch unumgänglich. Nur mithilfe einer guten PM-Lösung lassen sich Projekte so realistisch wie möglich planen, bewerten und steuern. Die PM-Lösung ist essenziell, um Transparenz über den Projektverlauf zu gewinnen, die erreichten Milestones zu verifizieren, die eingestellten Zeit- und Ressourcenpuffer permanent zu überprüfen und die Einhaltung des Budgets zu überwachen. Von dieser Transparenz profitiert der einzelne Projektleiter ebenso wie das Management, das einen Überblick über das gesamte Projektportfolio seines Unternehmens braucht. Es gehört darum zu den wesentlichen Aufgaben aller Projektleiter, ihre Pläne so aktuell wie möglich zu halten, damit das mögliche Frühwarnsystem in Gestalt der Projekt- und Portfolio-Management-Lösung funktioniert. Dabei ist es sinnvoll, die späteren Projektmitarbeiter schon in der Planungsphase zu involvieren. Denn auf diese Weise wird das Projekt zu einem Teil «ihr» Projekt, die Mitarbeiter geben ein Commitment ab, und bereits die Planungsdaten werden realistischer.

Die Verantwortlichen auf Ebene der Projektleitung, der Portfolioplanung und der Geschäftsführung brauchen zwingend die Transparenz und die Informationen, die ihrer Rolle entsprechend für fundierte Entscheidungen erforderlich sind. Zugleich muss das Projektmanagement dafür sorgen, die Kommunikation und Verständigung auf allen Ebenen zu schärfen. Für beides schafft eine zentrale Projektmanagement-Lösung die Voraussetzung. Einige PM-Lösungen unterstützen die rollen- und rechtekonforme Versorgung mit Informationen auch dadurch, dass Lizenzen nur für diejenigen Nutzer nötig sind, die selbst mit dem Tool planen und Daten einpflegen. Für diejenigen, die die Informationen nur einsehen müssen, Mitglieder des Managements etwa, ist der Zugriff kostenlos.

Die Planungsansätze

Was den Planungsansatz betrifft, fällt die Entscheidung oft zwischen diesen beiden prinzipiellen Varianten: die ressourcentreue oder die termintreue Planung. Vor diese Alternativen gestellt, entscheiden sich viele Projektleiter für den termintreuen Ansatz, weil sie glauben, so mehr Kontrolle über den Projektfortschritt zu erhalten. So naheliegend diese Überlegung auch scheint, sie ist mitunter trügerisch. Wer eine mögliche Überbelastung seiner Ressourcen, also der involvierten Mitarbeiter, ausblendet, setzt sich ebenso der Gefahr von Projektkrisen aus. Denn steht die Ressource nicht im eingeplanten Umfang zur Verfügung, werden sich Termine notwendigerweise verschieben. In der Regel ist man gut beraten, die Unwägbarkeiten des Projektverlaufs als den Normalfall zu betrachten.

Wer sich auf die Möglichkeit von Problemen einstellt und sich schon im Vorfeld Gedanken über Lösungsansätze macht, für den werden sich einzelne Probleme im Projekt nicht zur handfesten Krise auswachsen. Wenn etwa ein einzelner eingeplanter Projektmitarbeiter nicht verfügbar ist – ist das wirklich schon eine Krise? Bei manchen längerfristigen Projekten ist die Ressourcenplanung ohnehin mit einer gewissen Unschärfe behaftet. Wer weiss schon, ob ein Mitarbeiter mit bestimmten Fähigkeiten, der als Ressource für einen Projektabschnitt in zwei Jahren vorgesehen ist, sich dann überhaupt noch im Unternehmen befindet? Mitunter suggeriert hier die Software für die Projektplanung eine falsche Verlässlichkeit, wenn sie eine Ressourcenplanung nur auf namentlicher Ebene gestattet, statt die Ressourcenplanung auch auf Stellen- oder Abteilungsebene zu erlauben. Oft ist es besser, für den Projektabschnitt in zwei Jahren zehn Java-Programmierer aus einer bestimmten Abteilung vorzusehen, als sie auch schon namentlich benennen zu wollen. 

Das A und O, um Krisen im Projekt zu vermeiden – sprich: um Problemsituationen so frühzeitig zu identifizieren, dass man ihnen wirkungsvoll begegnen kann – liegt in der regelmässig aktualisierten Projektplanung. Nur für einen Projektleiter, der sein PM-Tool tatsächlich nutzt, kann es zu einem Joker werden, der den meisten Projektkrisen vorbeugt. Die Analysen, die eine gute Projekt- und Portfolio-Management-Lösung liefert, für den Projektleiter, den Portfolioplaner und das Management, sind wie das Radar des Flugkapitäns: Sie machen den Blick auf die Flugbahn sehr viel klarer und sicherer. 

Projektkrisen haben zumeist keine einzelne Ursache, oft führt eine Fülle von Gründen zur Krise. Einige bekannte Beispiele aus neuerer Zeit belegen dies.

Boeing

Boeing und EADS liefern sich seit Jahren einen harten Wettbewerb um Marktanteile. Ihre Kunden, die Fluggesellschaften, kämpfen mit steigenden Kerosinpreisen und Emissionsabgaben. Aus Marketinggründen waren die Flugzeughersteller darum gezwungen, leichtere Modelle mit geringeren Betriebskosten zu entwickeln. Boeing beschritt den Weg, den Rumpf seines neuen Dreamliners aus Verbundwerkstoffen zu fertigen. Aber das Experiment mit neuen Werkstoffen, zu dem es nur unzureichende empirische Daten gab, verzögerte, neben anderen Problemen, die Auslieferung des Dreamliners um drei Jahre. Das Leichtigkeitsdiktat wurde zudem auf alle eingebauten Teile ausgeweitet, auch auf die Batterien. Die neuen Lithium-Ionen-Akkus, die die schweren Säure-Batterien ersetzen, sind jedoch schneller entflammbar – was Anfang 2013 zu gefährlichen Zwischenfällen führte. Seit Januar 2013 blieb die Dreamliner-Flotte am Boden. Die Ausfälle für Boeing dürften Hunderte Millionen Dollar betragen, hinzu kommen Schadenersatzforderungen einiger Airlines. Der Chef-Ingenieur des Dreamliners, Mike Sinnet, erklärte im März dazu, die Batterien-Zulieferfirmen müssten dringend ihre Produktionsstandards erhöhen.

EADS

Auch der grosse Konkurrent EADS blieb von den Folgen des Leichtigkeitstrends nicht verschont. Mehr als hundert Millionen Dollar kostete EADS alleine der Umbau von 4000 Halteklammern in den Flügeln des A380. Man hatte eine extrem leichte Metalllegierung eingesetzt, die jedoch kleine Haarrisse in den Flügeln verursachte. Der Gewichtsunterschied zwischen herkömmlichen und neuen Klammern betrug 90 kg – bei einem maximalen Startgewicht des neuen Fliegers von 590 Tonnen.

Flughafen Berlin

Zuletzt noch das Beispiel des neuen Berliner Grossflughafens «Willy Brandt». Wie die journalistischen Recherchen im Anschluss an die mehrmaligen, kostspieligen Verschiebungen des Eröffnungstermins ergaben, sind für die Pannen zahlreiche Versäumnisse verantwortlich, die den Verantwortlichen bei der Planung und Durchführung des BER-Projekts unterlaufen waren. Auch die zirka 300 in das Vorhaben involvierten Firmen unter Verzicht auf einen Generalunternehmer koordinieren zu wollen, war eine enorme logistische, aber auch kommunikationstechnische Aufgabe, die nur unzureichend gelöst wurde.

Wenn technische Leitung, Geschäftsführung und Mitglieder des Aufsichtsrats beklagen, sie seien gar nicht oder zu spät über bestehende Probleme informiert worden, weist dies auf einen der Kernpunkte für das Phänomen Projektkrise hin: mangelnde Transparenz.

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